Das Mädchen mit dem Flammenhaar. Janet Borgward

Das Mädchen mit dem Flammenhaar - Janet Borgward


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mich diese verdammte Kapsel bereits an dich bindet?“ „Weil ich ein besitzergreifender Wilder bin?“ Ich holte aus und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Verwundert rieb er sich die daraufhin rotglühende Wange. Drohend richtete ich den Zeigefinger meiner Schusshand auf ihn. „Aber du wirst niemals meine Gefühle kontrollieren, du Schuft!“ Mit äußerster Vorsicht schob er die Hand beiseite, um sich aus der Schusslinie zu bringen. Meine Lippen begannen zu beben. „Und hör auf, in meinen Gedanken herumzuspuken! Auch ohne deine dämlichen Hilfsmittel komme ich nicht von dir los, weißt du das denn nicht?“ Ich brach in Tränen aus, bis mir Kopfschmerzen den Schädel zu spalten drohten. „Scht, scht, Montai.“ Er wog mich in seinen muskulösen Armen, obwohl mir der Rotz aus der Nase lief, den ich ungerührt an seinem Hemd abstreifte. „Es tut mir leid, Avery. Beruhige dich.“ Mit einem Ruck riss ich mich von ihm los. „Und versuche nie wieder eine schwangere Frau zu beruhigen, deren Hormone total verrücktspielen. Denn ich will mich aufregen!“ „Aha? Ja dann …“ „Ja, ich will deine Frau werden, verdammt! Und ich will gerne glauben, dass es wirklich mein Wunsch ist.“ „Ich danke dir, Montai.“ Er küsste meine immer noch bebenden Hände. „Aber ich will eine Heirat im engsten Kreis, für den Fall, dass du dir was Größeres ausgemalt hast.“ „Natürlich.“ Er nickte ergeben. Ein mühsam unterdrücktes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, bevor sich unsere Lippen trafen.

      Wahlkampf

      Skyler behielt Wort, was die Feierlichkeiten der Hochzeit betraf. Nur wenige Gäste nahmen an der Zeremonie mit anschließendem Festmahl teil. Orinon, der Dorfälteste Gullorways, vollzog unsere Trauung. Trotz des Freudentages bedrückte mich der Umstand, dass mein Vater nicht an unserer Tafel saß. Einst war er Gullorways Dorfältester und Berater. Doch sein Geständnis, dass ich einer Liaison mit einer dunklen Magierin entstammte, trieb einen unversöhnlichen Keil zwischen uns, der mit seinem Freitod ein unrühmliches Ende fand. Der unermessliche Schmerz darüber und die Schuld ihm nicht vergeben zu haben, wogen schwer in meinem Herzen.

      Jodee, die ein Gespür für Stimmungen im Allgemeinen und meine im Besonderen besaß, drückte mir aufmunternd die Hand. Dennoch blieben mir die letzten Worte meines Vaters im Gedächtnis haften, dass Skyler nicht gut für mich sei, wenn er auch diese im Zorn ausgesprochen hatte.

      „Du solltest an unserem besonderen Tag strahlen vor Glück, Montai“, raunte er mir ins Ohr und riss mich damit aus den trüben Gedanken. „Warum so nachdenklich? Bereust du es schon, meine Frau zu sein?“

      Zärtlich hauchte er einen Kuss auf meine eiskalten Fingerspitzen. Ertappt schlug ich die Augen nieder vor dem intensiven Grün, dass mir stets bis in die Tiefen meiner Seele zu schauen schien. Ich versuchte mich an einem Lächeln.

      „Stelle mir diese Frage in ein paar Jahren“, entgegnete ich selbstsicher.

      Er schwenkte ein Kristallglas in den Händen und sah mich dabei über den Rand hinweg an. In einer sinnlichen Geste führte Skyler das Glas an die Lippen, nahm einen kräftigen Schluck, wobei er mich nicht aus den Augen ließ. Geschickt platzierte er den Kelch auf das festliche Tischtuch zwischen den Rosenblüten, ohne auch nur eine von ihnen zu zerdrücken. Er beugte sich vor, strich sanft über die Stelle auf meinem Arm, auf der sich noch vor wenigen Tagen das Brandzeichen der Bowmen abzeichnete. Mit seiner Erlaubnis durfte Jodee das Mal entfernen – sein Hochzeitsgeschenk an mich. Die Wundränder verschwanden allmählich und mit ihnen die unsichtbaren Fesseln, die mich einst an die Bowmen banden. Stattdessen schmückte jetzt ein kunstvoll gefertigter Armreif meinen Oberarm, den Skyler beim besten Goldschmied Kandalars anfertigen ließ. Zwei ineinander verschlungene, geflügelte Schlangen aus Rotgold, deren Augen aus den Splittern des Mondsteins bestanden.

      „Man sagt, der Stein sei mit dem Mond verbunden.“ Seine Augen fixierten den Armreif. „Wie der Mond, so übt auch dieser Edelstein eine geheimnisvolle Faszination aus. Genau wie du, Mem-Leschar. Der Stein verstärkt, so winzig er auch sein mag, die Intuition seines Besitzers.“

      „Und was bedeuten die geflügelten Schlangen?“ Fasziniert betrachtete ich die feinziselierte Schmiedekunst.

      „Es heißt, dass die geflügelten Schlangen einst als Gottheiten der Nebelwälder von Sesslowarnes in den Kronen der Lebensbäume hausten. Sie beherrschten den Wind, die Luft und das Leben in den Wäldern.“

      In einer ausladenden Geste breitete er die Arme aus, schloss seine rechte Hand zur Faust und versiegelte sie mit der linken, öffnete sie wieder und hauchte mir galant eine Kusshand zu. Ich musste unwillkürlich schmunzeln über diese zauberhafte Geste. So romantisch kannte ich ihn gar nicht. Er zog mich in seine Arme und bedeckte mich mit leidenschaftlichen Küssen.

      „Also hoffst du darauf, dass ich den täglich wütenden Sturm Kandalars herabsetze?“, fragte ich leicht atemlos, mir peinlich bewusst, dass wir uns noch in Gesellschaft befanden. Skyler hingegen schien das Umfeld völlig auszublenden. Seine Hände wanderten über meinen Körper auf der Suche nach den verspielten Schnüren des keuschen Hochzeitskleides, um sie gekonnt zu öffnen, bis ein Räuspern ihn lächelnd innehalten ließ.

      „Wohl dem, der diese Gabe beherrscht“, erwiderte er mit einem Lächeln.

      „Die Schlangen symbolisieren eure ewige Liebe zueinander und das Leben, das daraus entstehen wird“, führte Jodee Skylers Auslegungen mit einem Augenzwinkern fort. Mit wedelnden Händen komplimentierte sie die wenigen Gäste aus dem Haus hinaus. „So, genug für heute. Wollen wir dem Paar die Gelegenheit geben, der Symbolik Rechnung zu tragen und die Ehe vor den Augen der Götter zu vollziehen, anstatt vor den unsrigen.“

      Lachend, mit deftigen Ratschlägen für die Hochzeitsnacht, verließen die Gäste unser Heim. Bis auf das Klappern der Fensterläden im Wind wurde es still im Raum.

      „Was siehst du mich so seltsam an?“, fragte ich, in Vorfreude auf unsere Hochzeitsnacht.

      Ungezügelte Gier lag in seinen Augen. „Ich habe noch nie mit einer verheirateten Frau geschlafen, stelle es mir aber sehr aufregend vor.“

      Dunkle Augenbrauen schossen in freudiger Erwartung nach oben. Er hob mich auf die Arme und trug mich ins Schlafgemach.

      „Dann will ich dafür sorgen, dass es dir gut im Gedächtnis haften bleibt und dich nicht dazu verleitet, es anderswo zu erkunden.“

      In der Nacht liebten wir uns, als gebe es kein Morgen. Die zerwühlten Laken des Bettes trugen nicht allein die Spuren unserer Leidenschaft. Verstohlen betrachtete ich Skylers vom Schlaf entspannte Gesichtszüge. Die mir zugewandte Schulter wies rote Kratzspuren auf, wo meine Finger sich im Zustand ungezügelter Ekstase in seine Schulterblätter hineingruben. Ich wollte ihn berühren, die Haut wieder unversehrt werden lassen, weil ich mich dafür schämte, ihm diese Male beigebracht zu haben.

      „Vergeude nicht deine Kräfte“, nuschelte er hinter einem feinen Vorhang aus Haaren, die beim Sprechen leicht zu flattern begannen. Mit einer fahrigen Geste schob er die störende Strähne hinters Ohr, fuhr mit der Zunge über die von unseren Küssen noch geschwollenen Lippen.

      „Hebe dir deine magischen Fähigkeiten für Sinnvolleres auf.“

      Er zog mich in seine Arme und seufzte zufrieden, als ich mich unter seiner Berührung wohlig zu winden begann.

      „Versprich mir, dass es immer so sein wird zwischen uns, wie in diesem Moment“, stieß ich atemlos hervor, als seine Lippen an meinem Rippenbogen entlangfuhren, wohlige Schauder hinterlassend.

      „Ich verspreche es dir, Montai. Bei den Göttern, dich gebe ich nicht mehr her.“

      Ich ertappte mich dabei, wie ich mich im Spiegel kritisch betrachtete, auf der Suche nach Veränderungen. Sah man es mir an, dass ich verheiratet war?

      Läge die Entscheidung bei mir, verließen wir das Bett nur, um gelegentlich etwas zu essen oder die Fensterläden zu öffnen, damit der Wind frische Luft in unsere Schlafkammer wehte. Aber es ging nicht nach meinem Willen. Stattdessen belagerten Skylers Berater schon seit dem Morgen die Küche, die sie kurzfristig zu einem Gemeindesaal umfunktionierten. Die Anzahl der Personen ließ mich kaum zu ihm durchdringen. Überall lagen Schriftstücke verteilt, mit Vermerken darauf. In hitzige Diskussionen verstrickt, legten die Männer Strategien für die bevorstehende Wahl des


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