Geliebtes Carapuhr. Billy Remie

Geliebtes Carapuhr - Billy Remie


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um das Bett herum, als würde Desith wie durch ein Wunder wiederauftauchen, dabei rasselte sein Gürtel und seine Schwertscheide. Desith blieb natürlich spurlos verschwunden.

      Er war ja so ein Hohlkopf! Warum hatte er nicht mitbekommen, dass Desith aufgestanden war?

      Und wie konnte das überhaupt sein? Nach dem Trank, den Vynsus Mutter Desith verabreicht hatte, hätte dieser mindestens bis zum nächsten Abend durchschlafen müssen. Sie hatte es ihm versichert!

      Zornig über sich selbst, seine Unfähigkeit verfluchend, stakste er durch das Zeltinnere auf den Ausgang zu und schlug die Plane zurück. Zwei Leibwächter waren davor positioniert, sie zuckten ebenso erschrocken zusammen wie er. Vynsu hatte von den weiteren Bewachern nichts gewusst.

      Er sah die beiden Krieger nacheinander prüfend an, sie waren erfahrene Männer, aber noch nicht alt, etwa zehn oder fünfzehn Jahre älter als er, einer blond, einer braunhaarig, beide bärtig. Vermutlich Brüder, sie sahen sich ähnlich, aber er kannte ihre Namen nicht, obwohl er sich sicher war, dass er sie schon oft gesehen hatte.

      »Prinz?«, fragte der Dunkelhaarige irritiert, als Vynsu sie nur grimmig anstarrte.

      Er riss sich zusammen und schüttelte den Kopf. »Verzeiht, ich dachte, ich hätte etwas Ungewöhnliches gehört.«

      Ein Nackenkitzeln hielt ihn irgendwie davon ab, die Wahrheit zu sagen. Er wollte das Lager nicht aufschrecken. Vielleicht wollte er aber auch nicht seine Schuld eingestehen, immerhin war ihm allein Desith entwicht. Ihm allein.

      »Nein«, erwiderten sie unisono und tauschten miteinander verwunderte Blicke. »Alles still hier draußen«, versicherte der Blonde.

      Grübelnd starrte Vynsu ihm in das markante Gesicht. »Niemand ging ein oder aus?«

      Sie sahen sich an, als überlegten sie, ob sie es sich erlauben konnten, ihn zu fragen, ob er seinen verdammten Verstand verloren hätte.

      »Niemand«, versicherte der Dunkelhaarige schließlich, sie hatten wohl beschlossen, Vynsu erst noch weiter zu beobachten, bevor sie sich ein Urteil über dessen geistigen Zustand erlaubten.

      Er schnaubte und drehte sich bereits wieder um, als er noch ein letztes Mal innehielt. »Und ihr habt auch nicht geschlafen? Für keinen noch so winzigen Augenblick?«

      »Nein«, versicherten sie ihm. »Eure Mutter stellte uns hier ab, als sie zu Bett ging, da haben wir Euch noch herumlaufen gehört. Niemand kam hier vorbei, Herr, die …« Der Blonde trat unbehaglich von einem auf den anderen Fuß. »Die Leute meiden das Zelt.«

      Vynsu runzelte die Stirn, doch er hatte gerade keine Zeit, sich danach zu erkundigen, weshalb hier niemand freiwillig vorbeikam, immerhin hatte er gerade ein ganz anderes Problem. »Hm«, brummte er, »gut.«

      Er zog sich wieder in das von Kerzenschein geflutete Innere zurück, Schatten tanzten über die Wände, als der Luftzug von draußen die Flammen bewegte.

      Wie, beim Allvater, war Desith aus diesem Zelt gelangt? Vielleicht hatte er eine Wand aufgeschlitzt und war geflohen. Vynsu drehte sich um, um die Zeltplanen abzulaufen, als er abermals in dieser Nacht erschrocken zusammenzuckte.

      Desith lag im Bett, friedlich schlafend, als wäre er nie fort gewesen.

      Einen unbegreiflichen Moment lang stand Vynsu einfach da und starrte ihn, ohne zu blinzeln, an. Er lag noch genauso sabbernd auf der Seite, wie Vynsu ihn zuletzt gesehen hatte.

      Hatte Vynsu sich getäuscht? Aber nein, so sehr konnten seine Augen ihn doch nicht trügen! Vielleicht hatte er noch geträumt.

      Mit einem großen Bogen, als hätte Desith die Pest, ging Vynsu wieder um das Bett herum, eine Hand auf dem Knauf seines Schwertes, es gab ihm Halt. Seine braunen, gesprenkelten Augen suchten den Boden nach Spuren ab, doch dort war nichts, kein einziger Fußabdruck. Auch die Kleider, die für Desith bereit lagen, waren unangerührt, und er wäre wohl kaum nackt durch das Lager gelaufen und dann zurückgekehrt. Verwirrt ging Vynsu die Zeltwände ab, doch auch diese wiesen keinerlei Ausbruchsspuren auf. Niemand war herein, noch herausgekommen. Unmöglich.

      Er fuhr sich über den violetten Schopf, seine Seiten waren frisch rasiert, seine Mutter hatte sich dessen angenommen.

      »Ich werde noch verrückt«, murmelte er. Vielleicht hatte er geschlafwandelt. Trotzdem ließ ihn das drängende Gefühl nicht los, dass er sich nicht getäuscht hatte. Unbehagen legte sich um seinen Magen wie ein Eisenband, und zog sich langsam zu.

      Er kratzte sich an der Schläfe und drehte sich wieder zu Desith um. Er legte den Kopf schief und betrachtete dessen schlanken Rücken mit schmalen Augen. Von hinten hatte er fast ein wenig Ähnlichkeit mit Lohna. Aber nur fast.

      Leise trat er näher an das Bett heran und beugte sich über den schlafenden Wildfang, der selbst so still und friedlich irgendwie nach Ärger aussah. Es gab Männer, die betrachtete man nur ein einziges Mal und man wusste von vorne herein, dass sie einen ruhelosen, feurigen Charakter besaßen. Das war wie bei Pferden. Vynsu konnte einen Hengst bereits einschätzen, wenn er ihn nur in der Ferne auf der Weide grasen sah. Genauso erging es im mit Desith. Von Anfang an, als sie nur Jungen gewesen waren, hatte er gewusst, dass Desith sich nicht einfach ein Halfter anlegen lassen würde, zumindest nicht, wenn er es nicht höchstpersönlich zu seinem eigenen Vergnügen verlangte.

      Und irgendwie ließ ihn das Gefühl nicht los, dass Desith ihm selbst im Schlaf an der Nase herum führte.

      »Nicht mit mir«, sagte er zu dem Schlafendem, leise und grollend. »Hörst du, Desith? Du wirst dich schön brav benehmen, sonst Gnaden dir deine verbannten Götter.«

      Plötzlich riss Desith die Augen auf und schnappte nach Luft. Vynsu war zu überrascht, um rechtzeitig zurückzuzucken, da hatte Desith ihn bereits mit erstaunlich kräftigen Fingern am Revers seines Hemdes gepackt und mit einem Ruck zu sich herab gezerrt.

      »Dämonen!«, raunte er unheilvoll.

      Vynsu runzelte die Stirn. »Was?« Er glaubte, dass Desith noch träumte, dass er die Wirklichkeit nicht erkannte, und legte beruhigend seine Hände um dessen kalte Finger, damit er sie sanft lösen konnte.

      Aber Desith hatte sich wie ein Adler in seine Beute festgekrallt. »Dämonen«, wiederholte er und seine frostblauen Augen wurden erschreckend klar, er blinzelte. »Im Dschungel, Vynsu! Da waren Dämonen. Dämonen!«

      Die Falten auf Vynsus Stirn wurden tiefer. »Du träumst.« Unmöglich, es gab keine Dämonen mehr, die unter den Sterblichen wandelten. Sie waren vor fast drei Jahrzenten vernichtet und verbannt worden, ebenso wie die Götter.

      »Nein!«, spuckte Desith ihm entgegen, zog sich an Vynsu hoch, bis sich fast ihre Nasen berührten. In seinem Blick konnte Vynsu Furcht, aber keinen Wahnsinn entdecken. »Sie waren da, bevor du kamst. Sie … sie waren wirklich da. Gestalten in Umhängen, unter denen keine Gesichter lagen. Und sie wollten in meinem Kopf lesen. Sie … sie…« Ein Gedanke blitzte regelrecht in seinen Augen auf, als erinnerte er sich plötzlich an etwas, dass ihn noch mehr in Furcht versetzte. »Sie … verdammt, ich … Ich weiß nicht, was sie wollten. Aber ich schwöre dir bei der Liebe meiner Mutter, ich konnte spüren, dass die Finsternis an ihnen klebte, wie der Geruch von Scheiße! Und sie hatten Bänder an den Armen.« Er ließ Vynsu mit einer Hand los, um aufgeregt auf die entsprechende Stelle seines Oberarms zu deuten, auffordernd sah er Vynsu ins Gesicht. »Purpurne Bänder, als wären sie … eine Art … Kult oder so. Sie waren echt, Vynsu! Du musst mir glauben, sie haben mich aus dem Wasser gezogen! Ich weiß, dass sie echt waren, ich… ich … ihr müsst sie suchen, sie wollten etwas von mir, ihr müsst sie finden. Schwarze Umhänge, Vynsu, und Bänder an den…«

      »In Ordnung«, Vynsu versuchte, ruhig auf ihn einzureden. »Aber sie sind jetzt nicht mehr hier und sie werden dich hier auch nicht finden, Desith. Das verspreche ich dir. Wir halten Ausschau, aber wir sind nicht mehr in Zadest.« Er legte seine großen Hände vorsichtig um Desiths Schultern und versuchte, ihn in die Felle zu drücken. »Sie sind weit weg. Jetzt schlaf noch etwas.«

      Desith sah ihn nicht überzeugt an, seine Lippen bebten. »Aber… aber ich habe … sie waren…«


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