Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte. Georg Wilhelm Friedrich Hegel
näheren geographischen Unterschiede sind nunmehr festzuhalten, und zwar als wesentliche des Gedankens gegen das vielfach Zufällige betrachtet. Dieser charakteristischen Unterschiede gibt es namentlich drei:
1. das wasserlose Hochland mit seinen großen Steppen und Ebenen,
2. die Talebenen (das Land des Überganges), welche von großen Strömen durchschnitten und bewässert werden,
3. das Uferland, das in unmittelbarem Verhältnisse mit dem Meere steht.
Diese drei Momente sind die wesentlichen, und nach ihnen werden wir jeden Weltteil sich in drei Teile teilen sehen. Das eine ist das gediegene, indifferente, metallische Hochland, unbildsam in sich abgeschlossen, aber wohl fähig, Impulse von sich auszuschicken. Das zweite bildet Mittelpunkte der Kultur, ist die noch unaufgeschlossene Selbständigkeit. Das dritte hat den Weltzusammenhang darzustellen und zu erhalten.
1. Das Hochland. Wir sehen solches Hochland in dem von den Mongolen (das Wort im allgemeinen Sinne genommen) bewohnten Mittelasien; vom Kaspischen Meere aus ziehen sich solche Steppen nördlich gegen das Schwarze Meer herüber; desgleichen sind hier anzuführen die Wüsten in Arabien, die Wüsten der Berberei in Afrika, in Südamerika um den Orinoko herum und in Paraguay. Das Eigentümliche der Bewohner solchen Hochlandes, das bisweilen nur durch Regen oder durch Austreten eines Flusses (wie die Ebenen des Orinoko) bewässert wird, ist das patriarchalische Leben, das Zerfallen in einzelne Familien. Der Boden, auf dem sie sich befinden, ist unfruchtbar oder nur momentan fruchtbar; die Bewohner haben ihr Vermögen nicht im Acker, aus dem sie nur einen geringen Ertrag ziehen, sondern in den Tieren, die mit ihnen wandern. Eine Zeitlang finden diese ihre Weide in den Ebenen, und wenn diese abgeweidet sind, zieht man in andere Gegenden. Man ist sorglos und sammelt nicht für den Winter, weswegen dann auch oft die Hälfte der Herde zugrunde geht. Unter diesen Bewohnern des Hochlandes gibt es kein Rechtsverhältnis, und es zeigen sich daher bei ihnen die Extreme von Gastfreundschaft und Räuberei, die letztere namentlich, wenn sie von Kulturländern umgeben sind, wie die Araber, die darin von ihren Pferden und Kamelen unterstützt werden. Die Mongolen nähren sich von Pferdemilch, und so ist ihnen das Pferd zugleich Nahrung und Waffe. Wenn dieses die Gestalt ihres patriarchalischen Lebens ist, so geschieht es doch aber oft, dass sie sich in großen Massen zusammenhalten und durch irgendeinen Impuls in eine äußere Bewegung geraten. Früher friedlich gestimmt fallen sie alsdann wie ein verwüstender Strom über Kulturländer, und die Revolution, die jetzt hereinbricht, hat kein anderes Resultat als Zerstörung und Einöde. In solche Bewegung gerieten die Völker unter Tschengiskhan und Tamerlan, sie zertraten alles, verschwanden dann wieder, wie ein verheerender Waldstrom abläuft, weil er kein eigentliches Prinzip der Lebendigkeit besitzt. Von den Hochländern herab geht es in die Engtäler. Da wohnen ruhige Gebirgsvölker, Hirten, die auch nebenbei Ackerbau treiben, wie die Schweizer. Asien hat deren auch, sie sind aber im Ganzen unbedeutender.
2. Die Talebenen. Es sind dieses Ebenen, von Flüssen durchschnitten, die ihre ganze Fruchtbarkeit den Strömen, von denen sie gebildet sind, verdanken. Eine solche Talebene ist China, Indien, welches der Indus und Ganges durchschneiden, Babylonien, wo der Euphrat und Tigris fließt, Ägypten, das der Nil bewässert. In diesen Ländern entstehen große Reiche, und die Stiftung großer Staaten beginnt. Denn der Ackerbau, der hier als erstes Prinzip der Subsistenz der Individuen vorwaltet, ist an die Regelmäßigkeit der Jahreszeit, an die demgemäß geordneten Geschäfte gewiesen: Es beginnt das Grundeigentum und die sich daraus beziehenden Rechtsverhältnisse, das heißt, die Basen und Unterlagen des Staates, der erst in solchen Verhältnissen möglich wird.
3. Das Uferland. Der Fluss teilt Landstriche voneinander, noch mehr aber das Meer, und man ist gewohnt, das Wasser als das Trennende anzusehen; besonders hat man in den letzten Zeiten behaupten wollen, dass die Staaten notwendig durch Naturelemente getrennt sein müssten; dagegen ist wesentlich zu sagen, dass nichts so sehr vereinigt als das Wasser, denn die Länder sind nichts als Gebiete von Strömen. So ist Schlesien das Odertal, Böhmen und Sachsen das Elbtal, Ägypten das Niltal.
(Siehe Band 124e in dieser gelben Buchreihe)
Mit dem Meere ist dies nicht minder der Fall, wie dies schon oben angedeutet wurde. Nur Gebirge trennen. So scheiden die Pyrenäen Spanien ganz bestimmt von Frankreich.
Mit Amerika und Ostindien haben die Europäer seit deren Entdeckung in fortwährender Verbindung gestanden, aber ins Innere von Afrika und Asien sind sie kaum eingedrungen, weil das Zusammenkommen zu Land viel schwieriger ist als zu Wasser.
(Siehe Band 154e in dieser gelben Buchreihe)
Nur dadurch, dass es Meer ist, hat das Mittelländische Meer Mittelpunkt zu sein vermocht. Sehen wir jetzt auf den Charakter der Völker dieses dritten Moments.
Das Meer gibt uns die Vorstellung des Unbestimmten, Unbeschränkten und Unendlichen, und indem der Mensch sich in diesem Unendlichen fühlt, so ermutigt dies ihn zum Hinaus über das Beschränkte. Das Meer ladet den Menschen zur Eroberung, zum Raub, aber ebenso zum Gewinn und zum Erwerbe ein; das Land, die Talebene fixiert den Menschen an den Boden; er kommt dadurch in eine unendliche Menge von Abhängigkeiten, aber das Meer führt ihn über diese beschränkten Kreise hinaus. Die das Meer befahren, wollen auch gewinnen, erwerben; aber ihr Mittel ist in der Weise verkehrt, dass sie ihr Eigentum und Leben selbst in Gefahr des Verlustes setzen.
(Siehe Band 133e in dieser gelben Buchreihe)
Das Mittel ist also das Gegenteil dessen, was sie bezwecken. Dies ist es eben, was den Erwerb und das Gewerbe über sich erhebt und ihn zu etwas Tapferem und Edlem macht.
Mut muss nun innerhalb des Gewerbes eintreten, und Tapferkeit ist zugleich mit der Klugheit verbunden. Denn die Tapferkeit gegen das Meer muss zugleich List sein, da sie es mit dem Listigen, dem unsichersten und lügenhaftesten Element, zu tun hat.
Diese unendliche Fläche ist absolut weich, denn sie widersteht keinem Drucke, selbst dem Hauche nicht; sie sieht unendlich unschuldig, nachgebend, freundlich und anschmiegend aus, und gerade diese Nachgiebigkeit ist es, die das Meer in das gefahrvollste und gewaltigste Element verkehrt. Solcher Täuschung und Gewalt setzt der Mensch lediglich ein einfaches Stück Holz entgegen, verlässt sich bloß auf seinen Mut und seine Geistesgegenwart und geht so vom Festen auf ein Haltungsloses über, seinen gemachten Boden selbst mit sich führend.
Das Schiff, dieser Schwan der See, der in behenden und runden Bewegungen die Wellenebene durchschneidet oder Kreise in ihr zieht, ist ein Werkzeug, dessen Erfindung ebenso der Kühnheit des Menschen als seinem Verstande die größte Ehre macht. Dieses Hinaus des Meeres aus der Beschränktheit des Erdbodens fehlt den asiatischen Prachtgebäuden von Staaten, obgleich sie selbst an das Meer angrenzen, wie zum Beispiel China. Für sie ist das Meer nur das Aufhören des Landes, sie haben kein positives Verhältnis zu demselben. Die Tätigkeit, zu welcher das Meer einladet, ist eine ganz eigentümliche: daher findet es sich dann, dass die Küstenländer meist immer von den Binnenländern sich absondern, wenn sie auch durch einen Strom mit diesen zusammenhängen. Holland hat sich so von Deutschland, Portugal von Spanien abgesondert.
Nach diesen Angaben sind nunmehr die drei Weltteile zu betrachten, und zwar kommen hier die drei Momente auf bedeutendere oder mindere Weise zum Vorschein: Afrika hat zum Hauptprinzip das Hochland, Asien den Gegensatz der Flussgebiete zum Hochland, Europa die Vermischung dieser Unterschiede.
Afrika ist in drei Teile zu unterscheiden: der eine ist der südlich von der Wüste Sahara gelegene, das eigentliche Afrika, das