Ein ganz klarer Fall. Elke Schwab

Ein ganz klarer Fall - Elke Schwab


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gleich um“, fuhr Hübner in dem gleichen Ton fort.

      »Wir wissen auch nicht, ob diese Frau es getan hat“, schaltete Kullmann sich ein. »Einen Menschen zu erschießen, ist vielleicht noch gut möglich für einen Durchschnittsbürger, aber gleich zwei. Da muss schon jemand her, der sich mit Waffen und dergleichen auskennt.«

      »Ach was, die beiden waren doch betrunken, die konnten wohl nicht mehr richtig reagieren«, wehrte Hübner ab.

      »Das wissen wir aber nicht. Das Adrenalin kann die Reaktion trotz Alkohol erheblich verbessern«, belehrte Kullmann. »Aber wir müssen erst den Autopsie-Bericht abwarten, um zu erfahren, wie viel Alkohol überhaupt getrunken wurde.«

      »Oh, das war eine ganze Menge. Also ich trinke nicht so viel, obwohl ich schon eine Menge vertrage«, meinte der Wirt.

      »Und diese Blondine war gestern Abend zum ersten Mal da?«, wollte Hübner sich nochmal versichern.

      »Ja, ich hab’ die vorher noch nie gesehen, die wäre mir aufgefallen, bei der Figur.«

      Kullmann und Hübner zogen sich in Hübners Büro zurück.

      »Da hätten wir ja mal einen Anfang«, meinte Hübner.

      »Ja, es gibt ja auch in der Stadt fast keine Blondine mit einer guten Figur, die nachts Sonnenbrillen träg«, murmelte Kullmann.

      »Sicherlich wäre es unsinnig, eine Fahndung nach dieser Unbekannten herauszugeben, was bedeutet, dass wir weiterhin die Mitarbeiter der Firma Schulz KG befragen müssen. Aber ist dir aufgefallen, dass weder Schulz noch diese Ida Fichte diese Blondine erwähnt haben?«

      Kullmann blickte auf: »Ja richtig. Das bedeutet, wir müssen nochmal zu den beiden.«

      Hübner nickte.

      Die Tür ging auf und Anke Deister kam herein. Als sie sah, dass Kullmann sich auch im Büro befand, entschuldigte sie sich und verschwand schnell wieder. Kullmann schaute kurz zu seinem Kollegen, runzelte nachdenklich die Stirn und verließ dann das Zimmer mit den Worten: »Ich wollte dein Büro sowieso verlassen.«

      Hübner wollte noch etwas entgegnen, doch Kullmann war bereits verschwunden.

      In seinem Büro angekommen, ließ er sich in seinen Stuhl sinken und versuchte, sachlich darüber nachzugrübeln, was die Kollegin Deister wohl in Hübners Zimmer wollte. Sollte sich dort etwas abspielen, wovon er bis zu dem Zeitpunkt nichts mitbekommen hatte? Die Tatsache, dass er wohl wieder der letzte war, der betriebsinterne Angelegenheiten erfuhr, ärgerte ihn dabei weniger.

      Vielmehr sorgte er sich um Anke Deister. Sie war ihm ans Herz gewachsen. Empfand er für sie doch bereits starke väterliche Gefühle, so dass der Gedanke, sie in Hübners Gunst zu wähnen, ihm einen heftigen Stich versetzte. Zu viel hatte er in den letzten 5 Jahren von Hübners Lebensgewohnheiten zwangsläufig mitbekommen. Er war ein Frauenheld und sonnte sich in seinem Glück. Unerträglich wäre es für Kullmann, dass es auch eine Frau wie Anke Deister treffen könnte. Aber was konnte er tun? Jeder Versuch, sie zu ermahnen oder zu warnen, würde das Gegenteil hervorrufen: Trotz. Also musste er wohl unbeteiligt zusehen.

      Hübner stürmte in sein Zimmer und meinte in bestimmendem Ton: »Was ist, fahren wir nun zu Schulz und Fichte oder verschieben wir das auf morgen?«

      »Warum dieser Überfall?«, beschwerte sich Kullmann, der sich aus seinen Gedanken gerissen fühlte. Sein Blick schweifte zum Fenster, das zum grauen Hof zeigte, auf das der heftige Regen prasselte.

      Bei diesem Wetter war er trübsinnig und wusste genau, es würde ihm schwerfallen, nun zu diesen beiden hinauszufahren, und deshalb lehnte er entschieden ab. Sein Tonfall verriet, dass er Hübners Auftreten nicht duldete und dieser verschwand auch wieder ohne Widerrede. Übellaunig suchte Kullmann sich einige Akten den Fall betreffend zusammen und verließ sein Büro.

      Kapitel 2

      Seit Stunden flimmerte schon der Fernseher vor sich hin. Werbung über Pflegelotion oder Waschpulver, ab und zu ein Zeichentrickfilm oder eine Reportage über Tierversuche bis endlich der Aktuelle Bericht seine Anfangsmusik ertönen ließ. Schnell legte sie das Bügeleisen nieder und setzte sich auf das kleine Sofa vor dem Flimmerkasten, wo sie sich bereits ein gemütliches Nest aus mehreren Wolldecken zusammengebaut hatte.

      Nach der Begrüßung des Fernsehsprechers ging es gleich mit den Nachrichten des Tages los.

      »In den frühen Morgenstunden machte ein Jogger einen grausigen Fund. Zwei Leichen wurden in einem offenstehenden PKW aufgefunden, die Schusswunden im Bereich des Kopfes und der Brust aufwiesen. Es handelt sich dabei um Herbert Klos, 39 Jahre alt und verheiratet und um Jürgen Wehnert, 41 Jahre alt und auch verheiratet. Das Landeskriminalamt hat eine Sonderkommission gebildet, um diese schreckliche Tat schnellstmöglich aufzuklären.

      Es fehlt ihr bisher jedoch jede Spur.«

      Es wurden Fotos von den beiden Betroffenen ausgestrahlt.

      Diese Fotos waren garantiert schon mehrere Jahre alt, dachte sie verärgert. Sie zeigten die beiden von ihrer schönsten Seite. Versuchte die Presse, die Tat auf diese Weise dramatischer zu schildern, als sie wirklich war?

      »Für Hinweise von Zeugen können Sie folgende Telefonnummer anrufen. Das Landeskriminalamt nimmt alle Hinweise entgegen.«

      Dann ging es weiter mit Politik.

      Mit gemischten Gefühlen wandte sie sich wieder dem Bügeleisen zu. Vor ihr lag ein graues, einfaches und hochgeschlossenes Sweatshirt und wartete darauf geglättet zu werden. Sie konnte sich jedoch nicht darauf konzentrieren. Die Fotos, die die Presse über den Fernseher ausstrahlte, hatten sie etwas aus dem Konzept gebracht. Sie wirkten so jugendlich und unscheinbar, schon fast nett. Wollte die Presse Mitleid für die beiden erregen, damit der Hass auf den Mörder nur noch größer und die Hilfsbereitschaft stärker wurde? Wer kannte diese beiden wirklich? Sie kannte sie besser als alle anderen. In den letzten beiden Jahren hatte sie genug über sie in Erfahrung gebracht. Lange genug hatte sie sich selbst blenden lassen, sie musste Lehrgeld bezahlen. Aber nicht nur sie, was ihr ein wenig Trost spendete. Sie war mit Sicherheit nicht der einzige Mensch, der sich über den Tod der beiden freute.

      Das Telefon klingelte. Es war eine seit etwa zwei Jahren eng vertraute Person, Eva.

      »Ich habe gerade den Aktuellen Bericht gesehen«, meinte Eva.

      »Ja, ich auch.«

      »Das einzige, was mich störte, waren diese Fotos. Sie sahen darauf so nett aus, so etwas nennt man Täuschungsmanöver. Was wollen die damit erreichen?«

      »Das weiß ich auch nicht. Aber ich denke, die Polizei wird noch erfahren, was für Menschen sie waren.«

      »Kommst du mich morgen besuchen? Ich bin morgen den ganzen Tag allein. Mein Mann fährt mit Markus in den Holiday-Park.«

      »Ja, das ist eine gute Idee.«

      Die beiden hängten ein.

      *

      An der Haustür klingelte es Sturm. Unter Murren beeilte Kullmann sich, um zu vermeiden, dass der junge Kollege noch mehr Lärm veranstaltete zu dieser frühen Zeit.

      Es war Sonntagmorgen und es regnete nicht mehr. Einige Sonnenstrahlen arbeiteten sich mühsam durch die grauen Wolken und ließen den neuen Tag in einem Zwielicht erscheinen. Blinzelnd öffnete der Alte die Tür und grummelte etwas, was ein Guten-Morgen-Gruß sein sollte.

      »Ich hoffe, du hast was Wichtiges so früh am Morgen.«

      »Klar, die Ergebnisse einiger Befragungen. Ich dachte es interessiert dich“, stürmte der junge Mann ins Haus hinein.

      Kullmann bewohnte ein kleines altes einstöckiges Haus im Ortsteil Schafbrücke mit einem ordentlich angelegten Vorgarten, einer kleinen Terrasse, die das ganze Jahr über leer stand, und einem kleinen Garten, den die Kinder aus der Nachbarschaft zum Spielen belagerten. Er selbst verbrachte wenig Zeit in diesem Häuschen, das zu einer Seite auf das verträumte


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