Hautmalerei. David Goliath

Hautmalerei - David Goliath


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hatte er noch eingebläut, dass der nach dem bunt gekleideten Jungspund Ausschau halten solle, der vielleicht auf irgendeiner Kamera im Umkreis auftauchte.

      Auf seinem Schreibtischstuhl schaute er auf sein Mobiltelefon. Er hatte sich nicht getäuscht, Jasmin ließ auf sich warten. Also rief er zuerst Kurz an. Die umsichtige Brillenschlange wurde meistens vom Giftzwerg Klein chauffiert, sehr zum Leidwesen des übrigen Verkehrs. Der selbsternannte Sheriff bremste auch schon mal einen Schulbusfahrer aus, der die Warnblinkanlage an der vorangegangenen Haltestelle vergessen hatte. Dass damit auch der nachfolgende Verkehrsfluss zum Erliegen kam, nahm Klein gern in Kauf, wenn er sich aufspielen konnte. Manchmal flatterte dann eine Beschwerde ins Präsidium, wegen unangemessenen Aussagen eines gewissen Kriminalkommissars in der Öffentlichkeit oder wegen Kompetenzgerangel, weil die Kriminaldirektion plötzlich Verkehrspolizei spielte.

      Nathan zählte die Anklopftöne. Kurz nahm absichtlich nicht ab, war er sich sicher. Erst kurz bevor Nathan wieder auflegen wollte, meldete sich der Kollege. Nathan hörte das Radio im Hintergrund, und einen zeternden Klein. Sie befanden sich offensichtlich mitten im täglichen Verkehrskollaps.

      »Ja?« Kurz verschwendete selten Silben für das andere Team der Mordkommission.

      »Schmidt weiß Bescheid«, legitimierte Nathan den Einsatz der Orgelpfeifen, »Meldet euch bei mir, sobald ihr was herausfindet.«

      »Ok.«

      »Wir gehen von einem Mord aus«, ergänzte Nathan, obwohl er es eigentlich nicht hätte extra erwähnen müssen, aber er glaubte, es seinen Kollegen schuldig zu sein, wenn er geeignete Ermittlungsergebnisse erwarten wollte.

      »Ok.«

      Gespräch beendet.

      Als die abgelaufene Gesprächszeit vom Display verschwunden war, poppte eine Nachricht von Jasmin auf. Sie informierte ihn, dass er, wenn er etwas von ihrem Mobiltelefonspeicher und aus dem Posteingang löschte, auch die weitergeleiteten Nachrichten löschen sollte, wo sie den digitalen Autopsiebericht nach einer längeren Suche fand. Ein böser Smiley rundete die Tirade ab. Wenigstens das, wenn sie sich schon nicht anderweitig meldete, dachte er.

      Nathan gesellte sich zu den Computerspezialisten und weihte sie umfassend in den Fall ein, bis auf die Ehe der Kollegin Xander und das Drogenproblem des Gatten. Das eigens geschwärzte Gutachten der Rechtsmedizin sendete er beiden. Geschwärzt waren ein paar irrelevante Details, die nur die Ermittler wissen sollten, und die Identifikationsnummer, mit der man Richard Wagners Akte aufrufen konnte.

      Nach wortloser Analyse des Gutachtens hob Wáng den Finger, auf die letzte Zeile in der Tabelle der Laborwerte zeigend: »Es wurden Spuren von Phencyclidin gefunden.«

      Nathan wollte sich am liebsten gegen die Stirn schlagen. Auf der letzten Seite, dem toxikologischen Befund, hatte er geschlammt. Mit dem kleinen Bildschirm des Telefons und den sensiblen Berührungssensoren zu arbeiten, machte das Schwärzen eines unübersichtlichen Berichtes deutlich schwerer.

      »Engelsstaub«, übersetzte der Deutschrusse Smirnow akzentuiert.

      Nathan und Wáng schauten die Model-Visage verdutzt an.

      »Wilde Jugend«, rechtfertigte Smirnow.

      »Möglicherweise das Bahnhofsviertel«, schlug Wáng vor, »Der Umschlagplatz für Drogen.«

      Und Prostituierte.

      Das musste man ihm nicht sagen, aber Nathan tat so, als würde er den Einwurf dankbar zur Kenntnis nehmen. Hatte Wagner doch kein Drogenproblem, sondern kam nur mit kontaminierten Personen oder Nadeln im Bahnhofsviertel in Kontakt? Die Gegend passte jedenfalls zu dem einen Stichpunkt, den Nathan noch nicht durchgestrichen hatte: Rotlicht.

      »Komisch«, ergänzte Wáng und erhaschte Nathans volle Aufmerksamkeit.

      »Was denn?«

      »Die PCP-Werte sind in der Lunge höher als im Blut.«

      Nathan dachte an das Wasser, das die Lungenflügel gefüllt hatte. »Ist der Main verseucht?«

      Wáng und Smirnow schauten sich an. Keiner war dieser Meinung.

      »Ich denke, es wurde vielmehr über die Atemwege aufgenommen«, korrigierte Wáng die Richtung. Die Blicke des Kommissars nötigten ihn zu weiteren Ausführungen. »Zwei Semester Medizin«, erklärte er sich, bevor er einen Moment im Internet recherchierte und sich bestätigt sah. »Es war aber keine Überdosis. Die Höhe dürfte für eine gute Betäubung gereicht haben.«

      Nathan öffnete den Obduktionsbericht auf seinem Mobiltelefon. Beim toxikologischen Befund standen ähnliche Worte, nur etwas medizinischer. Kein Wunder, dass er das überlesen hatte. Er vervollständigte die Angaben in seinem Notizbuch, das Telefon dazwischen jonglierend. In derselben Sekunde vibrierte der Kompagnon – eine Nachricht. Schmidt hatte den Gerichtsbeschluss besorgt. Das Fax lag im Büro. Ein Foto davon befand sich nun auf Nathans Speicherkarte. Jetzt musste er nur noch an Wagners Rufnummer kommen.

      »Versucht mit den öffentlichen Kameras den Weg des Unbekannten von der Alten Brücke nachzuverfolgen. Entweder wo er her kam oder wo er hin ging, am besten beides. Und vergesst den Sportler vom Westhafen nicht.«

      Auf dem Flur wählte er Jasmins Nummer.

      »Ich wollte dich gerade anrufen«, begrüßte sie ihn.

      Ihr war nichts passiert. Nathan musste seine aufkeimende Fürsorge bremsen, damit sich kein Gefühlsschleier auf seinen kognitiven Hirnstamm legte. Sie brachten sich gegenseitig auf den neuesten Stand. Zuerst lauschte Nathan ihren Ausführungen, die besagten, dass die Tätowierung höhere Fähigkeiten verlangte, und dass diese abstrakte, kantige Art im Rhein-Main-Gebiet nur von wenigen Alteingesessenen praktiziert wurde. Gastkünstler könnten sich natürlich auch in den Reigen einreihen. Nathan verkniff sich den Kommentar, dass ihr alter Bekannter ein ausgezeichneter Ermittler wäre. Immerhin hatte dieser die Namen der Tätowierer aufgezählt, die nach dessen Meinung zu dem Motiv passten. Über die Aktion mit der gelöschten Datei schwiegen beide. Hätte Jasmin nachgelesen, sähe sich Nathan mit dem PCP-Fund konfrontiert, den er vorher ausgelassen hatte.

      Erst im Büro mit geschlossener Tür informierte er sie über den Datenbankeintrag zu ihrem Ehemann, die laufende Auswertung der Stadtkameras durch Wáng und Smirnow und die anstehende Ortung des Mobiltelefons, wofür er die Nummer benötigte. Er notierte die Zahlen, die sie ihm durchgab. Außerdem unterrichtete er sie, dass Kurz und Klein den Flusslauf unter die Lupe nahmen.

      »Gut, dass Schmidt dir die Leitung übertragen hat«, sagte sie ehrlich. »Was hast du gemeint mit Roter Mainsandstein?«, fragte sie danach.

      »Die Alte Brücke ist aus Rotem Mainsandstein.«

      »Das erklärt deine kryptische Nachricht, und die Spuren in seiner Bauchwunde. Dann wurde er vermutlich von der Alten Brücke gestoßen.«

      »Wen hast du aufgesucht?« Nathan konnte es sich nicht verkneifen, nachzuhaken.

      »Einen alten Bekannten«, bekam er erneut zur Antwort nach einer verkünstelten Pause, die sie sich herausgenommen hatte.

      »Rudi?«, versuchte er einen Köder zu werfen. Sicherlich verwendeten seine Bekanntschaften die Kurzform für Rudolf.

      Wieder schwieg Jasmin einen Augenblick. »Nein«, sagte sie zögerlich. »Woher kennst du Rudi?«

      »Ich kenne ihn nicht, aber scheinbar der Staatsschutz.« Offene Karten. Er hörte Jasmin atmen.

      »Rudi ist Richards Stellvertreter in der Kameradschaft«, gestand sie.

      Da Richard die unbedeutende Saufkompanie angeführt hatte, ergab sich plötzlich ein Motiv. Aber einen Mord für den Vorsitz einer nationalistischen Schrebergartentruppe? Und warum benötigte man eine Sicherheitsfreigabe für die Akte eines Stellvertreters? Nathan kritzelte in seinem Büchlein herum. Ein paar große Pfeile stellten Verweise infrage. Schmidt musste ihm wohl doch noch weitere Befugnisse verschaffen.

      »Aber ich war nicht bei Rudi. Ich war bei einem alten Bekannten, der den Kontakt zur Polizei vermeiden will.«

      Nathan


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