Geliebtes Carapuhr. Billy Remie
dich wieder selbst wehren kannst.«
Desiths Blick huschte zwischen Vynsus Augen hin und her, forschten fiebrig in ihm. »Ich … ich…«
»Kein Dämon legt sich mit meiner Mutter an, in Ordnung?«
Das schien ihn etwas zu beruhigen, er gab seine Gegenwehr zumindest auf und sank auf das Lager, doch noch immer betrachtete er Vynsu mit aufmerksamen Augen, unter denen tiefe Ringe lagen, die im Kerzenschein beinahe bläulich schimmerten. Sein Gesicht war bis auf eine erhitzte Wangenröte noch immer beunruhigend blass.
»Du bist müde, du musst noch schlafen«, sagte Vynsu und zog die Felle über Desith schwitzenden, fiebrigen Leib. »Ruh dich aus, du bist nicht mehr im Dschungel. Keine Dämonen lauern hier, keine Drachen. Nur du und dein Fieber, das ist alles, wogegen du gerade kämpfen musst. In Ordnung?«
Desith starrte ihn an. »Ich fürchte mich nicht…«
»Nein, natürlich nicht. Warum auch.«
Desith betrachtete ihn, als überlegte er, ob Vynsu sich über ihn lustig machte. »Ich … ich glaube, mein Degen zerbrach an … an Ricks Panzer.« Als Derricks Name fiel, senkte Desith den Blick und seine Stimme wurde zu einem Flüstern, als schämte er sich für etwas.
Vielleicht dafür, dass er versucht hatte, Derrick zu verletzen. Dabei konnte Vynsu ihn verstehen, Liebe hin oder her, wenn ihn ein Drache angegriffen hätte, hätte er sich auch gewehrt.
Wobei er immer noch nicht richtig verstanden hatte, wie aus Derrick ein Blutdrache hatte werden können, aber das war eine andere Geschichte, die jetzt nicht von Belang war.
Vynsu nickte Desith zu und versprach: »Du bekommst eine neue Waffe. Solange bin ich dein Schwert.«
Auch das schien Desith zu beruhigen, seine Lider flatterten schläfrig.
»Schlaf jetzt weiter«, trug Vynsu ihm auf. »Wenn du wieder aufstehen kannst, gehen wir heim.«
Ein letztes Mal zwang Desith die Augen auf und betrachtete Vynsu mit einer beinahe beängstigenden Eindringlichkeit. »Versprichst du es mir?«, verlangte er rau. »Du bringst mich nach Hause, ja? Du hast es am Fluss gesagt, Vynsu, als du mich fandest. Du bringst mich heim. Versprich es mir!«
Vynsu zögerte, aber als Desith ihn weiter anstarrte, obwohl ihm die Müdigkeit sichtlich zusetzte, rang er sich ein Lächeln ab und legte ihm beruhigend eine Hand auf die nackte Brust, wo sich feuerroter Flaum ausgebreitet hatte. »Ja«, seufzte er schwer, »versprochen, Desith. Ich bringe dich heim.«
Kapitel 6
»Seine wundersam schnelle Heilung macht ihnen Angst und führt zu allerlei abergläubischen Gerüchten«, sagte Bragi und streckte seine langen Beine über den Tisch aus, während er sich gleichzeitig einen Streifen gebackenes Fleisch zwischen die Kiefer schob. »Deshalb meiden die Mägde und Knechte sein Zelt«, schmatzte er mit vollem Mund weiter.
Vynsu lehnte auf der gefurchten Platte der langen Tafel und starrte grübelnd vor sich hin. Er hatte seine Freunde gefragt, was es damit auf sich hatte, dass Desith gemieden wurde wie ein Pestkranker.
Jori setzte sich mit einem vollen Krug Met neben Bragi, und Vynsu gegenüber, die Bank knarzte unter seinem Gewicht, dabei war er nicht beleibt, die Möbel waren schlicht morsch.
»Man munkelt allerlei über böse Geister im Dschungel, die von dem kleinen Kaisersöhnchen besitzergriffen hätten und ihn heilen. Dass er gar nicht mehr der Prinz Elkanasais ist, sondern ein schauriges Gruselmonster, das auf sie übergehen könnte, wenn sie ihm nur in die Augen sehen«, erklärte er Vynsu und griff ebenfalls zu dem Teller mit dem Fleisch, das ihnen zum Frühstück serviert worden war. Das Zelt war an jenem regnerischen Morgen wenig besucht, es war auch noch früh und bis auf die Knechte und Küchenmägde, die ihrem Tagwerk nachgehen mussten, war noch kaum jemand auf. Regenwaldtypisches Tröpfeln war auf dem Zeltdach zu vernehmen, in der Ferne grollte der Donner über die Reisfelder.
Für Vynsu hieß es, dass er Essen und eine Stunde schlafen konnte, solange sich seine Mutter um Desiths Wehwehchen kümmerte.
Nachdenklich griff auch er zum Fleisch, es war noch heiß und er hätte es beinahe fallen lassen. »Wir sollten etwas wegen dieser Gerüchte unternehmen.«
»Aber seltsam ist es schon, oder?« Bragi nahm die Stiefel vom Tisch, als Jori ihm dagegen schlug, setzte sich auf und griff nach Joris Becher. Jori wollte protestieren, da sprach Bragi unbeirrt weiter. »Ich liege mit weniger Verletzungen ganze Mondzyklen lang ans Lager gebunden flach. Wir fanden ihn halb tot, vergiftet, verbrannt, aufgeschlitzt und mit zermalmten Knochen, die Wunde an seinem Kopf so groß, dass ihm fast die Masse rausgekommen wäre!«
Er übertrieb wie immer, aber Vynsu musste zugestehen, dass Desiths Verletzungen beunruhigend schwerwiegend gewesen waren, aber wie durch ein Wunder so schnell heilten wie Mückenstiche. Vor nicht ganz einem Mondzyklus hatten sie ihn erst gefunden, mehr tot als lebendig.
»Du bist ja auch zur Hälfte ein verdammtes Spitzohr!« Jori riss Bragi den Krug wieder aus der Hand, während dieser gerade zum Trinken ansetzen wollte. »Dir fehlt unsere dicke Haut.«
Vynsus Augen zuckten zu Bragis angespitzten Ohren, die unter seinem bronzenen Haar herausstachen, doch er musste dem jungen Dieb Recht geben. »Trotzdem ist Desiths Heilung ein verdammtes Wunder, auch wir dickhäutigen Barbaren würden zu diesem Zeitpunkt noch um unser Leben ringen, während er fast nur noch Schrammen aufweist. Es ist, als ob sein Körper von innen heraus heilt, während er schläft. Als ob da etwas in ihm wäre, das ihn nicht sterben lassen will.«
»Also wie ein böser Geist, der ihn als Wirt benutzt«, mutmaßte Vala, als sie ein strammes Bein über die Bank schwang und sich neben Vynsu setzte. Das Leder ihrer Hose knirschte protestierend.
»Mehr wie … fremde Magie«, betonte Vynsu. Sie schwiegen alle daraufhin, Jori und Vala starrten ihre Hände an, Bragi nahm noch einen Streifen Fleisch und schmatzte Jori ins Ohr, während er nachdenklich in das Zeltinnere starrte. Sie alle kannten die Geschichte, auch wenn sie nicht dort gewesen waren. Als vor Jahren ein fremdmagisches Portal im Dschungel geschlossen werden musste, waren Desith und Derrick Teil der Gruppe, die das Portal gebannt hatten. Vynsu wusste nicht, was dort unten in den Ruinen des Turms von Zadest geschehen war, aber vielleicht war es ja zum Teil Grund dafür, dass Desith … heilte.
Er seufzte, denn alle Überlegungen waren müßig, sie führten zu nichts, außer zu Kopfzerbrechen. »Nichtsdestotrotz sollte der Pöbel keine Gruselgeschichten über Kaiser Eagles Sohn verbreiten. Wenn es nach dem Großkönig geht, wird Derrick nämlich sein Erbe – und somit wird Desith unser zukünftiger Prinzgemahl.«
Bragi schnaubte. »Das letzte Mal, als wir den Namen Derrick auch nur erwähnten, ist der kleine Pisser mir fast an die Gurgel. Ich wage zu bezweifeln, dass er sich verheiraten lässt.«
»Hat er eine Wahl?«, gab Vala zu bedenken.
Darauf wusste wieder niemand eine Antwort und sie verfielen erneut in Schweigen.
Rurik, ein Berg von einem Mann, kam mit seiner stets grimmigen Miene herein und setzte sich zu ihnen an den Tisch. Stroh hatte sich in seinem matschbraunen, verfilzten Haar verfangen, Krümel klebten in seinem Bart und er stank wie üblich nach Pferdefell. Vala, die große, schlanke Kriegerin kämmte ihr blondes, schulterlanges Haar aus der Stirn und beugte sich dann vor, um für Rurik einen Becher Met einzuschenken, den sie ihm über den Tisch zuschob. »Kaiser Eagle ist doch der Sohn von König Wexmell aus Nohva – einem Luzianer«, sagte sie nachdenklich und zuckte mit den Schultern, wobei ihr Kettenhemd rasselte. »Vielleicht hat das luzianische Erbe eine Generation übersprungen und schlägt bei Desith zu.«
Rurik zog den Teller mit dem duftenden Fleisch unter seine Nase, und alle begafften ihn neidisch, als er sich ihr Frühstück wie ein hungriger Bär einverleibte. »Weiß ja nicht, was ihr besprecht, aber soweit ich weiß, saufen Luzianer Blut, und wenn mir jetzt einer von euch erzählt, dass der beißwütigen Pestbeule über Nacht Fänge gewachsen sind, lass ich ihm einen Maulkorb schmieden.«
Vynsu