Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte. Georg Wilhelm Friedrich Hegel
der größte Teil der Inseln ist so beschaffen, dass sie gleichsam nur eine Erdbedeckung für Felsen sind, die aus der bodenlosen Tiefe heraustauchen und den Charakter eines spät Entstandenen tragen. Eine nicht mindere geographische Unreife zeigt Neuholland (Australien); denn wenn man hier von den Besitzungen der Engländer aus tiefer ins Land geht, so entdeckt man ungeheure Ströme, die noch nicht dazu gekommen sind, sich ein Bett zu graben, sondern in Schilfebenen ausgehen. Von Amerika und seiner Kultur, namentlich in Mexiko und Peru, haben wir zwar Nachrichten, aber bloß die, dass dieselbe eine ganz natürliche war, die untergehen musste, sowie der Geist sich ihr näherte. Physisch und geistig ohnmächtig hat sich Amerika immer gezeigt und zeigt sich noch so. Denn die Eingeborenen sind, nachdem die Europäer in Amerika landeten, allmählich an dem Hauche der europäischen Tätigkeit untergegangen.
In den nordamerikanischen Freistaaten sind alle Bürger europäische Abkömmlinge, mit denen sich die alten Einwohner nicht vermischen konnten, sondern zurückgedrängt wurden.
Einige Künste haben die Eingeborenen allerdings von den Europäern angenommen, unter anderen die des Branntweintrinkens, die eine zerstörende Wirkung auf sie hervorbrachte.
Nordamerikanischer Indianer
Im Süden wurden die Eingeborenen viel gewalttätiger behandelt und zu harten Diensten verwendet, denen ihre Kräfte wenig gewachsen waren. Sanftmut und Trieblosigkeit, Demut und kriechende Unterwürfigkeit gegen einen Kreolen und mehr noch gegen einen Europäer sind dort der Hauptcharakter der Amerikaner, und es wird noch lange dauern, bis die Europäer dahin kommen, einiges Selbstgefühl in sie zu bringen.
Die Inferiorität dieser Individuen in jeder Rücksicht, selbst in Hinsicht der Größe gibt sich in allem zu erkennen; nur die ganz südlichen Stämme in Patagonien sind kräftigere Naturen, aber noch ganz in dem natürlichen Zustande der Rohheit und Wildheit.
Als die Jesuiten und die katholische Geistlichkeit die Indianer an europäische Kultur und Sitten gewöhnen wollten (bekanntlich haben sie einen Staat in Paraguay, Klöster in Mexiko und Kalifornien gegründet), begaben sie sich unter sie und schrieben ihnen, wie Unmündigen, die Geschäfte des Tages vor, die sie sich auch, wie träge sie auch sonst waren, von der Autorität der Väter gefallen ließen. Diese Vorschriften (mitternachts musste eine Glocke sie sogar an ihre ehelichen Pflichten erinnern) haben ganz richtig zunächst zur Erweckung von Bedürfnissen geführt, den Triebfedern der Tätigkeit des Menschen überhaupt. Die Schwäche des amerikanischen Naturells war ein Hauptgrund dazu, die Neger nach Amerika zu bringen, um durch deren Kräfte die Arbeiten verrichten zu lassen; denn die Neger sind weit empfänglicher für europäische Kultur als die Indianer, und ein englischer Reisender hat Beispiele angeführt, dass Neger geschickte Geistliche, Ärzte usw. geworden sind (ein Neger hat zuerst die Anwendung der Chinarinde gefunden), während ihm nur ein einziger Eingeborener bekannt ist, der es dahin brachte, zu studieren, aber bald am Übergenuss des Branntweins gestorben war. Zu der Schwäche der amerikanischen Menschenorganisation gesellt sich dann noch der Mangel der absoluten Organe, wodurch eine gegründete Macht herbeizuführen ist, der Mangel nämlich des Pferdes und des Eisens, Mittel, wodurch besonders die Amerikaner besiegt wurden.
Da nun die ursprüngliche Nation geschwunden oder so gut wie geschwunden ist, so kommt die wirksame Bevölkerung meist von Europa her, und was in Amerika geschieht, geht von Europa aus. Europa warf seinen Überfluss nach Amerika hinüber, ungefähr, wie aus den Reichsstädten, wo das Gewerbe vorherrschend war und sich versteinerte, viele in andere Städte entflohen, die einen solchen Zwang nicht hatten, und wo die Last der Abgaben nicht so schwer war. So entstand neben Hamburg Altona, neben Frankfurt Offenbach, Fürth bei Nürnberg, Carouge neben Genf. In gleicher Weise verhält sich Nordamerika zu Europa. Viele Engländer haben sich daselbst festgesetzt, wo Lasten und Abgaben fortfallen, und wo die Anhäufung europäischer Mittel und europäischer Geschicklichkeit fähig waren, dem großen noch brachliegenden Boden etwas abzugewinnen. In der Tat bietet diese Auswanderung viele Vorteile dar, denn die Auswandernden haben vieles abgestreift, was ihnen in der Heimat beengend sein konnte, und bringen den Schatz des europäischen Selbstgefühls und der Geschicklichkeiten mit; und für die, welche anstrengend arbeiten wollen, und in Europa die Quellen dazu nicht fanden, ist in Amerika allerdings ein Schauplatz eröffnet.
Amerika ist bekanntlich in zwei Teile getrennt, die zwar durch eine Landenge zusammenhängen, doch ohne dass dieses auch einen Zusammenhang des Verkehrs vermittelte. Beide Teile sind vielmehr aufs bestimmteste geschieden. – Nordamerika zeigt uns zuerst längs seiner östlichen Küste einen breiten Küstensaum, hinter dem ein Gebirgszug, – die blauen Gebirge oder die Apalachen, nördlicher die Alleganen –, sich erstreckt. Ströme, die von da ausgehen, bewässern die Küstenländer, welche von der vorteilhaftesten Beschaffenheit sind für die Nordamerikanischen Freistaaten, die sich hier ursprünglich gebildet haben. Hinter jenem Gebirgszug fließt im Zusammenhang mit ungeheuren Seen von Süden nach Norden der Lorenzstrom, an welchem die nördlichen Kolonien von Kanada liegen. Weiter westlich treffen wir auf das Bassin des ungeheuren Mississippi mit den Stromgebieten des Missouri und des Ohio, die er aufnimmt und sich dann in den Mexikanischen Meerbusen ergießt. Auf der westlichen Seite dieses Gebietes ist ebenso wieder ein langer Gebirgszug, der sich durch Mexiko und die Meerenge von Panama hindurchzieht und unter dem Namen der Anden oder Kordilleren die ganze Westseite von Südamerika abscheidet. Der dadurch gebildete Küstensaum ist schmaler und bietet weniger Vorteile dar als jener von Nordamerika. Es liegen da Peru und Chili. Auf der Ostseite fließen gen Osten die ungeheuren Ströme des Orinoko und des Amazonenstromes, sie bilden große Täler, die aber nicht zu Kulturländern geeignet sind, da sie vielmehr nur weite Steppen sind. Gegen Süden fließt der Rio de la Plata, dessen Zuflüsse ihren Ursprung zum Teil in den Kordilleren, zum Teil in dem nördlichen Gebirgsrücken haben, der das Gebiet des Amazonenstromes von dem seinigen scheidet. – Zum Gebiete des Rio de la Plata gehören Brasilien und die spanischen Republiken. Kolumbien ist das nördliche Küstenland von Südamerika, in dessen Westen längs der Anden der Magdalenenstrom sich in das Karaibische Meer ergießt. –
Mit Ausnahme von Brasilien sind in Südamerika allgemein Republiken, wie in Nordamerika, entstanden. Vergleichen wir nun Südamerika, indem wir dazu auch Mexiko rechnen, mit Nordamerika, so werden wir einen erstaunlichen Kontrast wahrnehmen.
(Siehe Band 142 dieser gelben Buchreihe)
In Nordamerika sehen wir das Gedeihen, sowohl durch ein Zunehmen von Industrie und Bevölkerung, durch bürgerliche Ordnung und eine feste Freiheit, die ganze Föderation macht nur einen Staat aus und hat ihre politischen Mittelpunkte. Dagegen beruhen in Südamerika die Republiken nur auf militärischer Gewalt, die ganze Geschichte ist ein fortdauernder Umsturz, föderierte Staaten fallen auseinander, andere verbinden sich wieder, und alle diese Veränderungen werden durch militärische Revolutionen begründet. Die näheren Unterschiede beider Teile Amerikas zeigen uns zwei entgegengesetzte Richtungen: der eine Punkt ist der politische, der andere die Religion. Südamerika, wo die Spanier sich niederließen und die Oberherrschaft behaupteten, ist katholisch, Nordamerika, obgleich ein Land der Sekten überhaupt, doch den Grundzügen nach protestantisch. Eine weitere Abweichung ist die, dass Südamerika erobert, Nordamerika aber kolonisiert worden ist. Die Spanier bemächtigten sich Südamerikas, um zu herrschen und reich, sowohl durch politische Ämter als Erpressungen, zu werden. Von einem sehr entfernten Mutterlande abhängend fand ihre Willkür einen größeren Spielraum, und durch Macht, Geschicklichkeit und Selbstgefühl gewannen sie ein großes Übergewicht über