Geliebtes Carapuhr. Billy Remie
Wunde am Arm, sein weißes Hemd hing in nassen, blutigen Fetzen an ihm, doch das schien seinen Kampfgeist nicht zu beeinträchtigen. Es war fast schön, wie er kämpfte. Er war schön. Sein feuchtes Haar klebte in seinem vor Zorn hartem Gesicht, die feurigen Strähnen dunkel vor Nässe. Die eisigen Augen waren wild und kalt, er konnte sich biegen, wenden und verdrehen wie eine anmutige Schlange. Sein drahtiger Körper wurde vom Kampf zur Schau getragen. Seine Wunden und das Blut, das seinen Körper zierte, waren wie seine ganz eigene, makabre, aber wunderschöne Art von Schmuck.
Die Männer, die ihn angriffen, sahen weitaus schlimmer aus. Und es dauerte nicht lange, bis Desith den zweiten Barbaren kampfunfähig zu Boden schickte, indem er an ihm vorbei tänzelte und dabei so blitzschnell mit dem Dolch zustach, dass Vynsu zunächst glaubte, die Klinge habe den Hals des Barbaren verfehlt. Doch dieser versteinerte plötzlich, griff sich an die Halsseite und sackte dann auf die Knie, Blut floss über seine Lippen, dick wie ein flüssiger Vorhang, und er fiel mit dem Gesicht voran in den mittlerweile vom Regen aufgeweichten Boden. Ihm war nicht mehr zu helfen. Desith hatte so schnell zugestochen, wie es eine Wespe getan hätte.
Die verblieben zwei Krieger sahen ihren Kameraden ungläubig im Matsch liegen, Desith drehte sich elegant und hochnäsig zu ihnen um. Blut und Regen färbte den Matsch zu seinen Füßen rosa.
»Ihr wollt Barbaren sein?« Er wischte sich mit dem Unterarm über den Mund und lachte ihnen hämisch ins Gesicht. »Dies ist der große Kampfgeist Carapuhrs? Ein Haufen nichtsnutziger, stinkender Klopse aus weichem Fleisch, die nur hacken, aber nicht tanzen können? Ist das alles, was Carapuhr zu bieten hat? Ist das wirklich alles?« Letzteres brüllte er so herausfordernd, dass jedem umstehenden Barbaren das Herz vor Wut raste. »Kommt doch her!«, rief er und breitete die Arme aus, präsentierte seine ungeschützte Brust. »Kommt und stellt euch dem bösen Geist, der in eure Mitte getreten ist! Wer vermag es, mich aufzuhalten? Wer? Kommt her und stellt euch mir! Ich lehre euch das Fürchten!«
Raunen ging durch die Menge, Vynsu wusste, dass er das beenden musste, bevor Desith den Aberglauben nutzte, um frei zu kommen.
Desith musterte seine Feinde angewidert. »Ihr seid eine Schande für euer Land und euren König. Bringt mir wen, der weiß, wie man kämpft, oder teilt das Schicksal eures Bruders.« Er zeigte mit dem Dolch auf die Leiche.
Die beiden Krieger zeigten die Zähne, hoben drohend ihre Schwerter, bewegten sich aber nicht vom Fleck.
»Genug!« Vynsu erhob das Wort, bevor der Kampf erneut entfachte. Überraschung schlug ihm entgegen, erst jetzt bemerkte die Menge seine Anwesenheit.
Er machte einige Schritte in den Kreis, der sich zwischen den Zelten auf der breiten Gasse gebildet hatte, der Regen floss über sein Gesicht, ebenso wie über Desiths, der ihm nur feindselig entgegensah.
Das Schwert gesenkt, besah Vynsu das Schlachtfeld, das Blut, die rosafarbenen Pfützen, die Leiche…
Er atmete schwer aus und blickte in Desiths nasses, wütendes Gesicht, während er mit einer Hand die anderen beiden Barbaren fortschickte. Die beiden Krieger zogen nur zu gern von Dannen.
Desiths schwerer Atem übertönte sogar den Regen, seine Fäuste lagen so fest um seine Waffen, dass die Knöchel weiß hervortraten. Die Nasenflügel bebten, während die eisblauen Augen Vynsu taxierten, ihn verfolgten, als er um die Leiche herum ging und sich vor Desith stellte.
»Es reicht jetzt«, sagte er betont ruhig, jedoch so endgültig, dass sich sogar einige Umstehende anschickten, sich zu entfernen. In ihren Köpfen war er noch der Prinz, sein Wort hatte Gewicht in dieser Welt aus Chaos und Blut, wo jeder jeden zu jeder Zeit herausfordern durfte.
Doch Desith nahm das nicht hin. »Es reicht erst dann, wenn du mir aus dem Weg gehst«, sagte er. Und als wollte seine Heimat seinen Entschluss untermahlen, grollte der Donner bedrohlich über ihren Köpfen in den dunklen Wolken.
Der Regen prasselte überlaut auf sie nieder, man konnte förmlich hören, wie nass er war.
Vynsu blickte flüchtig gen Himmel, dann sah er Desith wieder an und hielt Melecays Schwert demonstrativ gesenkt. »Leg die Waffen nieder, Desith, bevor es zu spät ist.«
Desith lächelte kalt, gefühllos. Seine Augen senkten sich auf die Leiche, die neben ihnen lag und den Boden mit ihrem Blut tränkte. Es ist bereits zu spät, wollte er sagen und erfreute sich daran. Langsam glitten seine Augen zurück zu Vynsu – und blitzschnell ging er in Angriffsstellung. Die Knie gebeugt, den Oberkörper leicht eingedreht, die Arme eingeknickt und erhoben wie ein Insekt mit zwei Stacheln.
Vynsu schüttelte den Kopf, er rührte sich nicht, wollte sich nicht provozieren lassen. Er spürte die unverständlichen Blicke seines Volkes auf sich ruhen, und die neugierigen Augen seiner Freunde, aber er ließ sich davon nicht beeinflussen. Mit Ruhe gewann man das Vertrauen eines verängstigten Wolfes, der verletzt in die Enge getrieben worden war. Hitzköpfigkeit hatte Vynsu in seinem Leben nur immer wieder in Schwierigkeiten gebracht.
»Leg die Waffen nieder«, versuchte er es noch ein weiteres Mal bedächtig, »ich will dir nicht wehtun.«
Desiths wutverzerrtes Gesicht blieb unverändert. »Ich hielt dich nicht für feige!«
»Und ich dich nicht für dumm.« Er starrte ihm fest in die Augen, machte deutlich, dass er sich nicht fürchtete, sondern schlicht und ergreifend vernünftig war. »Du hast keine Wahl, Desith.«
»Versuch doch, mich aufzuhalten«, raunte er und griff mit einem schnellen vorwärts Satz an.
Vynsu wich instinktiv nach hinten aus, als die Schwertspitze auf sein Gesicht zukam. Desith hackte nicht, er stach zu. Drei Mal oben, Vynsu zuckte nach links und rechts, spürte einen schmerzvollen Riss, als die Klinge seine Wange streifte. Doch das war nur ein Ablenkungsmanöver, wie er beinahe zu spät bemerken durfte, Desith vollführte eine geschickte Drehung und hieb mit dem Dolch nach Vynsus Bauch.
Geistesgegenwärtig schlug er mit Melecays schwerer Klinge gegen den Dolch und blockte den Schlag ab. Eisen klirrte, der Klang zerschnitt das Prasseln des Regens. Desith ließ ihm keine Gelegenheit, zurückzuweichen, er setzte nach, hieb und stach auf ihn ein, dass Vynsu nur noch reagieren konnte.
Er wehrte die blitzschnellen Angriffe nur ab, wollte nicht kämpfen, außerdem blieb ihm zunächst auch nichts anderes übrig. Desith war zu schnell, ließ ihm nicht genug Zeit, um einen Konter zu vollführen. Eisen schlug in schneller Abfolge auf Eisen.
Vynsu wich zurück, parierte, drehte und wendete sich durch die schnellen, wütenden Angriffe, die wie der Regen auf ihn niederschlugen. Desith war ein Meister der Täuschung, er deutete gerne Schläge an und stach dann wie aus dem Nichts von einer anderen Seite zu. Das Problem war, dass Desith von Derrick trainiert worden war, er kannte die Kampftechnik der Barbaren in- und auswendig, während Vynsu nicht mit den schnellen Schritten des Fechtens vertraut war, in denen Desith in Elkanasai unterrichtet worden war.
Vynsu versuchte, seine Verteidigung zu ändern. Statt zurückzuweichen, drehte er sich einem Stich aus dem Weg, schlug nach Desiths Beinen, duckte sich unter dem auf Brusthöhe geschwungenen Schwert hindurch, parierte den nächsten Schlag und packte mit der anderen Hand Desiths Arm, mit dem er den Dolch führte, bevor ihm die Klinge in den Bauch gerammt wurde, dann zog er ihn mit einem Ruck an seine Brust.
Sie grunzten beide, starrten sich wütend in die Augen. Erst da bemerkte Vynsu, dass ihn frische Schnitte an Beinen, Armen und Hals brannten, wo Desiths Klingen ihn gestreift hatten. Er wurde wütend und spürte, wie sich daraufhin seine Lippe auf einer Seite nach oben zog, wie ein Hund, der die Lefze hochzog.
Die Zuschauer hatten sie längst vergessen, es gab nur sie beide.
Desith fing an zu knurren, er trat ihm vor das Bein, sodass Vynsu vor Schmerz zurücktaumelte. Der Wildfang zog ihm den Dolch über die Brust und wirbelte an ihm vorbei. Vynsu zischte und sah an sich hinab, tippte einen Finger in die Wunde spürte den Zorn in sich aufwallen.
»Was bist du nur für ein Mann!«, sagte Desith anklagend als er ihn wie ein Raubtier umrundete. »Lässt zu, dass man dir Frau und deine Krone nimmt, läufst weg und besäufst dich, jaulst wie ein großer, weinerlicher