Glückswelle. Denise Brück
mir, wie von Geisterhand geschrieben, zehn Wünsche schwarz auf weiß entgegen.
1 Meinen Traumprinzen finden, der zu mir passt und mit mir alt werden will
2 Ein kleines Mädchen zur Welt bringen
3 Nach Australien, Kuba und Südafrika reisen
4 Mehr Zeit mit meiner Familie verbringen
5 Einen One-Night-Stand haben
6 Italienisch lernen
7 In einer einsamen Berghütte übernachten
8 Windsurfen lernen
9 Beim Gleitschirm fliegen eine Wolke küssen
10 Eine Flaschenpost verschicken
Mal überlegen. Eigentlich müsste ich die Liste noch um die Spalte »Wie erreiche ich das?« erweitern. Denn realistisch betrachtet hatte ich Punkt Eins nicht ganz in der Hand. Punkt Zwei hing hingegen von Punkt Eins ab. Ich wunderte mich selbst, woher dieser Wunsch so plötzlich kam. Einige der Dinge ließen sich sicher bald angehen. Für andere wiederum fehlte mir momentan die Zeit oder das nötige Kleingeld. Manch einer erforderte auch eine große Portion Mut und ich fragte mich, ob ich dafür denn tatsächlich bereit war.
Wenn Nina nicht geklingelt hätte, würde ich wahrscheinlich immer noch schreiben und meine geheimsten Wünsche aus meinem Inneren hervorkramen. Verträumt lächelnd legte ich den vollgekritzelten Zettel zur Seite und öffnete kurz danach schwungvoll die Tür.
Wie immer war Nina ein paar Minuten zu spät. Aber daran hatte ich mich im Laufe der Zeit schon längst gewöhnt. Ich muss sie später unbedingt fragen, ob sie auch schon mal etwas von einer Bucket-List gehört, oder sogar selbst eine hat.
»Hallo, Leni.« Nina umarmte mich herzlich, soweit ihr Babybauch das noch zuließ. Sie hatte vor zwei Wochen ihren Mutterschutz angetreten. Nur ein Jahr älter als ich, war sie bereits glücklich verheiratet und gerade im neunten Monat schwanger.
»Hallo Nina, schön dich zu sehen. Komm rein.« Ich nahm ihr die Jacke ab und sie folgte mir gut gelaunt ins Wohnzimmer.
»Tadaaa, schau mal, was ich dir mitgebracht habe.« Feierlich streckte sie mir ein kleines, liebevoll in rosafarbenes Seidenpapier eingewickeltes, Päckchen entgegen. »Du musst es unbedingt gleich aufpacken.« Ungeduldig wie ein kleines Kind, das an Weihnachten auf den Beginn der Bescherung wartet, schaute sie mich erwartungsvoll an und lies sich mit einem kräftigen Seufzer auf die Couch plumpsen.
Ich tat es ihr gleich und öffnete neugierig das Päckchen. Wie gut mich Nina doch kannte. Die Verpackung versprach den perfekten Mann zu zaubern, der nie widerspricht und sich am Ende auch noch vernaschen lässt. Klingt doch gut. Das Set bestand aus einem Rezeptheft, einem Zauberstab und einer kleinen Krone. Wie süß. Ich überflog kurz die Zutatenliste. Butter, Mehl, Eier, Puderzucker - das müsste ich eigentlich alles vorrätig haben. »Komm mit«, forderte ich Nina schmunzelnd auf »das probieren wir gleich mal aus.«
»Genau das war der Plan.« Nina folgte mir in die Küche, wo wir uns ausgelassen ans Werk machten und gekonnt die Zutaten des Mürbeteigs zusammen mischten.
Früher stand ich oft mit meiner Oma in der Küche, habe ihr beim Backen über die Schulter geschaut und dabei Vieles von ihr gelernt.
»Hey Leni, gib mir bitte mal das Mehl rüber.«
»Wie viel darf’s denn sein?«, meinte ich und pustete Nina etwas Mehlstaub ins Gesicht. »Steht dir gut, diese mehlblonde Haarfarbe.«
»Na, warte«, sagte Nina, hielt kurz die Luft an, um sich kurz darauf mit einer Portion Puderzucker zu revanchieren. Es machte Spaß mit Nina rumzualbern. Wer weiß, wann wir das nächste Mal so einen unbedarften Nachmittag miteinander verbringen konnten.
Neben der Backmischung, die für das Gelingen des Teiges notwendig war, würde ich die Must-Haves für meinen Traumprinzen so beschreiben:
Er ist leidenschaftlich
Er hat den gleichen Humor
Er ist spontan und verrückt
Er ist ehrlich und hört zu
Er hat eine tolle Ausstrahlung
Ich schrieb die Eigenschaften auf einen winzigen Notizzettel, faltete ihn ganz klein zusammen und steckte ihn in die Mitte der Teigkugel.
Nina stemmte ihre Arme in die Hüften und schaute mich fragend an. »Also, wie soll er nun ausschauen - dein Traummann? Mehr wie Daniel Craig oder eher wie George Clooney?«
Lange musste ich nicht nachdenken. »Hm, also ich würde sagen den Charme von Erol Sander, die Lässigkeit von Tom Beck, die Figur von Daniel Craig und Augen wie Mats Hummels. Ja, das wäre schon mal ein guter Anfang. Dunkle Augen soll er haben und ein knackiger Po wäre auch nicht schlecht.« Ich kam geradezu ins Schwärmen.
»Langsam, langsam«, unterbrach mich Nina lachend und strich mit dem Handrücken eine dunkle Strähne, die ihr immer wieder ins Gesicht fiel, hinters Ohr. Wir kneteten und formten, bis wir einen erstaunlich athletischen Traummann aus Teig hervorzauberten. Ok, der Po war vielleicht etwas überdimensioniert, aber wie sollte man sonst einen knackigen Po darstellen. Mit einer feinen Nadel umrandete ich die Konturen, malte ihm ein Gesicht und Haare, die ihm strubbelig ins Gesicht fielen. Am Ende war mir der Traumprinz aus Teig wirklich gut gelungen. Da kam mir meine kreative Ader doch sehr zu Gute.
»So, fertig. Ab in den Ofen mit dir Prachtkerl. Ich hoffe du läufst mir bald über den Weg.« Mit verschwörerischer Miene schob ich das Backblech vorsichtig in den Ofen und rieb mir die mehligen Hände an der Schürze ab.
Es war ja nicht so, dass es keine Männer gab, die mir gefielen. Aber nun war ich schon zwei Jahre Single und die Beziehungen davor, dauerten nicht mal so lange wie eine Fußball-Saison. Da gab es zum Beispiel Chris, den ich auf einer After-Work-Party kennenlernte. Ein leidenschaftlicher Typ, der mir das Gefühl gab, jemand ganz Besonderes zu sein und mich nach allen Regeln der Kunst verwöhnte. Ich genoss es im Mittelpunkt zu stehen und fühlte mich unheimlich verrucht und sexy, als wir im Englischen Garten im Schatten einer Eiche Sex hatten. Als ich ihn jedoch eines Nachmittags knutschend mit einem Mädel in meinem Lieblingscafé erwischte, fand ich seine Leidenschaft nicht mehr ganz so prickelnd. Markus hingegen war mehr der freundschaftliche Typ. Mit ihm konnte ich im Sommer nachts ins Schwimmbad einbrechen, um dort unter einem atemberaubenden Sternenhimmel nackt zu baden, im Winter gackernd auf zugefrorenen Seen Schlittschuh laufen, nachts die Nachbarn aus dem Bett klingeln, weil wir sturzbetrunken vor der Wohnungstür standen und das Schlüsselloch nicht fanden oder die Wohnung streichen und in einer Prosecco-Laune farbige Po-Backen an die Wände drücken. Wir hatten immer jede Menge Spaß und viel zu Lachen. Nur die echte Leidenschaft füreinander fehlte und so beendeten wir unsere Beziehung freundschaftlich nach einem halben Jahr.
Der Richtige, also ein Mann, mit dem ich es mir vorstellen konnte, den Rest meines Lebens zu verbringen, vielleicht Familie zu gründen, der war eben noch nicht dabei. Es gibt ja Menschen, die glauben nicht an die eine große Liebe. Dazu gehörte ich nicht. Ich zählte eher zu den Romantikerinnen und glaubte fest daran, dass irgendwo da draußen mein Traumprinz auf mich wartet. Und so warte ich auf den einen Moment, in dem die Welt sich für einen kurzen Augenblick nicht mehr drehen wird, meine Knie weich werden und Schmetterlinge in meinem Bauch Loopings fliegen.
»Mach es dir doch schon mal auf der Couch gemütlich. Ich wische noch schnell die Arbeitsfläche ab und mach uns dann einen leckeren Latte Macchiato.«
Nina hing die Schürze zurück an den Haken und ging ins Wohnzimmer. Ich folgte ihr kurz darauf mit einem perfekt geschäumten Latte Macchiato und ließ mich erschöpft auf die Couch fallen. Verschmitzt lächelnd hielt Nina mir meine Liste entgegen und sah mich fragend an.
»So, so, einen One-Night-Stand möchtest du dir mal gönnen?« Ihr Grinsen wurde immer breiter. Oh, Mist. Ertappt. Ich hatte ganz vergessen die Liste wegzuräumen. Aber was soll’s, schließlich ist Nina meine beste Freundin.
»Gib her«, erwiderte ich energischer als gewollt und griff schnell nach dem Zettel, ohne weiter auf ihre