Geliebtes Carapuhr. Billy Remie
würde er es einfach so zulassen, dass irgendjemand außer er selbst über sein Leben bestimmte. Weder hatte er damals seinem Vater gehorcht, als dieser ihm den Umgang mit Derrick hatte verbieten wollen, noch würde er an diesem Tage sang und klanglos akzeptieren, dass der Großkönig ihn mit Derrick vermählte. Liebe hin oder her, selbst auf die Furcht geschissen, es ging rein ums Prinzip. Er war keine Maid, die von den hohen Herren verschachert werden konnte wie ihnen beliebte, und selbst für eine Frau wäre es eine unsagbare Schande, würde sie dieses Schicksal demütig antreten.
Nicht mit ihm! Er würde sich nicht befehlen lassen, eine Ehe einzugehen, die er nicht aus freien Stücken selbst treffen wollte. Er war keiner dieser naiven, kleinen Geschöpfe, die sich nicht wehren konnten. Es blieb ihm immer eine Wahl, jeder Mann und jede Frau hatten in dieser Position eine Wahl. Treueeide, Pflichten und Gehorsam zum Trotz. Desith war ein freier Mensch, er würde sich nicht zu einem Sklaven machen lassen. Oder zu einem treuen, kleinen Hausfrauchen. Niemals würde er einem anderen Menschen gehören. Niemals.
Und er hatte bereits bewiesen, dass er den Tod einem Käfig vorzog.
Aber dieses Mal würde er nicht allein gehen. Wenn sie ihn zwingen wollten, sollten sie kommen und es versuchen, es würde Blut vergossen werden, wenn sie es darauf ankommen lassen wollten.
Und das wollten sie.
Er erspähte am Ende einer langen Zeltreihe einen Ausgang in der hocherbauten Palisade, direkt neben den Gattern, in die die Pferde gepfercht waren. Ein junger, knackiger Knecht führte zwei wild tänzelnde wunderschöne Hengste am Ausgang vorbei und hatte einige Mühe, die kräftigen Tiere zu bändigen.
Desith ging schnurstracks darauf zu. Sein Blick fixierte die Reisfelder, die im warmen Wind Elkanasais wogten, als winkten sie ihn in die Freiheit. Er wurde immer schneller, sah nur diese Lücke zwischen den spitzgefeilten Baumstämmen, war wie ein Fohlen, das auf ein offenes Gatter zustürmte…
»Na-na!« Ein riesiger Schatten stellte sich ihm in den Weg. Langes Haar, vernarbtes Gesicht, als hätte diese Schweinsfratze einen Klingenhieb mit der Fresse abgefangen. Fettiges, langes Haar in der Farbe von Mohnblumen. »Wo wollt Ihr denn hin, Kaisersöhnchen? Glaub nicht, dass Ihr so einsam hier herumstreifen solltet.« Er zwinkerte widerwärtig. »Nicht ohne ein hübsches Halsbändchen mit einem Glöckchen daran.«
Desith blieb mit gebleckten Zähnen stehen, er brauchte nichts zu sagen, er konnte mit den Augen kontern.
Der Barbar lachte, ein Strohhalm steckte zwischen seinen abgebrochenen Zähnen. Er nahm ihn gelassen raus, während er sich o-beinig wie eine Mauer vor ihm aufbaute, und spuckte auf den Boden. Der Wind strich durch das graue Fell seines kurzen Umhangs, das seine Schultern bedeckte, einen Harnisch trug er nicht, auch kein Hemd, seine behaarte Brust war nackt und überzogen von frischen Kratzern, die dank der dicken Beschaffenheit seiner Haut nur oberflächlich schienen.
»Lasst mich sofort vorbei«, drohte Desith ihm. Das Leder der Scheiden, die er in der Hand hielt, knirschte, als sich sein Griff verstärkte.
Er hätte wissen müssen, dass Melecay nicht nur Vynsu beauftragt hatte, ihn zu bewachen. Vermutlich war dem ganzen Lager eingebläut worden, dass Desith die Palisaden nicht durchschreiten durfte. Er war ein Gefangener. Ein hochrangiger Gefangener, aber dennoch ein Gefangener.
Das würde ihn nicht aufhalten. Und wenn sich das gesamte Lager zwischen ihm und seine Freiheit stellte, es würde ihn nicht aufhalten!
»Geht Beiseite«, betonte Desith ein letztes Mal, »oder bereut es.«
Der Barbar steckte sich lachend wieder den Strohhalm zwischen die Zähne. Im Augenwinkel sah Desith, wie zwischen den Zelten weitere große Schatten heraustraten, die ihn langsam einkesselten. Sie waren nicht auf der Hut, sie waren entspannt, fast gelangweilt. Wie eine Gruppe Wölfe, die ein verletztes Rehkitz einkreiste.
Desith bewegte sich nicht, bis auf die Augen, die die Bewegungen der Angreifer beobachteten. Schweinsfratze zog mit einem amüsierten Grinsen sein Schwert aus der Scheide. Es war ein kurzes Sax. Auch die anderen zogen ihre Schwerter, Metall sang in der Luft das Lied des Todes.
Desith blickte den Barbaren vor sich wieder an. »Ich habe Euch gewarnt.« Er hob Vynsus Waffen auf Nasenspitzenhöhe und zog sowohl Schwert als auch den Dolch demonstrativ mit einem kräftigen Ruck aus ihren Hüllen, die Lederscheiden warf er Beiseite. »Dann lasst uns tanzen.« Er nahm den Dolch in die linke, und das Breitschwert in die rechte Hand. Das Gewicht der Waffen fühlte sich gut und vertraut an.
Der Barbar grinste schmutzig. »Ergebt Euch einfach friedlich, Kleiner, dann müssen meine Brüder und ich Euch nicht wehtun.«
Desith knurrte: »Niemand wagt es, mich Kleiner zu nennen.« Er machte einen blitzschnellen Satz nach vorne und begann einen blutigen Klingentanz.
Kapitel 14
Vynsu drängte sich mühsam durch den Strom der Schaulustigen, der sich rund um den Kampf versammelte und somit eine natürliche Arena schloss. Wolken zogen sich mal wieder über den Reisfeldern zusammen, Blitze durchzuckten sie und Donner grollte unheilvoll. Es fing wieder an zu regnen, dicke, warme Tropfen prasselten auf die Zelte und den Boden nieder. Das hinderte die Leute nicht daran, zu gaffen.
Vynsus Freunde standen hinter den Reihen und verfolgten das Geschehen mit gerunzelten, kritischen Mienen. Die Menge hielt erschrocken den Atem an.
Das war ungewöhnlich für Carapuhrianer, immerhin bestand ihr ganzes Leben aus Kämpfen, und wann immer jemand zu einer Waffe griff oder auch nur die Faust erhob, wurde Jubel laut. Vynsu fragte sich, warum keine freudige Stimmung herrschte, warum niemand grölte, niemand angefeuert wurde und warum niemand Wetten abschloss. Die Menge war wie gelähmt, zu sprachlos, um ihm auch nur Platz zu machen, er musste sich durch die eng stehenden Menschen nach vorne drängen, schob sie mit seiner überragenden Masse ungewollt zur Seite. Sie beachteten ihn gar nicht.
Je näher er den Kampfgeräuschen von Metall, das auf Metall schlug, dem Zischen und Grunzen kam, je besser konnte er die Köpfe der Menge überblicken. Und was er sah, ließ auch ihn die Stirn runzeln.
Er wurde langsamer, stockte aber nicht. Mit Melecays schwerem Zweihänder in der Hand trat er aus der ersten Reihe und betrachtete das Schlachtfeld.
Nichts anderes war das, was Desith angerichtet hatte.
Er kämpfte allein gegen vier Barbaren, es standen aber nur noch drei. Der erste lag bereits auf dem Boden, Regen spülte das Blut aus seinen Schnittwunden und färbte es rosa. Er zog sich mit einem Ellenbogen über den aufgeweichten Boden und hielt sich eine aufklaffende Wunde in der Seite. Kameraden eilten zu ihm und zerrten ihn wie einen nassen Sack in Sicherheit. Der Barbar war zugerichtet wie nach einem Pumaangriff.
Vynsu blickte wieder zu Desith, sein Mund stand vor Unglauben leicht offen. Der Wildfang machte seinem Ruf alle Ehre, kämpfte wie besessen. Er war schnell, zu schnell. Zu dritt setzten sie ihm zu, aber er tänzelte geschickt durch die Reihen als würde er gar nicht darüber nachdenken.
Vynsus Stirnfalten wurden noch tiefer, er beobachtete den Kampf einen Moment länger, versuchte, Desith einzuschätzen. Sie hatten früher schon Duelle gegen einander ausgefochten, Vynsu kannte Desiths Geschick und Wendigkeit. Aber alles, was er in Erinnerung behalten hatte, schien sich über die Jahre im Dschungel ausgeweitet zu haben. Desith war viel schneller und leichtfüßiger, als er einem normalen Menschen zugetraut hätte.
Er kämpfte verbissen, aber nicht dumm vor Wut. Er schien die Bewegungen seiner Feinde zu spüren, er schlängelte sich geschickt durch die Schwerthiebe, tänzelte um die Männer herum, fand in jeder Deckung eine Schwachstelle und stach zu. Er ließ sich Zeit, er nutzte ihre Wut, ihre Unsicherheit, beobachtete sie genau, schien Augen im Hinterkopf zu haben und vorhersehen zu können.
Er lachte dabei hämisch, voll Schadenfreude, wann immer seine Klinge auf Fleisch traf. Er hatte sichtlich Freude, war wie im Wahn. Genau wie … wie in der Nacht zuvor.
Das Schwert nutzte er wie einen Schild, blockte und parierte mit der breiten, kurzen Klinge. Der Dolch war seine