Ein ganz klarer Fall. Elke Schwab

Ein ganz klarer Fall - Elke Schwab


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was die beiden ihr zu sagen hatten.

      »Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber Ihr Mann ist tot“, erklärte Kullmann nun endlich den Grund seines Besuches.

      Stille beherrschte den Raum.

      Frau Klos saß regungslos da und starrte auf ihre Hände, als hätte sie noch nie solche Hände gesehen. Nach einer Weile hob sie den Kopf, richtete ihren Blick auf Kullmann und fragte: »Was ist passiert?« Kullmann antwortete nicht sofort, sondern prüfte ihren Blick. Ihre Augen waren nervös und glitzerten von den Tränen, die sich langsam zu bilden begannen.

      »Er wurde erschossen in seinem Wagen aufgefunden.«

      Wieder folgte Stille. Regungslos saß sie da und starrte unbeirrt auf ihre Hände. Ihr Gesicht war kalkweiß. Tränen tropften hinunter auf ihre Beine.

      »Warum?«, fragte sie hauchend.

      »Das wissen wir noch nicht“, antwortete Kullmann wahrheitsgetreu, obwohl eine Antwort nicht nötig gewesen wäre. Diese Frau befand sich bereits in einem tranceähnlichen Zustand. »Warum?«, fragte sie wieder. »Warum gerade Herbert?«

      Sie bewegte sich wie in Zeitlupe und die Sekunden, die verstrichen, kamen den beiden Polizisten in dieser beklemmenden Situation wie endlose Stunden vor. Mit tränennassen Augen sah sie zu den beiden Beamten auf und meinte nur: »Danke, dass Sie gekommen sind, aber kann ich jetzt bitte allein sein?«

      Kullmann und Hübner nickten und schlichen sich wie Diebe aus dem Haus.

      »Das war ja nicht so schlimm wie erwartet«, stellte Hübner fest, als sie ins Auto einstiegen.

      »Stimmt«, nickte Kullmann bedächtig. »Sie hat es zumindest vermieden, uns die Schuld daran zu geben.«

      »Fahren wir nun zu Frau Wehnert?«, fragte Hübner. Seine Stimme klang belegt. Er hatte bisher noch nicht viel Erfahrung darin gesammelt, den Angehörigen von Mordopfern solche Botschaften zu überbringen. Die psychische Belastung, die damit verbunden war, bekam er ebenfalls deutlich zu spüren.

      »Ja, bringen wir auch das hinter uns. Jetzt bist du an der Reihe«, bemerkte Kullmann.

      Familie Wehnert lebte in dem Stadtteil Malstatt, das den ältesten Teil Saarbrücken darstellte. Durch die schlechte Situation in der Stahlindustrie war aus dem Stadtteil, das einst zu den angesehensten Orten der Großstadt Saarbrücken gehörte, eine unsichere Gegend geworden, deren Bewohner durch Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit aus ihrem Missmut keinen Hehl machten. Die Lebensbedingungen dieses Stadtteils hatten sich im Laufe der Jahre deutlich sichtbar verschlechtert. Gepflasterte Straßen zogen sich durch die grauen Mauern der Reihenhäuser, die zum Teil ungepflegt waren oder gar unbewohnt. Eingeschlagene Fenster und bemalte Häuserwände unterstrichen diese ganze deprimierende Atmosphäre.

      Das Haus der Wehnerts lag inmitten dieser Reihenhäuser und unterschied sich nur dadurch, dass die Fenster ganz, geputzt und sogar Gardinen aufgehängt waren. Hübner betätigte die alte, kleine Klingel, musste aber schnell feststellen, dass sie nicht funktionierte.

      Also klopfte er, um gehört zu werden. Es dauerte nicht lange bis geöffnet wurde. Vor den beiden stand eine gutaussehende große Frau mit langen blonden Haaren und braungebrannter Haut. Sie war jugendlich gekleidet mit Jeans und Holzfällerhemd und trug ausgetretene Jesuslatschen. Lediglich an den kleinen Fältchen um die Augen herum konnte man erkennen, dass sie kein Teenager mehr war.

      »Wer sind Sie?«, fragte sie, als keiner von den beiden was zur Begrüßung sagte. Sogar Hübner war von dem Anblick so erstaunt, dass es ihm einen kurzen Augenblick lang die Sprache verschlug.

      »Wir kommen von der Polizei. Es geht um Ihren Mann Jürgen Wehnert«, antwortete er.

      Das Gesicht der Frau versteinerte sich. Unruhig schaute sie sich um und meinte dann: »Kommen Sie bitte herein.«

      Die beiden Männer folgten ihr in ein kleines, gemütliches Wohnzimmer, das im Gegensatz zu der Einrichtung der Familie Klos ganz einfach eingerichtet war. Die Möbel sahen schon abgewohnt aus, als hätten sie schon einige Jahre miterleben müssen.

      »Was ist mit meinem Mann passiert? Hatte er einen Unfall?«, fragte sie, sobald sie Platz genommen hatten.

      Hübner schüttelte den Kopf. »Nein. Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ihr Mann tot ist. Er wurde erschossen.«

      Kurzes Schweigen folgte. Frau Wehnert wirkte gefasst.

      »Wer hat das getan?«, fragte sie.

      »Das wissen wir noch nicht. Wir ermitteln in dem Fall.«

      »Wann ist es passiert? Gestern Abend, auf dem Betriebsfest?«, bohrte sie weiter.

      »Die genaue Zeit wissen wir auch noch nicht, er wurde heute in den frühen Morgenstunden gefunden.«

      »War Jürgen denn alleine, er ist doch nie allein, sein Kollege Herbert ist doch immer bei ihm?«, sprudelte sie los. Allmählich spürte man, wie Verzweiflung in ihre Stimme geriet.

      »Herbert Klos ist auch erschossen aufgefunden worden. Sie waren beide in dem Wagen von Herrn Klos«, berichtete Hübner sachlich, während Kullmann nur schweigend daneben saß.

      Sie stammelte etwas, was beide nicht verstehen konnte, dann drehte sie sich von den beiden weg und begann herzzerreißend zu schluchzen. Es dauerte eine Weile, bis Hübner und Kullmann den Eindruck bekamen, dass sie nichts mehr ausrichten konnten.

      Unauffällig erhoben sie sich und verließen das Haus, um sie alleine zu lassen. Mit betretenen Mienen fuhren sie zum Büro zurück.

      Dort stand immer noch die Tasse Kaffee, die Kollegin Deister ihm am frühen Morgen gebracht hatte. Inzwischen war der Kaffee kalt. Gerade hatte er sich damit abgefunden, den Rest des Vormittages, ohne dieses Zeug auszukommen, als Anke Deister ihm mit einer vollen Kanne entgegenkam. »Ich habe hier frischen, wenn Sie möchten.« lächelte sie ihn an. Erstaunt schaute Kullmann in ihr hübsches Gesicht. Das zufriedene Grinsen konnte er nicht definieren. „Ich habe sogar herzschonenden Kaffee gekocht – extra nur für Sie.« fügte sie noch munter an. Nun wusste er, was dieses Grinsen zu bedeuten hatte. Trotzdem ließ er sich einschenken.

      »Liebe Frau Deister, ohne Sie hätte ich schon längst meinen Dienst quittiert, das können Sie mir glauben“, schmeichelte er.

      »Danke für die Blumen«, lachte sie, »aber das glaube ich Ihnen nicht. Sie sind doch mit Leib und Seele Polizist.«

      »Sie meinen, ich kann nichts anderes“, verbesserte er sie, ohne sie dabei anzuschauen.

      »Sie sind wirklich unverbesserlich. Immer etwas Negatives auf den Lippen.«

      »Deshalb freue ich mich ja immer so auf Sie. Sie sind die einzige, die hier meine Stimmung heben kann.« Diesmal klang er ehrlich.

      Die Konversation wurde sogleich von Hübner unterbrochen, der mit einigen Papieren das Büro betrat.

      »Hier haben wir erste Ergebnisse: der Tod trat etwa zwischen 0.00 Uhr und 3.00 Uhr ein. Die Schüsse wurden aus nächster Nähe abgegeben, allerdings trat der Tod nicht sofort ein. Geschossen wurde aus dieser 8 mm, die wir im Auto gefunden haben. Fingerabdrücke wurden aber keine gefunden. Es macht den Eindruck, als seien sie sorgfältig weggewischt worden.«

      Kullmann nickte nur nachdenklich. Schnell drehte Hübner sich um und ging zur Kollegin Deister, um sich dort ebenfalls eine Tasse Kaffee zu nehmen. Nach einem kurzen Gespräch mit ihr, das Kullmann allerdings nicht verstehen konnte, kam er wieder zu ihm zurück.

      Kollege Jürgen Schnur kam ins Zimmer mit einer Liste in der Hand.

      »Guten Morgen, ihr Frühaufsteher.« grüßte er grinsend, weil er wusste, wie unangenehm es war, samstags morgens um sechs in der Frühe in dieses Nieselwetter hinaus zu müssen, und dann noch zu solch einem erschütternden Fall.

      »Guten Morgen, du Murmeltier. Was hast du denn da in der Hand?«

      »Eine Liste über die Teilnehmer an dem Betriebsausflug der Fa. Schulz KG gestern. Die ganze Firma war dabei, viele sind es ja nicht,


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