Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch
sich zurückgezogen hatte, nahm der Kaiser das Vermittelungswerk auf. „In der Tat, heiliger Vater“, schrieb er dem Papst, „wäre es Zeit, die Sache beizulegen. Die Autorität der Kirche verliert, wie wir sehen, zu sehr an Achtung. Es ist nötig in Berücksichtigung unserer Zeit von der Strenge ein wenig nachzulassen.“ In Berücksichtigung unserer Zeit! Ja, das hatte sich gezeigt, dass der päpstliche Bannfluch einen Fürsten nicht mehr vom Thron schleudern konnte. Pius II. sah es ein, Cusa nicht. An seiner starren Haltung wäre die Vermittlung wohl wieder abgeglitten; da berührte den Knoten, den alles Zerren anstatt ihn aufzulösen nur desto fester zusammengezogen hatte, die Geisterhand des Todes, und er fiel schlaff auseinander: rasch nacheinander starben im Spätsommer 1464 erst Nikolaus von Cusa, dann Pius II. Gleich darauf wurden die Vorschläge des Kaisers angenommen. Siegmund beugte sich nicht; da er sich durchaus weigerte, Abbitte zu leisten, erbot sich der Kaiser zu einer stellvertretenden Demütigung vor dem Papst. Ob und in welcher Form sie ausgeübt wurde, steht nicht fest.
In dieser Versöhnung war Gregor von Heimburg nicht inbegriffen und suchte sie wohl auch nicht. Da sein Verhältnis zu Nürnberg schon seit einigen Jahren gelöst war, trat er durch Vermittlung Herzog Albrechts von Sachsen in Beziehung zu Georg Podiebrad, dem König von Böhmen, der als Kalixtiner den Gegner des Papstes gebrauchen konnte und mächtig genug war, den Verfemten zu schützen.
Georg von Kunštát und Poděbrad (* 1420 † 1471), auch bekannt als Poděbrad oder Podiebrad, war der sechzehnte König von Böhmen, der 1458–1471 regierte. Er war ein Führer der Hussiten, jedoch gemäßigt und tolerant gegenüber dem katholischen Glauben.
Dieser bedeutende Fürst, den einige unternehmende Männer im Reich gern unter Beiseiteschiebung des schläfrigen Friedrich zum Kaiser gemacht hätten, war immer bereit, großartige Pläne auszuführen, die er selbst entwarf oder die andere ihm unterbreiteten. Er plante eine Organisation der abendländischen Fürsten, die der päpstlichen Macht die Waage halten könnte, er dachte sogar daran, die Türken aus dem vor kurzem eroberten Konstantinopel hinauszuwerfen und sich selbst zum oströmischen Kaiser zu machen. Wieder hatte Heimburg Gelegenheit, mit Rat und Schrift gegen die Gewaltherrschaft des Papstes zu wirken, der einen Feldzug gegen den hussitischen Böhmenkönig führte, wie Pius II. gegen Herzog Siegmund getan hatte, ihn in den Bann tat und seine Untertanen und die benachbarten Fürsten gegen ihn auf hetzte.
Matthias Corvinus (* 1443, † 1490), auch Matthias I. genannt, war von 1458 bis 1490 König von Ungarn und Kroatien. Nach mehreren Feldzügen wurde er 1469 zum König von Böhmen gewählt und nahm 1487 den Titel Herzog von Österreich an.
Mathias von Ungarn, auch ein hochstrebender und begabter Mann, setzte sich schließlich, den Ermahnungen Gehör schenkend, in Bewegung und ließ sich zum König von Böhmen wählen; ein Krieg wäre zwischen den beiden mächtigen Emporkömmlingen des Ostens entbrannt, wenn nicht Georg Podiebrad dem Tod erlegen wäre. So war Gregor von Heimburg ohne Aufgabe und ohne Schutz.
Albrecht von Sachsen, der Schwiegersohn des Verstorbenen, nahm ihn auf und brachte ihn nach Dresden; aber trotz der herzoglichen Gunst wollte die Stadt den Gebannten nicht bei sich dulden. Da entschloss sich der verlassene Kämpfer, die Absolution des Papstes zu suchen und erhielt sie auf Albrechts Befürwortung. Es war im Jahr 1472; bald darauf starb er.
Der Verlauf des Streites zwischen dem Herzog von Tirol und der Kirche zeigt, wie nah der Gedanke der Säkularisation geistlicher Güter den weltlichen Fürsten lag, wie sie, sowie es möglich schien, ihn grundsätzlich ergriffen und rücksichtslos durchzuführen versuchten, und was für ketzerische Gedanken in Verbindung damit laut, öffentlich dem Papst entgegengeworfen werden konnten.
Albrecht Wettin von Sachsen, Herzog von Sachsen, geboren am 27 Januar 1443 in Grimma, verstorben am 12. September 1500.
Es zeigte sich freilich auch, was für Kampfmittel dem Papst doch noch zur Verfügung standen, wie er Ehrgeizige, Unzufriedene und Habgierige zu benutzen wusste, und wie auch der Bannfluch dadurch lästig werden konnte, dass sich Feinde seiner zum Schaden des Betroffenen bedienten. Noch war ein Gebannter, wenn er nicht Fürst war, ein Ausgestoßener, für manches einfache Gemüt ein gebrandmarkter Frevler, für die vielen Niederträchtigen ein bequemes Ziel. Selbst ein so überzeugter Gegner des Papstes wie Gregor von Heimburg gab am Ende nach. War der einst so Tapfere müde geworden? Tat er es, um dem Herzog von Sachsen, dem einzigen, der ihm ein Asyl anbot, keine Schwierigkeiten zu machen? Oder war auch in ihm ein Gefühl geblieben oder wieder erwacht, das sich nach der Geborgenheit im Schoss der alten Mutter Kirche sehnte, die alle Christen des Abendlandes umfasste und zu Brüdern machte?
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Humanisten und Mönche
Humanisten und Mönche
Wie eine Landschaft zuweilen vor anderen mit Früchten gesegnet ist, so bringt sie auch zuzeiten eine besonders große Anzahl außergewöhnlicher Menschen hervor, eine überschwengliche Ernte, der vielleicht langedauernde Unfruchtbarkeit folgt. Westfalen und der obere Rhein waren im 15. Jahrhundert so ergiebig, namentlich das Gebiet des Oberrheins war erfüllt von der Heiterkeit und dem Brausen geistigen Lebens.
Jakob Wimpfeling, geb. in Schlettstadt, Elsass, 25. Juli 1450; war ein Humanist und Theologe der Renaissance.
Die Schule von Schlettstadt leitete Jakob Wimpheling, am Dom von Straßburg predigte Geiler von Kaisersberg, an der Universität Freiburg lehrte Ulrich Zasius.
Johann Geiler von Kaysersberg war Priester, der als einer der größten Volksprediger des 15. Jahrhunderts galt.
Ulrich Zasius (1461 – 24. November 1535 oder 1536) war ein deutscher Jurist. 1461 in Konstanz (heute Baden-Württemberg) geboren. Nach dem Studium in Tübingen zunächst bischöflicher Notar in Konstanz, dann 1489 Stadtschreiber in Baden im Aargau und in Freiburg in 1493. † 1535.
Diese und viele andere Männer, um die Mitte des Jahrhunderts geboren, waren durchdrungen vom Bewusstsein der Notwendigkeit einer Reform, die darin bestehen sollte, dass durch die auf allen Gebieten wuchernde Verwilderung, durch den aufgehäuften Wust von Missbräuchen und Verzerrungen durchgebrochen werden müsse zu den reinen Quellen, aus denen die Religion, das Recht, die Sprache, die Sitten geflossen wären, hauptsächlich zur Heiligen Schrift. Dort sollte man die christliche Lehre aus dem Mund des Heilands vernehmen anstatt aus den durch die Spitzfindigkeit der Scholastik verdunkelten Lehrbüchern oder aus den mit sinnlosen Wundergeschichten zur Unterhaltung ausgeschmückten Legendensammlungen. Das römische Recht sollte man aus den von Justinian gesammelten Rechtsbüchern, nicht aus den verunstaltenden Kommentaren des Mittelalters, die alten Sprachen sollte man aus den Werken der klassischen Schriftsteller studieren. Um das gegenwärtige Leben des deutschen Volkes aufzuhellen, wollten sie zu seinen Ursprüngen zurückkehren und in der Vertiefung in seine ruhmreiche Vergangenheit den Glauben an seine Zukunft gewinnen.
Viele von diesen älteren Humanisten waren niemals in Italien gewesen, und mochten sie auch von der großartigen Bewegung des den Deutschen so eng verbundenen Landes berührt sein, so waren sie doch mehr beeinflusst von der in der Stille erwachsenen Lebensauffassung und Unterrichtsart der ‚Brüder vom gemeinsamen Leben’, die in den Niederlanden entstanden waren und in der Schule von Deventer eine Stätte weitreichender Wirksamkeit gegründet hatten. Italien wirkte auf das lebhaft erwachende Interesse an der deutschen Geschichte weniger durch den dortigen Patriotismus und die bewunderten Vorbilder der Antike als durch seine Verachtung der Deutschen. Vielleicht war der tiefste Grund