Der dritte Versuch Magische Wesen. Norbert Wibben

Der dritte Versuch Magische Wesen - Norbert Wibben


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davon sein?« Cian schaut sie fragend an.

      »Auch wenn das so ist, die magische Kraft scheint gleichwertig zu sein. Unsere Schutzglocken konnten ihm nur mit Mühe standhalten.«

      Die beiden Elfen erheben sich langsam und vorsichtig, um dann außer Atem in die bequemen Sessel vor dem Kamin zu sinken. Ihre suchenden Blicke fallen auf den Ring, der scheinbar unverändert auf dem Tischchen liegt. Cians rechte Hand verharrt einen Moment darüber, bevor er ihn vorsichtig mit einem Finger berührt.

      »Kalt wie zuvor!«, stellt er überrascht fest. »Ich hatte erwartet, dass er glüht oder zumindest noch etwas Wärme aufweist. Der Feueratem, den der Drache ausgestoßen hat, war garantiert sehr heiß.«

      »Er könnte aber auch eiskalt gewesen sein. Das wäre passend zu dessen blauem Strahlen! Hm. – Was schlägst du vor, was wir mit dem Ding machen sollen. Es muss von einem begabten Zauberer geschaffen worden sein, in welcher Teufelswerkstatt auch immer.«

      »Ich bin mir nicht sicher. Einerseits wäre es gut, ihn in einem geeigneten Versteck zu wissen, andererseits könnte er möglicherweise eine effektive Waffe gegen die Dubharan sein, wenn wir herausfinden, wie das Wesen gesteuert werden kann.«

      »Die zweite Möglichkeit ist aber nur gegeben, wenn du den Drachen beherrschen könntest.«

      »Ich habe dabei nicht an mich gedacht. Ich werde offenbar von Tag zu Tag zerstreuter. Selbst wenn wir herausbekommen, wie der Drache zu lenken ist, könnte ich das gerade dann vergessen haben, wenn es notwendig sein sollte. Nein, ich dachte an dich.«

      »Das ist nicht dein Ernst. Ich werde dieses Wesen nicht beherrschen, sonst hätte es sich nicht so aggressiv gegen meinen Offenbarungsspruch verhalten. Nein, der Ring wird mir nie gehorchen, da bin ich sicher!«

      Beide schweigen, in Gedanken versunken.

      »Dann verberge ihn in deiner Bibliothek. Falls wir herausbekommen, wie der Drache zu beherrschen sein könnte, werden wir es erneut versuchen. Möglicherweise kann das auch ein jüngerer Magier?« Cian denkt dabei an Finn, doch das sagt er nicht.

      »Einverstanden. Ich werde eine Buchattrappe anfertigen lassen, die innen mit Silber ausgekleidet ist. Dort hinein lege ich den Ring. Das ihn umgebende Silber verhindert, dass der Drache sich selbstständig aktivieren kann, wenn das möglich sein sollte. Die Buchnachbildung bekommt den Titel »Magische Wesen«. Dann weist du, wo du den Ring findest, falls ich nicht anwesend sein sollte, wenn er benötigt wird.«

      Es ist um die Mittagszeit, am Tag nach Finns Entkommen. Durch die Küche der Festung Munegard zieht der Geruch von Essen. Ein riesiger Herd steht unter einem gewaltigen Abzug. Die Küchenmädchen laufen eilig hin und her, holen Zutaten und bereiten diese vor. Der Küchengehilfe legt Holz nach. Er schließt die Feuerklappe, nachdem er die letzten Scheite hineingesteckt hat.

      »Beeilung, wir sind schon etwas in Verzug. Gleich wird der Beginn der Mahlzeit ausgerufen. Habt ihr eure Kleidung gerichtet? Wenn ihr das Essen auftragt, habt ihr ordentlich auszusehen. – Wie sieht die Suppe aus? Habt ihr schon Petersilie hineingegeben? Gut. Dann jetzt aber los!«

      Das in einem schweren Topf blubbernde Gericht wird mit einer eisernen Kelle in mehrere Schüsseln verteilt, die schnell hinausgetragen werden. Ermahnend ruft die dicke Köchin, der die Schweißtropfen von der Stirn tropfen:

      »Vergiss nicht, die Spießbraten weiterzudrehen. Soll das Fleisch etwa verbrennen? Lasst mich mal durch.« Sie nimmt eine lange Gabel, schiebt ihren massigen Körper durch die aufgescheuchte Schar der Küchenmädchen und sticht in zwei große Fleischstücke, dessen knusprige Schwarten einen leckeren Geruch in der Küche verbreiten. Der Küchengehilfe, der nach dem Holznachlegen abwechselnd beide Spieße auf einem speziellen Gestell über einer offenen Flamme dreht, wischt sich mit dem Ärmel das glühende Gesicht. »Da hast du aber Glück gehabt. Es ist perfekt. Jetzt hol sie herunter, damit ich sie portionieren kann.« Der Junge folgt ihrer Anweisung und hofft entgegen der Erfahrung, einen kleinen Anteil von dem appetitlich duftenden Fleisch zu erhalten. Die Köchin bemerkt seinen hungrigen Blick und lacht. »Hast du es immer noch nicht begriffen? Du bekommst, wie wir alle, nur das, was vom Essen übrigbleibt. Das wird sicher nicht dieser Braten, sondern höchstens etwas von den Gemüsebeilagen, viel wahrscheinlicher aber nur die Suppe sein. Bis dahin dauert es aber, vorher kannst du noch etwas Holz holen und unseren Vorrat wieder auffüllen.«

      Sofort schlüpft der spindeldürre Junge wie ein geprügelter Hund aus ihrem Blickfeld, schnappt sich einen großen Weidenkorb und verlässt ihr Reich. Auf dem Weg nach oben, die Küche befindet sich im Kellergeschoss, begegnet ihm der Gefängniswärter. Er grüßt mit seltsamer Beklemmung in der Brust, wagt es nicht, in das Gesicht des ihm unheimlichen Mannes zu schauen. Ein unverständliches, kurzes Gebrumm ist die darauffolgende einzige Reaktion. Obwohl es ihm bisher an allen Tagen so ergangen ist, hofft er doch, einmal eine verständliche Antwort auf sein freundliches »Hallo und guten Appetit« zu erhalten. Er hat ja keine Ahnung, dass dem Wärter die Zunge fehlt. Die hatte ihm Connor vor vielen Jahren genommen, damit er sich nicht mit den Gefangenen zu unterhalten vermag.

      »Sicher ist sicher«, hatte sich der Oberste der Dubharan gedacht. »So kann er nicht mit den Eingesperrten reden und etwas verraten, was ihnen möglicherweise nützlich sein könnte.« Bei diesen Gedanken hatte Connor gelacht, da es für ihn unvorstellbar ist, dass irgendeiner der Bediensteten es wagen würde, gegen seinen Willen zu handeln. Sie wussten alle, dass seine Rache schrecklich sein würde.

      Der Wärter setzt sich still in der Küche auf einen Stuhl und wartet auf die Tonschüssel, in der ihm die Suppe gereicht wird. Ausnahmsweise bekommt er heute zusätzlich ein Stück frisches Graubrot, weshalb er dankbar zur lächelnden Köchin aufschaut. Sie nickt wohlwollend und dreht sich kurz darauf wieder zurück, um ihre Anweisungen zu brüllen.

      »Jetzt aber das Fleisch nach oben und vergesst die Beilagen nicht!« Nachdem der Gefängniswärter die Schüssel geleert und mit dem Brot ihre letzten Reste ausgewischt und dieses gegessen hat, schlägt er seinen Umhang wieder um sich. Den hatte er in der warmen Küche abgelegt. Er bedankt sich mit einem leisen Brummen und Nicken des Kopfes für sein Essen. Dann wird Suppe in eine Henkelkanne gefüllt, die er, ebenso wie drei Tonschalen, für die Gefangenen mitnimmt. Auf der Treppe begegnet er dem Küchenjungen erneut, der den schweren Korb abgesetzt hat, um zu verschnaufen. Dieser lässt den Erwachsenen zuerst heraufkommen, bevor er den Holzbehälter hochwuchtet und Stufe für Stufe nach unten schleppt. Der Gefängniswärter schaut über den Innenhof zu einem trutzigen Turm. Der steht zentral auf dem inneren Platz der Anlage und ist mit einer eigenen Ringmauer umgeben, die mit Wehrgängen versehen ist. Ein starkes Tor in der Mauer, das nur durch einen verwinkelten, engen Zugang von außen erreicht werden kann, sichert diese Burg in der Burg. Sie ist der letzte Zufluchtsort für die Verteidiger der Festung, wenn alle anderen Wehranlagen erobert sind. Der Wärter überquert den Hof und schlurft an der Mauer vorbei. Danach kommt er zu einem weiteren Turm, der in der Außenmauer der Festungsanlage auf einer steilen Felsenklippe ruht. Er ist über eine schmale Treppe erreichbar, die der Gefangenenwärter jetzt erklimmt. Er schließt mit einem großen Schlüssel auf, tritt durch die Eichentür und verschließt den Eingang vorsichtshalber, sobald er drinnen eine Laterne entzündet hat. In ihrem unsteten Schein folgt er der Wendeltreppe nach oben. Der Turm steht nicht separat. Eine Seite ist Teil eines schmalen Bauwerks, das bis zur halben Höhe hinaufreicht. Im Bodenbereich wird das Gebäude als Schmiede und Waffenkammer genutzt, in der obersten Etage befinden sich Gefängniszellen. Der Aufseher biegt von der Treppe in einen Seitengang ab und öffnet den ersten Raum. Er reicht dem Gefangenen eine Tonschale, in die er einen Teil der Suppe gießt. Er verschließt den Raum, um Gleiches in der zweiten Zelle zu wiederholen. Bevor er nach dem Öffnen der dritten Tür den Raum betritt, erstarrt er und reibt sich erstaunt die Augen. Sonst wird er hier schon erwartet und sofort in ein Gespräch zu ziehen versucht. Doch heute ist es seltsam still. Auf dem Strohlager unter dem vergitterten Fenster erkennt er vage die Kleidung des Gefangenen. Sollte dieser in der Nacht gestorben sein, da sich dort nichts rührt? Der Wärter tritt näher und leuchtet die Stelle direkt an. Er steht


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