Ein verhängnisvoller Wunsch. Sabine von der Wellen
wollte ihn wiedersehen, und vielleicht eine Nacht mit ihm verbringen … nur eine Nacht. Sie wollte ihren Traum einmal Wirklichkeit werden lassen. Mehr nicht.
Dieser Gedanke machte sie ganz schwindelig, weil er auch gleich einen anderen aufkeimen ließ. Vielleicht hätte das Schicksal sogar ein Einsehen und würde ihr wirklich aus nur einer Liebesnacht ein Kind schenken. Fast erschien es ihr so, als könne das nur eine Vorsehung sein, die schon seit immer in den Arsenalen der Welt geschrieben stand und nur auf die Erfüllung wartete. Daher die Träume von ihm. Das Schicksal hatte ihr diese Wegweiser geschickt.
Der Gedanke elektrisierte sie immer mehr.
Überwältigt setzte Isabel sich auf. In ihrem Kopf überschlug sich alles.
Ja natürlich. Wieso sollte sie auf ein Kind verzichten, bloß weil sich kein Hammel finden ließ, der es mit ihr großzog? Sie brauchte niemanden, außer einen Erzeuger. Und den hatte sie schon immer gehabt. Cedric! Er war es früher für sie gewesen und wahrscheinlich schon ihr Leben lang. Wenn er der Vater ihres Kindes werden würde, dann hätte sie alles, was sie sich je gewünscht hat. Dann hätte sie ein Kind - aus Liebe gezeugt und etwas, dass sie für immer mit jemanden verband, dem sie schon vor langer Zeit ihr Herz geschenkt hatte. Auf Ewig.
Isabel griff nach dem Kissen und zog es sich in die Arme. Langsam stand sie auf und schob sich an dem Tisch vorbei.
Außerdem würde sie ihn weiterhin in ihren Träumen haben und es würde darin endlich ein vielzugestaltendes Happy End geben. Und sie würde dieses eine Mal auskosten, es bis ins Unendliche genießen. Denn es würde das letzte Mal in ihrem Leben sein.
So ein hysterischer Quatsch. Du bist doch wohl nicht ganz bei Trost. Das macht der doch nie mit. Oder meinst du, du brauchst dich nur vor ihm zu räkeln und er reißt sich gleich die Klamotten vom Leib? Der wollte dich doch damals schon nicht!
Isabel drückte das Kissen fester an sich. Langsam begann sie sich tanzend zu drehen.
Das schaffe ich schon. Ich muss es irgendwie schaffen! Ich bin kein Kind mehr, dass darauf wartet, dass er den ersten Schritt macht. Ich werde es tun. Ich bin stark und weiß, was ich will.
Ja, das war eine Perspektive. Dies war ein Gedanke, den man ausbauen konnte. Das war ein unglaubliches Ziel für das neue Jahr.
Beschwingt durch diesen Gedanken, der einen aufregenden Gefühlsturm durch ihren Körper jagte, ging sie ins Schlafzimmer. Etwas in ihrem Inneren schien noch nicht daran glauben zu wollen, dass ihr etwas Derartiges gelingen konnte. Doch Isabel wollte daran glauben. Mehr als an alles andere. Es erfüllte ihr Herz mit Liebe und Zuversicht … und Spannung! Einer unbändigen Spannung und Unternehmungslust … und Lust auf das Leben.
„Dort in die Ecke stelle ich das kleine Bettchen oder vielleicht auch eine schöne Wiege mit Spitzenhimmel … und dort passt noch der Wickeltisch hin. Das wird so genial.“
Isabel drehte sich ein paar Mal um sich selbst und tanzte, das Kissen wiegend, durch den Raum. Vor dem großen Spiegel blieb sie stehen. Sie streckte den Bauch aus und strich sich darüber.
„Ich werde immer für dich da sein und die Jagd nach einem Mann fürs Leben wäre mit Cedric im Herzen für immer beendet. Genauso, wie er schon immer in meinen Träumen erschien, würde er auch weiterhin in mir bestand haben. Durch dich!“
Wieder tanzte sie durch den Raum zum Fenster.
Gerade, als sie nach dem Schalosienband greifen wollte, fiel ihr Blick auf das dunkle Fenster gegenüber. Die Glut einer Zigarette wurde sichtbar und verglomm im nächsten Moment wieder. Nur wie ein Schatten war eine Gestalt zu erkennen.
„Ach du Scheiße …“, entfuhr es ihr. „Dieser Spanner!“
Sie ließ schnell die Schalosie herunter und trat vom Fenster weg.
Ob der wohl auf eine Fortsetzung von neulich wartete? Der denkt bestimmt, dass sie öfters so etwas macht.
Sie spürte die Hitze auf ihren Wangen. Hoffentlich begegnet sie ihm nie auf der Straße. Sie würde vor Scham versinken.
Isabel sah wieder in den Spiegel und bemerkte die Röte auf ihren Wangen. Egal! Sie würde sich schon Ende des Jahres keine Sorgen mehr um Männer machen. Für sie gab es nur noch den einen, und sie sah ihn lachend auf sich zukommen, ihre Hand greifen und sie mit sich mitziehen und sie hörte sich fragen: „Cedric, was hast du vor?“
Seine braunen Augen blitzten auf und er flüsterte leise: „Dasselbe wie du.“
Isabels Gewissen murrte aufgebracht: Du bist doch vollkommen verrückt!
Ja! Und es ist so schön, verrückt zu sein.
Doch plötzlich erstarrte sie in ihren Bewegungen. Was ist, wenn Cedric bereits eine Frau hat? Sie hatte nie etwas davon gehört und er galt lange als Junggeselle. Aber das konnte sich durchaus inzwischen geändert haben.
Sie sah sich im Spiegel an und raunte, nun nicht mehr voller Glückseligkeit, sondern eher kampfbereit: „Das finde ich schon heraus.“ Aber etwas in ihr war sich sicher, dass das Schicksal ihren vorgesehenen Plan wieder aufgenommen hatte und es diesmal der richtige Weg war.
Mit diesem neuen Plan im Kopf bekam Isabels Leben einen neuen Aspekt, der sie mit Elan und Vorfreude den Januar überstehen ließ. Dazu hatte sie ihrer Schwester Karin sogar den längst fälligen Besuch abgestattet. Da die mit ihrer Familie in einem Nachbarort und ihre Schwiegereltern sogar im gleichen Ort wie Cedric lebten, hatte Isabel so gehofft an referenztaugliche Informationen zu gelangen. Aber Karin hatte anderes im Sinn. Sie klagte ihrer Schwester ihr Leid wegen ihrer Ehe, und dass Klaus sie betrogen hatte, wahrscheinlich sogar mehrmals, viel auf dubiose Geschäftsreisen fuhr und Karin mit allem allein ließ. Nur auf Umwegen und über einige Hindernisse hinweg konnte Isabel in Erfahrung bringen, dass das Gut der Schneiders immer noch von Cedric allein geführt wurde. Aber mehr wollte Karin über dieses für sie völlig unwichtige Thema nicht sprechen. Schließlich hatte für sie das, was auf dem Nachbarsgut aus Kindertagen stattfand, keinerlei Bedeutung. Sie erwähnte nur herablassend, dass Cedric immer noch der alte zu sein schien und keiner ihn wirklich mochte. Außerdem galt das Gut nicht gerade als Vorzeigeobjekt.
Isabel reichte das. Cedric war allein, höchstens noch unterstützt von seiner Mutter, die aber schon in einem biblischen Alter sein musste. Und die Vorstellung, dass Cedric immer noch sein Leben allein meisterte und von den Einheimischen immer noch abgestempelt wurde, machte sie traurig. Aber für sie hieß das auch, dass sie eine Chance haben würde, ihren Plan in die Tat umzusetzen.
Karin hatte auch zu Cedrics Geschwistern Till und Stefanie nichts gesagt. Sowieso war alles, was sie wollte, ihrer großen Schwester ihr Leid über ihren Ehemann zu klagen und Isabel wollte sich über ihn nicht äußern. Alles, was sie hätte sagen können wäre: „Meine liebe Schwester … nur zu deiner Information: Klaus schmiss sich schon immer auf Gedeih und Verderb an alles Weibliche heran. Ich weiß das, weil ich auch schon eine Nacht mit ihm verbracht habe, ohne ihn länger als drei Drings gekannt zu haben. Außerdem hat er mich damals angebaggert, als du mit Natalie schwanger warst. Aber ich dachte mir, ich erwähne das alles besser nicht …“
Nein, Isabel schwieg. Und raten konnte sie ihrer Schwester auch nichts. Karin hatte diesen Kerl nun mal geheiratet, Kinder mit ihm bekommen und ein Haus gekauft. Das hieß: Alles schlucken.
Isabel konnte und wollte ihr nicht helfen. Sie hatte genug mit sich selbst zu tun.
Mit der Gewissheit, dass Cedric immer noch Junggeselle war, reifte ihr Plan immer mehr heran. Einige Male war sie drauf und dran gewesen, den Weg in ihr altes Heimatdorf anzutreten, um ein wenig zu spionieren. Aber Isabel tat es nicht, weil sie eine seltsame Furcht davon abhielt. Etwas in ihr befürchtete, dass dann etwas passieren könnte, dass sie alles abbrechen ließ. Was das sein könnte, wollte ihr nicht bewusstwerden. Aber ihr war es lieber, alles nur auf die eine Karte zu setzen und somit alle Bedenken erst gar nicht hochkochen zu lassen. Sie würde sich Urlaub nehmen, den in ihrer alten Heimat verbringen und dort Cedric neu kennenlernen. Das war ihr Plan, den sie sich täglich schöner ausmalte und der damit enden würde, dass sie schwanger