ZEHN TAGE IN DER HÖLLE. Eberhard Weidner

ZEHN TAGE IN DER HÖLLE - Eberhard Weidner


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sind nur das Rauschen aus den Lautsprechern und das aufgeregte Summen der Fliegen zu hören. Dann ertönt die Stimme eines Mannes, die weiterhin mit einem Rauschen unterlegt ist, ein wenig blechern klingt und unzweifelhaft von einer besprochenen Audiokassette stammt.

      »Wenn diese Aufnahme zu hören ist, müsste die Kreatur wieder aufgewacht sein. Obwohl aufwachen vermutlich nicht unbedingt der korrekte Ausdruck ist. Aber wie soll man es sonst nennen, wenn jemand von den Toten wiederaufersteht und nur noch ein hirnloses Ungetüm ist, das einzig seiner Fressgier folgt?

      Reanimation? Wiederbelebung? Auferstehung?

      Meiner Ansicht nach ist keiner dieser Ausdrücke korrekt, denn mit dem Menschen, der er einmal war, hat dieser wandelnde Tote nicht mehr das Geringste zu tun. Das Einzige, was sie gemeinsam haben, ist dieser Körper. Doch das, was den lebenden Menschen ausmachte, seine Persönlichkeit und sein Verstand, sind mit dem Tod unweigerlich verloren gegangen. Und vermutlich ist das auch gut so, denn so bekommt er von der ganzen Scheiße wenigstens nichts mehr mit.

      Hoffe ich wenigstens!

      Allerdings kann ich mir dabei nicht sicher sein, schließlich weiß niemand, was in den Köpfen der wandelnden Leichen vorgeht.

      Was, wenn die Persönlichkeit des Menschen auch nach seinem Tod noch immer irgendwo im verwesenden Schädel des Zombies erhalten ist, zu dem er wurde, er allerdings keine Möglichkeit mehr hat, auf den Körper einzuwirken und ihn zu steuern? So wie ein Fahrgast in einer führerlosen U-Bahn. Er müsste all dem Grauen dann voller Entsetzen und tatenlos zusehen, ohne etwas dagegen unternehmen zu können.

      Der Gedanke macht mir Angst!

      Ich hoffe allerdings, dass es nicht so ist. Bislang konnte ich bei keinem einzigen der lebenden Toten, denen ich in den letzten Tagen begegnet bin, seit diese Scheiße angefangen hat – und das waren beileibe nicht wenige –, auch nur einen Funken von Intelligenz oder eine Spur seiner ursprünglichen Persönlichkeit entdecken. Ich bin mir aber trotzdem nicht hundertprozentig sicher und hoffe, dass ich nie gezwungen sein werde, es am eigenen Leib zu erfahren.«

      Die Stimme aus den Lautsprechern bricht ab und seufzt laut, bevor sie eine Pause einlegt, als sei sie zu erschöpft, um sogleich fortzufahren.

      Als die Stimme verstummt, kommt stattdessen wieder Leben in den reglosen Körper auf dem Boden. Er stöhnt lang gezogen, als leide er Höllenqualen, bevor er sich mit der rechten Hand vom Boden abstößt und schwerfällig auf den Rücken rollt. Für einen langen Moment starrt er mit seinen toten, milchigen Augen zur Decke, dann setzt er sich auf.

      Noch bevor die Stimme erneut einsetzt, hebt und wendet sich der Kopf des lebenden Toten, als habe jemand an unsichtbaren Fäden gezogen, bis sich sein Blick auf die Lautsprecher unter der Decke richtet. Anschließend rührt er sich nicht mehr, und es sieht so aus, als würde er darauf warten, dass die Stimme des Mannes erneut ertönt.

      Ein Keuchen ist zu hören, es raschelt und knirscht, dann knackt es im Lautsprecher laut, weil die Aufnahme an dieser Stelle anscheinend beendet und zu einem späteren Zeitpunkt wieder neu gestartet wurde.

      Als die Stimme wieder ertönt, klingt sie nicht mehr so gepresst wie zuvor. Stattdessen hört sie sich leicht verwaschen an, als sei der Sprecher erschöpft oder betrunken.

      Der Zombie knurrt und fletscht die Zähne. Während die Aufnahme weiterläuft, versucht er, unbeholfen auf die Beine zu kommen.

      »Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, diese Kassette zu besprechen. Vermutlich wird es ohnehin nie jemand hören, der mehr als ein halbes Dutzend intakte Gehirnzellen besitzt. Und dieses Ding im Schlafzimmer wird mir wohl kaum bewusst zuhören oder gar verstehen, was ich sage.

      Natürlich wird es meine Stimme hören und in irgendeiner, vermutlich aggressiven Form darauf reagieren. Genauso, wie die anderen wandelnden Toten auf Geräusche reagieren, weil sie instinktiv wissen, dass sie in der Regel von lebenden Menschen verursacht werden und daher gleichbedeutend mit Nahrung sind. Sie werden nämlich nicht länger von einem funktionierenden Verstand, sondern nur noch von ihren Instinkten gesteuert, ohne überhaupt darüber nachzudenken, was sie tun. Von ihren Instinkten und ihrer Fressgier, die so stark ausgeprägt ist, dass sie alles in Kauf und auf sich nehmen, sogar die eigene Vernichtung, um an ihre bevorzugte Nahrung zu kommen. Bei der es sich bedauerlicherweise um jeden lebenden Organismus handelt, der sich nicht zur Wehr setzen oder schnell genug aus dem Staub machen kann und den sie zu fassen bekommen.

      Vermutlich bespreche ich diese Kassette hauptsächlich, um etwas zu tun zu haben und nicht dauernd an den Tod denken zu müssen. Denn der ist in dieser neuen Welt, in der die wandelnden Toten regieren und die Lebenden eine aussterbende Rasse sind, längst allgegenwärtig und vorherrschend. Es fällt daher schwer, etwas über die letzten Tage zu erzählen und dabei den Tod unerwähnt zu lassen.

      Aber vielleicht ist diese Kassette auch nur als Vermächtnis gedacht. Damit nach meinem eigenen Tod nicht nur ein stinkender, vor sich hin faulender Kadaver von mir übrigbleibt, der wie ein Schlafwandler stöhnend durch die Gegend schlurft und nach frischem Fleisch giert. Möglicherweise findet ja irgendwann ein anderer Überlebender die besprochene Kassette und hört sich meine Geschichte an. In naher oder ferner Zukunft, wenn die Plage durch die lebenden Toten vielleicht von selbst endet, weil alle Körper so verfault und verrottet sind, dass sie sich mangels Muskeln, Sehnen und Bändern nicht mehr bewegen können und damit auch nicht länger eine Gefahr für die Lebenden darstellen.

      Doch falls es bis dahin noch Jahre oder sogar Jahrzehnte dauert, weiß der Finder möglicherweise gar nicht, wie alles begonnen hat – zumindest aus meiner Sicht. Deshalb sollte ich mit meiner Erzählung wohl besser am Anfang beginnen.«

      Der Zombie hat es endlich geschafft, auf die Beine zu kommen, indem er erst aufs Bett gekrochen ist und dann von dort die Füße auf den Boden gestellt und sich aufgerichtet hat. In einem noch halbwegs funktionierenden Teil seines Gehirns scheinen noch immer Bewegungsabläufe gespeichert und abrufbar zu sein, die der Mann vor seinem Tod unzählige Male absolviert hat.

      Der lebende Leichnam stöhnt laut, als wolle er seinen Triumph über den schwerfälligen, unbeholfenen Körper auch akustisch kommentieren, allerdings fehlt ihm dafür die Bandbreite früherer Ausdrucksmöglichkeiten. Er wendet sich um und stapft mit steifen Gliedmaßen und schwankendem Gang zum Schrank. Vor allem das angeschwollene linke Bein macht ihm dabei Schwierigkeiten, doch er lässt sich davon nicht beirren. Sein Blick ist dabei ständig auf die Lautsprecher gerichtet, aus denen noch immer die menschliche Stimme kommt.

      Die einzelnen Worte sind für den Zombie natürlich unverständlich. In seinem jetzigen Zustand weiß er nicht einmal, dass es sich um Worte handelt und sie so ausgewählt und aneinandergereiht wurden, damit sie einen Sinn ergeben. Er hört nur die menschliche Stimme und weiß instinktiv, dass sie Nahrung bedeutet. Dort, wo die Stimme ihren Ursprung hat, gibt es Nahrung. Nahrung, nach der er sich fast ebenso verzehrt wie ein Süchtiger nach seiner Droge.

      Der wandelnde Tote erreicht den Schrank und rempelt ungestüm dagegen. Er hebt die Arme und streckt beide Hände nach den Lautsprechern aus, hat jedoch keine Chance, sie zu erreichen. Sie wurden absichtlich so weit oben angebracht, damit er sie nicht packen und herunterreißen kann, wodurch die Stimme des Mannes verstummt wäre. Der Zombie knurrt laut und fletscht erneut die Zähne, womit er möglicherweise seiner Verärgerung oder Frustration Ausdruck verleihen will, falls er zu derartigen Gefühlen überhaupt noch fähig ist.

      Er rempelt ein weiteres Mal gegen den Schrank, heftiger diesmal, und taumelt zurück. Ohne innezuhalten, rennt er erneut dagegen und wird wieder zurückgeworfen. Er lässt sich davon jedoch weder entmutigen, noch erkennt er die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens. Er hört nur die Stimme, die für Nahrung steht, und will denjenigen haben, dem die Stimme gehört, um ihn mit seinen zu Klauen gekrümmten Händen zu zerreißen und blutige Fetzen Fleisch aus seinem Körper zu beißen. Deshalb fährt er fort, gegen den Schrank anzurennen, der weder wankt, noch wackelt und dessen Türen sich auch nicht öffnen. Denn der Besitzer der Stimme hat nicht nur in weiser Voraussicht die Lautsprecher in unerreichbarer Höhe angebracht, sondern auch den Schrank an der Wand befestigt und die Türen zugeschraubt.

      »Eigentlich


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