Glückswelle. Denise Brück
Süßem gesagt, Leni? Das wäre jetzt genau richtig.«
»Klaro, schau mal da vorne in die Tüte.«
Den Mittag verbrachten Nina und ich damit die Möbel im Kinderzimmer auszuwischen und die Klamotten, die Nina schon nach Größen und Farben vorsortiert hat, einzuräumen. Süß, wie winzig die Hosen und Shirts waren. Den Wickeltisch bestückten wir mit allen wichtigen Utensilien und an der Decke über dem Kinderbett platzierten wir ein buntes Mobile. »Jetzt fehlt mir nur noch ein schöner Sessel oder vielleicht auch ein Sitzsack, wo ich den Kleinen später gemütlich stillen kann«, meinte Nina und schaute sich zufrieden um.
»Ja, das Zimmer ist wirklich gemütlich geworden. Wenn du willst kann ich noch ein paar schöne Grafiken anfertigen, die wir auf kleine Leinwände bedrucken und aufhängen können«, schlug ich vor.
»Au ja, schöne Idee. Vielleicht irgendwas mit Tieren.« Zufrieden, dass wir so ein tolles Kinderparadies geschaffen hatten, gingen wir in die Küche, wo Tom uns bereits erwartete. Er hatte selbstgemachte Pasta vorbereitet, dazu gab es frisches Grillgemüse und das beste Pesto der Stadt. Hm, lecker. Wir tranken Chianti und Nina Traubensaft, bevor ich mich gegen Mitternacht, nach einem ausgelassenen Abend, müde, aber auch glücklich auf den Heimweg machte. Wahrscheinlich waren die Gedanken, die ich mir in Bezug auf unsere Freundschaft machte, völlig unnötig.
Frisch gewickelt
Es war so weit, nur ein paar Tage nach unserer Kinderzimmer-Aktion hat der kleine Krümel sein Ein-Zimmer-Appartement in Ninas Bauch verlassen, um das Licht der Welt zu erblicken. Tom hatte mächtig stolz per E-Mail erste Fotos und die wichtigsten Eckdaten verschickt. Max hieß er und hatte ganz dunkle, kurze Haare, wie Tom, und ein wirklich süßes Lächeln.
In der Agentur herrschte die letzten Tage allerdings wieder Hochbetrieb. Unzählige Überstunden standen auf der Tagesordnung, weshalb ich Nina auch im Krankenhaus nicht besuchen konnte.
Trotzdem hatte ich meine alte Nähmaschine rausgekramt, die Oma Emmi mir zum Auszug geschenkt hatte und in liebevoller Nachtarbeit einen süßen hellblauen Knisterelefanten und eine dazu passende Buchstabenkette genäht. Ich gebe zu, ich war etwas aus der Übung und habe so sehr geflucht, dass ich am Sonntag eigentlich zur Beichte müsste. Aber am Ende konnte sich das Ergebnis durchaus sehen lassen. Nina gefiel so was bestimmt. Ich war stolz und freute mich schon auf ihre Reaktion, wenn sie das Päckchen auspackte. Und die Grafiken hatte ich auch fertig. Sie sind wirklich schön geworden.
Heute würde ich es endlich schaffen und bei Nina und Tom vorbeischauen. Gleich nach Feierabend machte ich mich auf den Weg zu ihnen. Ich war schon mächtig gespannt auf den Kleinen. Wem er wohl mehr ähnlich sah und ob er mich mochte? Voller Neugier stand ich nun also vor Ninas Haustür und klingelte. Nichts. Also nochmal. Das Klingeln wurde offenbar durch Max lautes Gebrüll übertönt. Ich griff nach meinem Handy und wählte Ninas Nummer. Kurz darauf öffnete Tom die Tür.
»Ja, doch. Jetzt hast du ihn aufgeweckt und das Ganze Prozedere geht nun wieder von vorne los«, sagte er barsch und der Vorwurf in seiner Stimme war deutlich zu hören.
»Tschuldigung«, murmelte ich kleinlaut, weil mir gerade nichts Besseres einfiel, verstand aber die Aufregung nicht. Tom eilte schon wieder nach oben, denn Max schrie nach wie vor aus Leibeskräften.
Auf dem Weg ins Wohnzimmer blieb mein Blick in der Küche hängen. Ich erschrak. Dort sah es aus, als wäre eine zwei Zentner schwere Weltkriegsbombe explodiert. So ein Chaos war ich von Nina gar nicht gewohnt. Da die beiden nach wie vor damit beschäftigt schienen, Max zu beruhigen stand ich zunächst unschlüssig im Wohnzimmer und wartete. Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich in der Küche schnell den Abwasch machen sollte, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Also zog ich meinen Mantel aus und wärmte mich am Kamin.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Tom und meinte »Nina braucht noch eine Weile. Max ist heute besonders quengelig. Möchtest du etwas trinken?« Es klang mehr nach einer Höflichkeitsfloskel, als nach einer ernst gemeinten Frage. Tom sah gestresst und erschöpft aus.
»Jetzt lass dich erst mal drücken, du frischgebackener Papa. Ich wünsche euch von Herzen alles Gute. Hier habe ich eine Kleinigkeit für Max. Ich hoffe es gefällt euch.« Erwartungsvoll streckte ich Tom das Päckchen entgegen.
»Oh, prima, vielen Dank«, sagte Tom und stellte das Päckchen achtlos zu den anderen Geschenken, die sich bereits im Wohnzimmer stapelten. Er wirkte etwas unbeholfen und ziemlich genervt. Hm, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ein richtiges Gespräch kam irgendwie auch nicht zustande. Nach einer Weile wurde es still und Nina kam völlig erschöpft aus dem Kinderzimmer.
»Hallo Leni« und zu Tom »Endlich schläft er«! Ich gratulierte auch Nina und drückte sie herzlich.
»Tut mir leid, dass ich jetzt erst komme. Geht es dir gut?«, wollte ich wissen.
»Hm, mal abgesehen davon, dass ich schon drei Tage kaum ein Auge zugedrückt habe und außerdem aussehe wie ein zerknautschter Boxer, geht es mir gut. Leni, sei mir nicht böse, aber ich bin total müde. Lass uns einfach für die nächsten Tage nochmal was ausmachen, ok? Am besten du rufst vorher an.«
Etwas zerknirscht stimmte ich zu. Ich hätte ja auch vorher anrufen können, ob es den beiden überhaupt passt. Daran hatte ich irgendwie gar nicht gedacht, sondern hatte es als selbstverständlich empfunden, dass Nina sich über meinen Besuch freuen würde. Ihre genervte Reaktion stimmte mich nachdenklich. Schnell verabschiedete ich mich und ging traurig in Richtung U-Bahn. Der eisige Wind pfiff mir um die Ohren und die Kühle zog mir die Glieder hinauf. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke bis oben hin und vergrub mein Gesicht in meinem flauschigen Schal. Eine Träne lief mir übers Gesicht. Ich wischte sie energisch weg und damit auch alle schwermütigen Gedanken.
Nichts ist mehr so wie es war
Als ich am nächsten Morgen immer noch schlecht gelaunt ins Büro kam, rief mir unser Praktikant Jan bereits entgegen »Guten Morgen, Leni, Thorsten und Michael möchten dich dringend sprechen«.
»Alles klar«, entgegnete ich, stellte meine Tasche hastig ab und machte mich schnellen Schrittes auf den Weg zu meinen Chefs. Zuerst dachte ich die beiden wären von sich aus auf die Idee gekommen mir eine Gehaltserhöhung anzubieten. Wie falsch ich damit lag, sollte sich in den nächsten Minuten herausstellen.
Arglos öffnete ich die Tür zum Chefbüro. Thorsten und Michael standen beide am Fenster. Sie wirkten angespannt. Das war ihnen an der Körperhaltung deutlich anzusehen. Als ich eintrat, drehten sie sich langsam um und blickten mich mit versteinerter Miene an.
»Guten Morgen, Leni. Setz dich doch erst mal. Möchtest du einen Kaffee?«
»Nur keine Umstände.« Verwundert ging ich einen Schritt auf die beiden zu. Irgendetwas hinderte mich aber daran mich zu setzen. »Kaffee habt ihr mir doch noch nie zu unserer Morgenbesprechung angeboten.« Unsicher trat ich von einem Fuß auf den anderen und sah sie fragend an. »Was ist hier los?«, erkundigte ich mich, denn die Stille machte mich geradezu wahnsinnig.
»Leni, ich weiß gar nicht wie ich es dir sagen soll«, ergriff nun Michael das Wort, »wir haben die Genious Kampagne verloren und nicht nur das, der Südwinkel-Konzern hat all seine Aufträge entzogen und ist zu Hitmacher gewechselt. Das war einer unserer besten Auftraggeber. Allein mit seinen Werbekampagnen war die Hälfte unseres Teams beschäftigt. Nun müssen wir ganz schön hart kämpfen und du weißt ja, es ist nicht einfach am Markt.« Das klang gar nicht gut. Überhaupt nicht gut. Irgendetwas an Michaels Stimme beunruhigte mich und ließ mich innerlich aufhorchen. »Hm«, brummte ich abwartend.
»Leni, was ich dir nun sagen muss fällt mir nicht leicht.«
Ein ungutes Gefühl beschlich mich und mein Magen krampfte sich zusammen. »Du bist eine unserer fähigsten Mitarbeiterinnen, sprühst gerade so vor Ideen, bist ehrgeizig und stets voll bei der Sache, dennoch sind wir gezwungen unser Team zu verkleinern.«
Hörte ich richtig? Was geht hier vor? Das gefiel