Die Zeit Constantins des Großen. Jacob Burckhardt

Die Zeit Constantins des Großen - Jacob Burckhardt


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warmen Fürsprecher an Eumenius, den wir hier von der bessern Seite kennenlernen. Er war ein Sekretär (magister sacrae memoriae) des Constantius gewesen und hatte (wahrscheinlich infolge sehr wichtiger Dienstleistungen) eine Pension von mehr als 26 000 Franken unseres Geldes zu verzehren mit der Sinekure eines Vorstehers der Schulen zu Autun, wo schon sein aus Athen gebürtiger Grossvater eine Professur bekleidet hatte. Nun geht sein ganzer Ehrgeiz dahin, sein Einkommen (obwohl er Familie hatte) diesen Schulen zum Geschenk zu machen und überdies die Gnade des Constantius und nachher des Constantin auf diese arg zerrütteten Anstalten und auf die ruinierte Stadt hinzulenken. Es ist derselbe schöne antike Lokalpatriotismus, der uns in den Schilderungen des Philostratus mit so manchem griechischen und asiatischen Sophisten des ersten und zweiten Jahrhunderts nach Christus versöhnt und befreundet. Man muss diese seltsame Mischung von Edelsinn und Schmeichelei aufnehmen und würdigen, wie jene Zeit sie hervorbrachte. »Diese Besoldung«, sagt Eumenius, »nehme ich, was die Ehre betrifft, anbetend in Empfang, schenke sie aber weiter . . . Denn wer wird jetzt so erbärmlicher Gesinnung, so allem Streben nach Ruhm abhold sein, dass er sich nicht ein Andenken stiften und eine günstige Meinung von sich hinterlassen wollte?« – In den hergestellten Schulen werde man lernen, die Fürsten auf würdige Weise zu loben, und einen bessern Gebrauch der Eloquenz gebe es ja überhaupt nicht. Selbst der alte Maximian kömmt hier noch zu einer recht unverdienten Parallele mit Hercules musagetes, dem Vorsteher der Musen; denn – ihm ist die Ernennung eines Scholarchen für Autun so wichtig gewesen, als handelte es sich um eine Reiterschwadron oder um eine prätorianische Kohorte Panegyr. IV (Pro rest. schol.), passim. – Vom J. 295. – Für das Nähere über Eumenius vgl. Preuss, a. a. O., S. 60 ff.. Mit der Herstellung der ganzen Stadt hatte es indes noch gute Weile; erst Constantin konnte mit einem bedeutenden Steuererlass und mit direkten Bewilligungen nachdrücklicher aushelfen. Fast rührend schildert Eumenius seinen Einzug (311): »Wir schmückten Dir die zum Palatium führenden Gassen mit ärmlichem Zierat aus; doch trugen wir wenigstens die Symbole aller unserer Zünfte und Körperschaften und die Bilder aller unserer Götter hervor; einige wenige Musikinstrumente hast Du mehrmals angetroffen, weil wir Dir damit durch Nebenwege vorauseilten. Dir entging wohl nicht die gutwillige Eitelkeit der Armut« Panegyr. VIII (Gratiarum actio, vom J. 311), c. 8..

      In den verödeten, nördlichen und östlichen Teilen Galliens musste man wohl oder übel in dem seit Claudius und Probus begonnenen System fortfahren und die kriegsgefangenen Germanen als Ackerknechte, teilweise aber auch als freie Bauern, ja als Grenzwächter ansiedeln. Die Lobredner Panegyr. V (Eumen. Constantio, vom J. 297) und VII (Constantino, vom J. 310), passim. Vgl. Hist. Aug., Probus 15. rühmen es, wie alle Markthallen voll Gefangener sitzen, welche ihr Schicksal erwarten; wie der Chamave, der Friese – einst so leichtfüssige Räuber – jetzt im Schweiss ihres Angesichtes das Feld bauen und die Märkte mit Vieh und Korn besuchen; wie sie sich auch der Aushebung und der römischen Kriegszucht unterwerfen müssen; wie Constantius die Franken von den fernsten Gestaden des Barbarenlandes hergeholt, um sie in den Einöden Galliens Nachweisbar z. B.: in den Vogesen, wo es noch im Mittelalter einen Chamavengau und einen Chattuariergau gegeben hat. Vgl. für die ganze Völkerwanderung: Zeuss, Die Deutschen und ihre Nachbarstämme, und Wietersheim, Gesch. der Völkerwanderung. zum Ackerbau und Kriegsdienst zu erziehen, u. dgl. m. – tatsächlich waren es doch lauter Experimente der Not, und zwar sehr gefährliche, tatsächlich war das nördliche Gallien bereits halb germanisch geworden. Sobald die Stammesgenossen dieser Gefangenen wieder in Gallien einbrachen, konnten sie in den letztern lauter Verbündete finden, wenn nicht eine geraume Zeit dazwischen verstrichen war.

      Diese Eventualität einstweilen abzuhalten, gelang dem Glück, dem Talente und der Grausamkeit Constantins, als er in dem ersten Jahre nach seines Vaters Tode (306) den Bund einiger Frankenvölker zu bekämpfen hatte, welche zu den später so genannten ripuarischen Franken gehörten (wahrscheinlich Chatten und Ampsivarier, nebst den Brukterern). Sie hatten schon bei Lebzeiten seines Vaters den Rhein überschritten; nun schlug er sie und bekam ihre Fürsten Askarich und Regais (oder Merogais) gefangen Panegyr. VI (Eumen. Constantino), c. 11. 12.. In dem Amphitheater zu Trier, dessen gewaltige Überreste man noch jetzt in den Weinbergen aufsucht, wurden die beiden den wilden Tieren vorgeworfen; dasselbe geschah massenweise mit den gefangenen Brukterern, »die zu unverlässig waren, um als Soldaten, zu unbändig, um als Sklaven zu dienen«; »die wilden Bestien ermatteten ob der Menge ihrer Opfer«. – Noch zweimal, im Jahr 313 und 319, werden kurze Feldzüge gegen die Franken erwähnt, freilich bei den Geschichtschreibern nur mit einem Worte, woraus schon ihre geringe Bedeutung hervorgeht Etwas umständlicher Panegyr. IX, 23 und X, 17 und 18, hier mit offenbarer Übertreibung. Bei einem dieser Züge soll z. B. Constantin selber verkleidet die Feinde ausgekundschaftet und durch Zureden zum Angriff provoziert haben.. Constantin nahm sogar wieder von einem Stücke des rechten Rheinufers Besitz und erbaute zu Köln eine grosse steinerne Brücke, welche bis in die Mitte des zehnten Jahrhunderts vorhanden war, aber in einem so baufälligen und gefährlichen Zustande, dass Erzbischof Bruno, der Bruder Ottos des Grossen, sie abbrechen liess Fiedler, Rom. Gesch., 3. Aufl., S. 433. – Noch 1766 sah man bei niedrigem Rheinstande einige Pfeiler davon.. Den Brückenkopf bildeten die Castra Divitensia, das heutige Deutz. – Ein periodisches Fest, die Fränkischen Spiele (ludi Francici) verewigte diese Erfolge. Bei der Siegesfeier vom Jahr 313 stürzten sich die dem Tode geweihten Franken den wilden Tieren mit sehnsüchtiger Ungeduld entgegen.

      Vergebens sucht man das Gesamtbild des alten Galliens, wie es unter Diocletian und Constantin sein mochte, weiter zu vervollständigen, indem die ergiebigern Quellen erst für die Zeit von Valentinian I. an zu fliessen beginnen. Von dem Los der Landbevölkerung kann man sich nach dem Obigen einen ungefähren Begriff machen. Der Gallier fühlte aber auch seine Not viel lebhafter als manche andere Bevölkerungen des Reiches. Schon physisch sehr bevorzugt, hoch und derb, hielt er etwas auf seine Person, liebte die Reinlichkeit und wollte nicht in Lumpen einhergehen. Er verzehrte viel, namentlich in Wein und andern berauschenden Getränken, hatte aber dafür jene Anlage des geborenen Soldaten, welche bis ins vorgerückte Alter keine Furcht kannte und keine Anstrengung mied. Man meinte, dies hänge mit seiner kräftigen Blutfülle zusammen und verglich ihn mit jenen magern, verkommenen Südländern, welche zwar mit einer Zwiebel des Tages ihren Hunger stillen, dagegen im Krieg ihr Blut sparen, dessen sie so wenig übrig haben Veget., De re milit. I, 2.. Auch die gallischen Weiber, blonde, gewaltige Figuren, scheuten den Streit nicht; sie waren furchtbar, wenn sie die weissen Arme aufhoben und ihre Schläge und Fusstritte »gleich Katapult-Schüssen« austeilten Ammian. Marc. XV, 12.. Eine solche Bauerschaft lässt sich nicht zuviel bieten, und ein gewisser Grad von Elend wird unvermeidlich den Ausbruch herbeiführen, wie damals geschah. – Allein auch in den Städten herrschte Not und Dürftigkeit; der wichtigste Besitz des Stadtbewohners in diesem fast ausschliesslichen Agrikulturlande war der ausgeliehene oder durch Knechte bewirtschaftete Boden, dessen Unglück der Eigentümer in vollem Masse mitempfand. Sodann erdrückte der Staat hier wie im ganzen Reiche durch das Dekurionenwesen auch die Wohlhabenden, insofern er die Besitzer von mehr als fünfundzwanzig Morgen Landes insgesamt für die fixen, oft noch willkürlich erhöhten Steuern des Bezirkes haftbar machte; eine Lage, welcher sich der einzelne bisweilen durch ganz verzweifelte Schritte, später selbst durch Flucht zu den Barbaren, zu entziehen suchte. Wenn man nun doch noch Beispiele von ausserordentlich reichen Leuten und einem grossen Luxus findet, so erklärt sich dies fürs erste durch das Fortbestehen der sogenannten senatorischen Familien, welche durch erbliche Verleihung Mitglieder des römischen Senates gewesen sein müssen und ausser ihrem Titel clarissimi und andern Ehrenrechten auch die Befreiung von dem Ruin der übrigen Städter, dem Dekurionat, für sich hatten. Ein anderer Grund liegt wohl in einem merkwürdigen Zuge des alten gallischen Nationalcharakters, welcher aus Liebe zu Parteiungen aller Art, später dann natürlich aus Not, beständig auf Verhältnisse der Klientel, des Schutzes Geringerer durch Mächtige, hindrängt. Schon Caesar Bellum Gall. VI, 13. fand in dieser Beziehung einen ganz ausgearteten Zustand vor; die Masse war bereits in die Knechtschaft des Adels geraten. Aber ein halbes Jahrtausend nach ihm kehrt dieselbe Klage fast unverändert wieder; Salvian De vero iudicio et provid. dei, l. V. bejammert das Los der kleinen Grundbesitzer, welche aus Verzweiflung über den Beamtendruck und die ungerechten Richter den Grossen des Landes sich und ihre Habe zu eigen überlassen. »Dann ist ihr Grundstück die Landstrasse Wenn fundos viarum quaerunt so zu übersetzen ist. und sie sind die Kolonen der Reichen! Der Sohn erbt nichts, weil der Vater


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