Right in your heart. Isabella Kniest
Ein wahrhaftig perfekter Anblick, um diesen ersten Urlaubstag gebührend ausklingen zu lassen.
O ja, er liebte das – romantische Farbenspiele der Sonne, Schneegestöber, das weiche graubläuliche Licht eines langen Regentags, üppig gedeihende Pflanzen oder puristische Architektur.
Innerlich verzog er das Gesicht.
Das klang jetzt doch etwas zu schwul … zumal er nichts von Liebesgeständnissen oder Heiratsanträgen vor einem atemberaubenden Sonnenuntergang hielt. Vielmehr ging es ihm um den Genuss des Augenblicks. Diese wenigen Sekunden, die dich mit reiner Glückseligkeit beschenken – vom Sex einmal abgesehen. Wie die eben durch die schneeweißen, bodenlangen Vorhänge dringenden orangefarbenen Strahlen der untergehenden Maledivensonne vermengt mir dem Geruch köstlicher Fressereien …
Und mit einem Schlag war all die Romantik verflogen.
Da stand sie, die Zicke des Monats – mit einem weißen im Wind wehenden Strandkleid, welches ihre ewig langen Beine, die trainierten Oberarme und den Schwanenhals selbstredend perfekt in Szene setzte. Getoppt wurde ihr Erscheinen durch die lockigen sich wie ein Wasserfall über ihre Schultern bis zu ihren Hüften ergießenden Haare.
Verdammt noch mal!
Weshalb musste ausgerechnet sie dermaßen betörend aussehen?! Konnte sie nicht klein, fett und verrunzelt sein? Oder überhaupt auf einer anderen Insel urlauben?
Alsbald sie ihm gewahr wurde, schleuderte sie ihm einen tödlichen Blick zu und setzte sich zu einem der letzten freien Tische.
Ganz klasse!
Dabei hätten sie miteinander ein paar unvergessliche Nächte verbringen können. Bei einem trainierten Körper wie dem ihren wäre ein One-Night-Stand tausendmal schöner ausgefallen als mit irgendwelchen notgeilen Thekenweibern, die man am nächsten Morgen nicht einmal mehr recht wiedererkannte. Ergo: Bei ihr hätte er das Licht nicht auszuschalten brauchen.
Scheiße.
Aber andererseits …
Womöglich sollte er es trotzdem versuchen? Womöglich hatte sie einen schlechten Tag? Womöglich konnte noch etwas daraus werden, wenn er seine, zugegebenermaßen derben, dafür in der Vergangenheit durchgehend erfolgreichen Machosprüche beiseitestellte?
Offensichtlich stand sie nicht auf Großspurigkeit – womit er überhaupt kein Problem hatte. Falls es ihm gelang, sie mit ein paar schleimigen Komplimenten und etwas Charme um den Finger zu wickeln, würde er es eben auf diese Weise versuchen.
Was hatte er großartig zu verlieren?
Es lockte eine geile Nacht. Und mehr als eine Abfuhr konnte er sowieso nicht kassieren.
Außerdem: Was sollte er sonst tun? Neben seinen Nickerchen und Trainingseinheiten blieb viel Zeit, um sie zu umwerben – oder sie zu verarschen.
Er trat zu ihr, die Hände in die Hosentaschen seiner naturfarbenen Strandhose gesteckt. »Ist der Tisch noch frei?«
Ihre gesamte Körperhaltung brachte Abweisung zum Ausdruck. »Nein. Ich sitze hier, falls Sie das noch nicht bemerkt haben.«
»Deshalb frage ich ja.«
Sie wirkte ungleich angepisster. »Ein ganzer Saal gefüllt mit Tischen und Sie wollen sich ausgerechnet zu mir setzen? Weshalb? Um mich erneut blöd von der Seite anzumachen?«
Das war der Beweis. Sie stand tatsächlich nicht auf billige Sprüche.
Diese Erkenntnis reizte ihn wesentlich mehr. »Nein. Ich wollte mich zu dir setzen, weil es hier vor Pärchen wimmelt und ich mich schlecht zu diesen setzen kann.«
Sie nickte nach links. »Da hinten ist noch ein freier Tisch. Nehmen Sie den.«
»Ich möchte mich aber mit jemandem unterhalten.«
»Dann hätten Sie nicht alleine auf Urlaub gehen sollen. Erst recht nicht auf die Malediven.«
O Mann!
Die war ein echt harter Brocken.
Dann eben auf die andere Art.
Ohne weiter nachzufragen, ließ er sich auf den Holzstuhl mit der Bastsitzfläche ihr gegenüber nieder.
»Hallo?! Geht’s noch?« Nun wirkte sie richtig angefressen. »Was tun Sie da?«
»Ich setze mich zu dir.«
»Na, das hätte ich jetzt nicht für möglich gehalten.«
»Du hast gefragt.« Er konnte sich ein abschließendes Lächeln nicht verkneifen, worauf sie ihm am liebsten einen Stuhl über den Schädel gezogen hätte – solchermaßen fuchsteufelswild wie sie ihn anfunkelte.
Hach, wie er es liebte, Weiber mit derlei Aussagen auf die Palme zu bringen!
»Sie kommen aus Berlin, oder?«
Anscheinend hatte ihn sein Dialekt verraten.
»Ja.«
Dabei hatte er durch das viele Reisen und Kennenlernen verschiedenster Kulturen einen erheblichen Teil seiner typisch deutschen Art und Sprechweise verloren.
»Dann verstehen Sie bestimmt Deutsch, nehme ich an?«
Okay … jetzt erhielt er die Retourkutsche, die er ihr jedoch sogleich zurückschickte. »Ja, neben Französisch, Italienisch und Englisch.«
Für eine Millisekunde huschte etwas Ähnliches wie Überraschung über ihre eleganten, feinen Gesichtszüge, ehe frische Wut in Erscheinung trat. »Dann noch einmal, damit Sie es kapieren: Ich möchte alleine sitzen. I want to sit here on my own. Ci siamo capiti?«
Es wurde ihm heiß.
Wow.
Dass sie mehrere Fremdsprachen beherrschte, damit hatte er – zugegebenermaßen – nicht gerechnet. Englisch, okay – aber Italienisch? Womöglich sprach sie sogar Französisch …
Eine Gänsehaut überrannte ihn, ausgelöst durch reine sexuelle Vorfreude.
Sich auf Französisch gegenseitig schmutzige Worte zuraunen, während er es mit ihr trieb – hemmungslos, bedenkenlos, zügellos.
Scheiße, ja!
Das hatte er sich ständig mit seiner Ex gewünscht. Diese sprach nämlich fließend Französisch und Spanisch. Aber nein, die Dame wollte nie. Die verschiedensten Stellungen, ja. Ein paar unanständige Meldungen in den Raum werfen, nein.
Theo blickte dem Vollblutsweib tief in die mit ewig langen Wimpern umsäumten blaugrauen Augen. Augen, die ihn sekündlich abstoßender musterten.
Sie konnte so verbissen dreinschauen, wie sie wollte, nun ließ er sich nicht mehr verjagen. Denn offenbar war sie keine reine angeberische Tusse mit Sexfrust, sondern eine intelligente Tusse mit Sexfrust! Und falls die Sache mit dem Sexfrust tatsächlich zutraf, konnte es des nächtens wahnsinnig heiß hergehen. Falls sie es dermaßen nötig hatte, müsste sie ziemlich schnell kommen … das wiederum bedeutete weniger Rücksicht, mehr Genuss – geilster Sex überhaupt!
»Ma chérie –«
»Ich spreche kein Französisch, also ersparen Sie mir das schwülstige Gelaber und gehen Sie einfach.«
Scheiße, nein!
Damit konnte er die Französischnummer abhaken.
Verfluchte Scheiße!
Andererseits … drauf geschissen auf französisches Geraune! Im Endeffekt konnten sie es dennoch hemmungslos miteinander machen.
»Nope. Du hast mich neugierig gemacht.« Er lehnte sich auf die Tischplatte – und sie wich blitzartig zurück.
Interessante Körperreaktion.
War sie womöglich schüchtern, und keifte aus diesem Grund übertrieben laut?
»Weshalb so abweisend? Bloß wegen der Aussage am Nachmittag?«
Genervt schaute sie