Trojanische Hühner. Ado Graessmann

Trojanische Hühner - Ado Graessmann


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da wird man eben automatisch etwas schneller. Es war eine Art von Spiel, das er fast immer machte, wenn er nach unten ging, hierfür brauchte er niemanden, er konnte es alleine spielen. Als er zum Haus zurück ging, folgten ihm die weißen Hühner, so als sei es für sie das Selbstverständlichste auf der Welt, als hätten sie es schon immer so gemacht. Er schüttete Körner in einen Trog, sie waren wohl hungrig geworden, auf ihren Weg vom Berg herab und begannen sich sofort daran zu stärken.

      Er hatte schon frühzeitig gelernt, dass man Geschenke teilen muss, daher verpackte er am Nachmittag je fünf weiße Hühner in drei Kisten und wies den Fahrer an, der am späten Nachmittag die Eier abholte, jeweils eine der Kisten bei seinen Brüdern und dem Schwager abzuliefern. Er behielt fünf davon für sich und die Neulinge wurden von seinen alten Hühnern nicht weiter beachtet und von ihnen auch aufgenommen.

      Was Cave nicht erahnen konnte, die weißen Hühnern waren doch Trojaner. Aus Rache ließ der CIA die Hühner mit genmanipulierten Viren infizieren. Das tödliche Virus verbreitete sich mit rasanter Geschwindigkeit. So kam das Unheil über seine Sippe und über das gesamte Land, eine verheerende Pandemie brach aus. Die Büchse der Pandora war geöffnet. Hass und Verderben bestimmen seit dieser Zeit das Handeln beider Nationen.

      2

      Ich bin Mike, ich sehe nicht aus wie man sich normalerweise einen Mike vorstellt, ich habe dichtes schwarzes Haar, eine lange krumme Nase, ausgeprägte Backenknochen und eine dunkle Haut.

      Geboren bin ich in Palo Alto, einige Meilen südlich von San Francisco, dort bin ich auch aufgewachsen. Meine Eltern besitzen eine große Orangenplantage, mein Vater hatte sie vor etlichen Jahren von seinem Vater übernommen, lauter Apfelsinenbäume, soweit das Auge reicht, für Äpfel ist es hier zu heiß und von Anfang Februar bis Anfang November fällt auch kein Regentropfen. Wasser wird für die Plantagenbesitzer zum Hauptproblem. Trinkwasser kommt aus einem Stausee nördlich von San Francisco, selbst dort wird an den Hängen das Gras schon nach wenigen Tagen hell wie Stroh, es ist die Heimat der Klapperschlangen, geht man durch das dürre Gras, dann kann man sie manchmal hören, ohne sie zu sehen, es ist ein sonderbares Klicken wenn ihre Hornschuppen am Schwanz gegeneinander schlagen, meist sind sie nicht aggressiv, man sollte ihnen nur nicht zu nahe kommen oder auf sie treten. Antiseren gibt es auf der Ranger Station, unten bei der Schildkröten Station, falls doch jemand einmal gebissen wird.

      Langsam aber stetig sinkt in den Sommerwochen der Wasserspiegel und gegen Ende August ist der Stausee fast nur noch eine jämmerliche und trübe Wasserpfütze, selbst Fische können kaum mehr darin überleben.

      Zu jeder Stunde wird im Radio verkündet, dass Rasen sprengen und Auto waschen verboten sind, Waschmaschinen sollen nicht mehr als einmal täglich benutzt werden, möglichst nachts, wenn der allgemeine Verbrauch etwas absinkt.

      Da meine Eltern wohlhabend sind, konnte ich die besten Schulen besuchen. Ich war nicht das, was man einen Streber nennt, hatte aber in allen Fächern immer nur die Bestnote A. Ich weiß auch nicht wie und warum, aber ich musste nie wirklich richtig pauken, ich habe so etwas wie ein photographisches Gedächtnis und was ich einmal gehört und gesehen habe, verbleibt in meinem Gehirn verankert. Auch jetzt noch, wenn mir etwas nicht spontan einfällt, gebe ich meinem Gehirn den Auftrag danach zu suchen, dies klappt auch meistens und ich bekomme dann auch prompt die richtige Nachricht. Die Hausaufgaben hatte ich schon meistens während der Pause erledigt und hatte somit viel Zeit für mein Hobby.

      Unser Wohnhaus war riesig, die Anzahl der Zimmer hatte ich nie wirklich gezählt, es wurden auch nicht alle benutzt, es war ein großes Herrenhaus und stammte aus dem neunzehnten Jahrhundert, aus Holz gebaut, mit brauner Farbe bestrichen, die alle Jahre ausgebessert werden musste, irgendwo musste immer etwas nachgestrichen werden, und einem großen Eingang. Bis zur Straße waren es etwa fünfhundert Meter. Die gepflasterte Auffahrt, umrandet von Bäumen, führt in einem großen Bogen bis vor dem Eingang und wieder zurück zur Straße, für die Familienautos gab es immer genug Parkstellen. In dieser Gegend sind die Grundstücke nicht eingezäunt, ein Hausschlüssel, wenn je einer existierte, wurde bisher nie benutzt, trotzdem wurde nie etwas gestohlen.

      Mein Vater hatte für mich eine kleine Werkstatt eingerichtet, in einem Seitenflügel des Hauses, für meine neue Leidenschaft, die ich nach meiner Rückkehr von unserer Schülerreise entwickelt hatte. Es begann mit einer Studienreise nach Italien, am Ende der zehnten Klasse. Unser Kunstlehrer hatte uns schon einige Monate vor Beginn der Reise auf verschiedene Kunstwerke aufmerksam gemacht, mit dem Schwerpunkt auf Marmor Skulpturen.

      Er meinte Florenz und Rom, das waren zwischen Ende des fünfzehnten und dem beginnenden sechszehnten Jahrhundert der Nabel der künstlerischen und kulturellen Welt, was zu dieser Zeit geschaffen wurde, kann man nicht beschreiben, man muss es selbst gesehen haben. Die Hochrenaissance sei die Wiedergeburt der griechischen Kunst gewesen und führte zu nie wieder erreichten Schöpfungen, geschaffen für die Ewigkeit.

      Unsere Studienreise begann in Florenz, wir waren in einem kleinen Hotel untergebracht, gleich neben dem Arno, zwei Nebenstraßen hinter der Ponte Vecchio, von meinem Fenster aus konnte ich die Brücke sehen. Am Flughafen in Pisa nahmen wir den Linienbus, und als wir in Florenz ankamen, war es schon dunkel, aber die Brücke überstrahlte die Umgebung, die Geschäfte waren noch geöffnet, ein Wunder dass die Brücke alles tragen kann, besonders bei den vielen Besuchern, die auf dem Scheitelpunkt des Brückenbogens stehen, dort sind keine Geschäfte, zwei kleine Plätze, auf jeder Seite einer, mit freien Ausblick auf den Fluss, danach neigt sich die Brücke nach beiden Seiten bis zu den angrenzenden Straßen. Der Regen der letzten Tage hatte den Fluss leicht anschwellen lassen, nur einige Ruderboote kämpften sich zur späten Stunde noch durch das trübe Wasser, die Liegestühle von der Badestelle an der linken Seite des Flusses waren alle unbesetzt.

      Am nächsten Morgen stand ich in der Florentiner Akademie vor ihm, über fünf Meter ist er groß, aus weißen Marmor, der Meister, er war erst fünfundzwanzig Jahre alt, als er ihn aus einem Stein heraus erschaffen hatte. Einige Bildhauer hatten sich schon zuvor damit befasst, aber die Arbeit aufgegeben, und nur grobes Stückwerk hinterlassen. Doch was hatte er daraus gemacht, die Vollkommenheit, ein menschlicher Gigant, von da an konnte ich ihm nicht mehr entkommen.

      Er, der ihn erschaffen hatte, er ruht nun für ewig in einem Sarkophag aus braunen Granit, auf einem großen Sockel, an der Wand, am hinteren Ende der Kirche Santa Croce, dort ist er nicht allein, nur einige Schritte von ihm entfernt ruht auch noch der Dichter Dante und gegenüber steht der Sarkophag mit den Überresten von Galileo Galilei, fast wäre er als Ketzer auf dem Scheiterhaufen gelandet, beim Vorzeigen der Folterwerkzeuge hatte er widerrufen, doch dann sagte er nur leise, mehr zu sich selbst, und sie dreht sich doch. Ich stand lange tief bewegt vor ihnen, noch Stunden nachdem ich die Kathedrale verlassen hatte, fühlte ich mich wie aufgewühlt.

      Zuvor waren Steine nur einfach Steine für mich, dies hatte sich verändert, als ich vor dem Giganten stand, ich sah, wie dem toten Stein Leben und Würde eingehaucht wurde, und so begann meine Faszination für den Marmor.

      Eine der Fragen die ich hatte war, wie ist der Marmor denn eigentlich entstanden?

      Unser Lehrer erklärte uns, einst waren es die Schalen von Muscheln und anderen Tieren, die vor mehr als dreihundert Millionen Jahren in den Weltmeeren lebten. Sie hatten sich zum Schutz ein Gehäuse gebaut, aus einer einfachen chemischen Substanz, unser Chemielehrer meinte nur, es sei Calciumcarbonat, wir hätten es auch in unseren Knochen, das würde für die Stabilität unserer Knochen sorgen.

      Als die Tiere starben fielen sie auf den Meeresboden, unzählbar viele, die Schalen der Tiere wurden zusammengepresst und durch den hohen Wasserdruck und einigen chemischen Reaktionen entstand der Marmor, weißer Marmor entstand aus weißen Schalen und farbiger wenn die Tiere farbige Schalen produziert hatten, und es gäbe über hundert verschiedene Arten davon.

      Eine weitere Frage die ich stellte war, wenn Marmor immer auf dem Boden der Ozeane entstanden ist, wie kommt es dann, dass wir Marmorberge haben.

      Der Lehrer meinte, weißt du, zu dieser Zeit gab es nur einen Kontinent, der zerbrach und neue Kontinente entstanden daraus und Teile des Meeresbodens wurden nach oben gedrückt, so entstanden die Marmorberge


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