ZEHN TAGE IN DER HÖLLE. Eberhard Weidner

ZEHN TAGE IN DER HÖLLE - Eberhard Weidner


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Und als ich am nächsten Tag, einem Samstag, aufstand, war die Welt bereits eine vollkommen andere geworden, und die Zombies begannen, die Straßen und Plätze zu beherrschen und Jagd auf die letzten Überlebenden zu machen.

      Moment, ich wollte ja am Anfang beginnen. Also sollte ich mich am besten erst einmal vorstellen.«

      TAG EINS

      Mein Name ist Martin Gruber. Ich wuchs als viertes und letztes Kind meiner Eltern Angelika und Anton Gruber auf einem beschaulichen Bauernhof in einem oberbayerischen Dorf auf. Mir war allerdings schon früh bewusst, dass ich weder für das Dorfleben noch für die Landwirtschaft geschaffen bin. Deshalb überließ ich die Hofarbeit meinen älteren Geschwistern und studierte nach dem Abitur an der Uni in München Lehramt an Gymnasien. Nach dem Studium und dem Referendariat kam ich an ein Gymnasium im Münchner Stadtteil Maxvorstadt und unterrichte dort seit sechs Jahren in den Fächern Deutsch, Englisch und Geografie.

      Zumindest tat ich das mit viel Elan und Enthusiasmus, bis die Seuche ausbrach.

      Am Freitag nach Schulschluss war die Welt noch völlig in Ordnung und genau so, wie ich sie kannte und mochte. Ich hatte meine Neuntklässler an diesem Vormittag eine Erörterung schreiben lassen und nahm die Arbeiten zur Korrektur mit nach Hause. Ich lebe allein in einer kleinen Altbauwohnung in der Nähe des Gymnasiums. Meine letzte Freundin hat sich vor vier Monaten nach einem mehrwöchigen Verhältnis mit einem Kollegen aus der Bank, in der sie arbeitet, in beiderseitigem Einverständnis von mir getrennt. Da ich nichts vorhatte, spannte ich am Nachmittag aus, las auf dem Balkon im neuesten Roman von John Grisham und genoss dabei das schöne Juni-Wetter. Gegen Abend bereitete ich mir mein Lieblingsessen zu, Spaghettini Aglio e Olio con Peperoncini – schließlich konnte sich die nächsten zwei Tage niemand über den Knoblauchgeruch beschweren –, und trank zum Essen zwei Gläser Rotwein. Nach vier Monaten hatte ich mich zwar allmählich an das Alleinsein gewöhnt – vor allem meine untreue Ex vermisste ich kein bisschen –, aber beim Essen hätte ich schon gern Gesellschaft gehabt. Doch dagegen konnte ich momentan nichts machen. Außerdem wollte ich mich nicht kopfüber in die nächste Beziehung stürzen, nur um nicht allein essen zu müssen, obwohl eine Kollegin nicht abgeneigt zu sein schien, auch außerhalb der Schule mehr Zeit mit mir zu verbringen. Doch diesmal wollte ich es langsamer und bedachtsamer angehen.

      Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, was auf uns alle zukam, hätte ich vielleicht anders gehandelt. Doch als ich an diesem Freitagabend nach dem Essen begann, die ersten Erörterungen meiner Schüler zu korrigieren, ahnten vermutlich die wenigsten Menschen, welches Grauen innerhalb der nächsten zwölf Stunden über sie hereinbrechen würde.

      Beim Korrigieren vergaß ich die Zeit, sodass es ruckzuck halb neun war, bis ich das nächste Mal auf die Uhr schaute. Normalerweise sah ich mir um acht die Nachrichten an, doch die hatte ich heute verpasst. Macht nichts, dachte ich und zuckte mit den Schultern, wird schon nichts Weltbewegendes passiert sein, das dich persönlich betrifft.

      Tja, so kann man sich täuschen!

      Ich legte den roten Stift beiseite und streckte mich, sodass meine Gelenke knackten. Dann stand ich auf und ging zur Balkontür, die ich offen gelassen hatte, weil es draußen noch immer angenehm warm war.

      Als ich auf den Balkon trat, nahm ich zum ersten Mal die Schreie wahr. Sie kamen nicht aus unmittelbarer Nähe, sondern mussten ihren Ursprung mehrere Straßen entfernt haben. Außerdem konnte ich nun auch das Heulen zahlreicher Sirenen hören, die aus verschiedenen Richtungen kamen. Ich dachte sofort an randalierende Fußballfans, deren Mannschaft verloren hatte und möglicherweise bei der gerade stattfindenden Weltmeisterschaft in Brasilien aus dem Wettbewerb ausgeschieden war. Ich bin kein besonders großer Fußballfan, deshalb verfolgte ich die Spiele nur am Rande.

      Ich schüttelte in stummer Empörung über ein derartiges unsoziales Verhalten den Kopf, ging in die Wohnung zurück und schloss die Balkontür, um die Schreie und Sirenen nicht länger hören zu müssen. Dann goss ich mir noch ein Glas Rotwein ein und sah mir The Wolf of Wall Street auf DVD an. Der Film dauerte fast drei Stunden, sodass ich den Fernseher erst um zwanzig vor zwölf ausmachte. Ich war todmüde und wollte nur noch ins Bett.

      Bevor ich das Licht im Wohnzimmer löschte, horchte ich auf Geräusche von draußen. Ich konnte immer noch Schreie und Sirenengeheul hören. Da die Balkontür zu war, waren die Laute gedämpft, dennoch erschienen sie mir viel lauter und näher als zuvor. Dazwischen knallte es, als würde jemand Feuerwerkskörper hochgehen lassen. Oder waren das Schüsse? Aber das konnte doch nicht sein! Was war da nur los?

      Egal! Was immer da draußen abging, war nicht mein Problem und ging mich nichts an. Am nächsten Morgen war bestimmt wieder alles vorbei.

      Ich löschte das Licht und ging ins Bad, wo ich mich erleichterte und Zähne putzte, bevor ich mich ins Bett legte und neun Stunden durchschlief, ohne ein einziges Mal aufzuwachen.

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