Stress kontrollieren, Burnout vermeiden. Frank Max

Stress kontrollieren, Burnout vermeiden - Frank Max


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- Still und bewegungslos verharren, idealerweise in einem Versteck.

       Option 2: Der Reiz wird NICHT als Gefahr eingestuft

      Wird der Reiz (die Wahrnehmung) als ungefährlich eingestuft, kann eine Gewöhnung an diesen Reiz erfolgen. Diese Gewöhnung dient dazu, den als ungefährlich eingestuften Reiz in unsere Wahrnehmungsfilter einzugliedern. Dann kann er künftig, automatisch, ausgeblendet werden. Das ist ganz schön praktisch, denn es verhindert eine mentale Überlastung.

      Aber genau hier fängt der Ärger an. Klar, dass „Hans Dampf“ sich an seinen Stressauslöser gewöhnt und gar nicht mehr merkt, wie er ihm dennoch schadet. Denn als die Evolution diesen Mechanismus erfunden hat, waren die Stressauslöser (laut schnarchende Höhlen-Mitbenutzer, weite Wege zu den Mammuts, die aufs Kochfeuer sollten) offensichtlich und wurden sofort (z.B. mittels Keule oder Gezeter, wenn mal wieder zu wenig Holz für das Feuer in der Höhle vorrätig war) abgearbeitet. bzw. „ZACK!“... Ruhe.

       Gew ö hnung und Erkrankung

      Dauerstress durch SMS, WhatsApp, NETFLIX&Co, falsche Ernährung (später mehr dazu) und das Diktat der Medien waren da noch gar nicht erfunden. Da konnte Karl Keule sich noch fröhlich den Ranzen kraulen und bekam keine „Fit for Mammutjagd“ mit Sixpack-Covermodell aus dem Nachbartal auf den Nachttisch gelegt. Die technische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten war so rasant, dass die Evolution noch gar nicht Schritt halten und sich anpassen konnte. Innerhalb einer Generation (meiner) haben wir uns von Telefon mit Kabel, 3 Fernsehsendern, die ca. 16:30 - 24:00 Uhr Programm ausstrahlten, gefunkt wurde nur von Feuerwehr und Polizei, auf eine unüberschaubare Vielfalt an Fernsehprogrammen, Streamingdiensten, Mobilfunk, Datenfunk, Bluetooth, WLAN etc. entwickelt. Empfindliche Menschen entwickeln eine neue Krankheit, MECS (Multiple Electronical and Chemical Sensitivity - Mehrfache Empfindlichkeit gegenüber chemischen Stoffen und elektrischen Reizen), da ihre Gesundheit von den Funkstrahlen und den lustigen Chemikalien in den bunten Gegenständen beeinträchtigt wird. Die Evolution hat den Stress „erfunden“, um unser Überleben zu sichern. Der moderne Mensch hat so viele Stressoren erfunden, dass das Überleben langsam zur Kunst wird, wo es früher eine Selbstverständlichkeit war.

       Wie reagieren wir auf Stress?

      Die Wissenschaftler Yerkes und Dodsen haben die nach ihnen benannte Regel (Yerkes-Dodsen-Regel) aufgestellt, nach der ein Zusammenhang zwischen der Anstrengung (von den beiden Aktivation genannt) und der Leistung besteht. Wobei eine Zunahme der Aktivation bis zu einem gewissen Grad zu einer Leistungssteigerung, über diesen Punkt hinaus jedoch zu einem starken Leistungsverlust führt.“

      Also für Karl Keule: Mehr Uff = Mehr Mammut. Zuviel Uff = Gar kein Mammut.

      Oder für den modernen Menschen:

      Ein wenig mehr Anstrengung = mehr Ergebnisse,

      zu viel Anstrengung = deutlich weniger bis keine Ergebnisse.

      Aber das will heute kaum noch einer wahrhaben und lässt sich lustig antreiben, bis sein Abspeck-Programm im Ermüdungsbruch oder die Karriere auf der Überholspur in der psychosomatischen Fachklinik endet. Dies erklärt auch, warum ein dauergestresster Mensch, der sich ausgebrannt fühlt (Burn-Out) nicht mehr leistungsfähig ist: Er hat sich zu lange zu sehr angestrengt und hat nun einen Ermüdungsbruch an der Seele.

      Und jetzt nimmt der Ärger richtig Fahrt auf. Denn an dieser Stelle setzten (liebe Chefs, liebe Marketingfachleute, nicht böse sein!) die meisten Motivationskonzepte in der Führung (Bonussysteme, variable Gehaltsbestandteile, Titel- und Pöstchenjägerei) aber auch viele Werbe- und Marketingkonzepte (DAS musst Du haben, SO musst Du sein, HIER musst Du dazu gehören) an.

      Einfach ausgedrückt: Wir werden bis zur Erschöpfung motiviert, nur dass unsere Motivatoren uns in ihrem Sinne in Bewegung setzen wollen (Latein: motivare = in Bewegung setzen) und wir uns meist nicht mit unseren eigenen Motiven (Motivationsgründen) beschäftigen. Dann würden wir uns vielleicht nicht fragen: Welche Hose und welche Schuhe brauche ich noch zu diesem Hemd?“ sondern vielleicht ab und zu „Was habe ich WIRKLICH davon, mir ein neues Hemd zu kaufen.“ Mehr dazu in Mit Leichtigkeit - Ziele setzen und Erreichen in den Abschnitten „Das (wahre) Ziel hinter dem Ziel“ und „Motivation und Ziele“.

      Wenn die Motivation anderer unbemerkt wirkt, führt das meist dazu, dass wir den von außen ausgelösten Stress gar nicht bemerken. Das ist in etwa so, als wenn wir in der Badewanne sitzen, die Temperatur langsam erhöht wird und wir gemütlich sitzen bleiben, bis wir gar sind.

      Dr. Dr. Hans Selye, ein ganz schlauer Kopf und Mediziner des vergangenen Jahrhunderts, hat beschrieben, in welchen Schritten wir uns in den Abgrund des Stresses begeben und seine Forschungsergebnisse als „generelles Adaptions-Syndrom“ bezeichnet. Danach verläuft eine Stressreaktion in den drei folgenden Phasen:

       Die Alarmreaktion

      Diese Phase beginnt unmittelbar mit der Wahrnehmung des Stressauslösers, z.B. wenn der Nachbar um 21 Uhr beginnt, sein frisch erstandenes Billy-Regal zusammen zu hämmern.

      Die Phase ist von erhöhter Spannung gekennzeichnet, Hormonausschüttungen bereiten den Körper auf eine Kampf- bzw. Fluchtreaktion vor. Früher hätten wir unseren Höhlennachbarn angebrüllt, dass die Umkippsicherung aus der Höhle fliegt oder ihm sogar sein Heimwerkerprojekt um die Ohren gehauen. Dabei wurden die Hormone, die für Kampf oder Flucht bereit gestellt waren, benutzt und dadurch verbraucht / abgebaut – unser Vorfahr hat danach geschlafen wie ein Baby.

       Das Widerstandsstadium

      Dauert die Stresssituation jedoch länger und ist nicht durch die kurzfristige Erhöhung des Leistungsvermögens in dieser Phase zu bewältigen, erfolgt der Übergang in die nächste Phase, das Widerstandsstadium. Und genau das ist das Leid des modernen Menschen. Wir dürfen nicht mehr brüllen oder hauen, wir müssen still leidend ertragen, da ein ferner Richter, der keine lauten Nachbarn hat, urteilte, dass solche Late-Night-Bauarbeiten in gewissem Umfang normal und damit von uns hinzunehmen sind. Da wird dann eine Uhrzeit festgelegt, bis zu der Herr Nachbar hämmern darf. Nicht berücksichtigt ist dabei, dass es Leidtragende gibt, die dann schon schlafen wollen, weil sie Früh- oder Nachtschicht haben.

      Was am Beispiel eines meiner Nachbarn dazu führt, dass er seit nunmehr 12 Jahren fast täglich zur Feierabendzeit und den ganzen Samstag mit schwerem Gerät an seinem Haus und in seinem Garten rödelt. In den wenigen Zeiten, in denen er nicht bohren, hämmern, baggern oder Kettensäge schwingen darf, sorgen Zwerghahn und Hund für akustische Untermalung. Vielleicht wäre es ja schlauer von den Richtern, monatliche Lärmkontingente als tägliche Uhrzeiten zu definieren. Aber auch das wäre ein Beispiel für Evolution, die noch erfolgen muss.

      Dauert die Stressbelastung an, wird durch eine Steigerung der Produktion der Nebennierenhormone weitere Energie mobilisiert, um unsere Kampfbereitschaft zu verbessern und unser Überleben zu sichern. Die Gefäßmuskulatur wird für die Aufnahme von Adrenalin und Noradrenalin sensibilisiert, und durch eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels werden zusätzliche Ressourcen zur Aufrechterhaltung eines optimalen Zustandes zur Verfügung gestellt, der Kampf oder Flucht ermöglicht. Darum zittern manche Menschen nach einer Stresssituation (Unfall, Bedrohung, Beleidigung). Ihre Körper haben sich maximal auf Kampf oder Flucht eingestellt. Das Regelwerk des modernen Menschen (Du musst den rücksichtslosen Nachbarn auch weitere 12 Jahre ertragen) verhindert aber, dass die Hormone und der erhöhte Blutzucker naturgemäß abgebaut werden. Karl Keule hätte da längst „ZACK!“ für Ruhe gesorgt und den Zwerghahn vermutlich als Siegesmahl verputzt.

      Gleichzeitig werden weniger Schilddrüsenhormone ausgeschüttet, der Sexualtrieb gemindert und es kann bei länger andauerndem Stress sogar zu Störungen oder Unterbrechungen des Menstruationszyklus kommen.

      Das hat Mutter Natur so eingerichtet, mit wir auch einen größeren und stärkeren Feind, z.B. einem Höhlenbären, der das Familienheim als Überwinterungslager auserkoren hatte, bekämpfen konnten. Dazu musste eben mehr Energie mobilisiert werden. Mutter Natur dachte dabei also an


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