Ein verhängnisvoller Wunsch. Sabine von der Wellen
hatte, die sie in seinem Haus verbringen will?
Nun ja. Sie hatte seinen Argwohn mit der Geschichte besänftigt, die sie sich zurechtgelegt hatte. Sie hatte sich bei ihm über den Großstadtlärm beklagt, und dass sie in den sechs Wochen die Ruhe ihre alte Heimat genießen möchte.
Großstadtlärm! Das hier war wirklich keine Großstadt. Sie liebte diese nette, kleine Stadt mit ihrer kleinen Einkaufspassage, in der sie alles bekam, aber nicht von den Massen der Angebote erdrückte wurde. Auch gehörte ihre Wohnung zu einem Wohnpark recht weit am Ende der westlichen Stadtgrenze, hinter der sich schon die ersten Felder und Wiesen der angrenzenden Bauernschaften erstreckten. Das Industriegebiet lag im Süden und da es dort nur Werkstätten, Reifenhändler, und andere kleine Firmen neben den Möbel Altwerna Werken gab, wurde ihre Luft nicht unmittelbar durch irgendwelche luftverpestenden Fabriken vergiftet. Es tat ihr ein wenig leid, ihre Wahlheimat in den Dreck gezogen zu haben. Aber so war für den Gasthausbesitzer eher klar, warum es Isabel für so lange in seine eher trostlose Gegend verschlagen sollte.
Isabel dachte mit wachsender Spannung an ihren Trip und jedes Mal traf sie der Gedanke, Cedric dort wirklich wiederzusehen, wie ein Messerstich.
Ja, sie will ihm wiederbegegnen und sich von ihm in einen Strudel der Leidenschaft reißen lassen, wie sie ihn, so glaubte sie fest, noch nie erlebt hatte. Einen anderen Gedanken ließ sie gar nicht erst zu. Sie wollte fest daran glauben, dass es ihr nun gelingen wird, dieses Spiel für sich zu entscheiden. Außerdem war sie bereit, alles dafür zu tun.
Isabels Aufregung war mittlerweile grenzenlos. Aber sie wusste nicht, wie sie die Woche noch überstehen sollte, bis es endlich losging. Und sie nahm sich vor, ihren Gedichte-Kavalier besser nicht mehr vorher zu treffen. Irgendwie hatte sie Angst, er könne ihre Planung sonst ins Wanken bringen.
Dennoch musste sie sich eingestehen, dass sie neugierig war, wer hinter diesem „M. Zikowski“ stand.
Vergiss den Kerl ganz schnell. Mit dem kann etwas nicht stimmen, wenn er dir so den Hof macht.
Danke!
Aber Isabel beschloss, es doch dabei zu belassen. All ihr Denken und Handeln sollte nur noch Cedric und ihrem Plan gehören.
Doch am Mittwochabend, als sie gerade ziemlich gestresst die Wohnungstür hinter sich zufallen ließ, klingelte es an der Haustür.
Sie ließ genervt den Türöffner schnarren und öffnete ihre Wohnungstür, um hinauszuschauen. Kurz darauf sah sie einen Kurier mit einem Strauß gelber Rosen die Treppe hochhechten.
Isabel musste sich eingestehen, dass sie eigentlich drauf gewartet hatte, erneut von diesem Unbekannten zu hören. Nicht, dass sie das vor sich selbst zugeben würde. Aber die Freude, als nun der Kurier vor ihrer Tür stand, zeigte das nur zu deutlich. Es war einfach zu schön und romantisch und solange sie noch zuhause war, wollte sie sich gerne noch ein wenig mit dem aufregenden Gedanken an diesen Typen beschäftigen, der ihre Angst und Verunsicherung, was ihren Plan betraf, etwas relativierte. Und dass ihr immer mehr der Arsch auf Grundeis ging, konnte sie nicht leugnen. Mittlerweile meldeten sich, neben Magenschmerzen und Übelkeit, auch vermehrt Kopfschmerzen, was sie für Verspannungsprobleme hielt. Alles in ihr war dermaßen auf Spannung, dass sie sich langsam sogar krank fühlte.
In ihrer Küche nahm sie den Strauß aus der Folie und zog einen Umschlag zwischen den gelben, schönen Blüten hervor.
Beunruhigt stellte sie fest, dass sie nervös wie ein Schulmädchen war. Es war fast nicht zu glauben, dass nur so ein dämlicher Brief von einem Unbekannten sie so aus der Fassung bringen konnte, wo für sie in zwei Tagen doch eigentlich eine neue Zeitrechnung anbrechen sollte.
Nervös und mit einem flauen Gefühl im Magen öffnete sie den Briefumschlag.
Vorsichtig, als könne er eine ätzende Pulvermischung in ihre Augen verstreuen, entfaltete sie das Blatt Papier und warf einen Blick darauf. Wovor fürchtete sie sich nur so?
Blume in der Nachbarschaft, las sie. Wenn Sie diese Zeilen erhalten, sitze ich endlich im Flieger, der mich zurückbringt. Bitte machen Sie mich glücklich und kommen Sie zu unserer Verabredung. So viele Zufälle ließen in letzter Zeit einfach keine Begegnung zu, dass ich langsam Angst bekomme, ein anderer könne in ihr Leben treten, bevor ich Ihnen meins zu Füßen legen kann. Ich glaube, nachdem ich den Mut fand, Ihnen meine Gefühle und mein Herz auszuschütten, habe ich endlich auch den Mut, Ihnen zu zeigen, dass Sie diejenige sind, die mein Leben auf wundervolle Weise bereichern kann. Bitte schenken Sie mir diesen Abend. Ihr erwartungsvoller M. Zikowski.
Isabel legte die Zeilen aufgebracht zur Seite und starrte lange unschlüssig auf das gelbe Blütenmeer auf ihrem Tisch.
Wie in Trance stand sie auf und tauschte die langstielig gewordenen Tulpen gegen die Rosen aus. Dabei rieselten die Tulpenblätter zu Boden und Isabel holte wie ferngesteuert den Besen und kehrte sie auf.
Heute Abend treffen … Heute Abend treffen …
Isabel konnte nichts anderes denken und suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Wo sein erster Brief noch keine Panik in ihr ausgelöst hatte, weil sie sich dachte, dass sie schließlich nicht zu dem Treffen hingehen musste, wurde ihr nun bewusst, dass er fest mit ihr rechnete. Mit diesem Brief wurde seine Einladung nun erschreckend konkret und ließ sich nicht mehr so einfach ignorieren. Was sollte sie also tun?
Unruhig lief sie in der kleinen Küche auf und ab. Dieser Mensch setzte so viel Hoffnung in diese Begegnung, dass sie fast mehr Angst davor hatte, seinen Vorstellungen nicht zu entsprechen, als dass er ihre nicht erfüllte. Außerdem war da etwas, was sie an diesem Menschen ängstigte. Sie war sich nicht klar darüber, ob es seine Art war, die sie auf diesem Planeten für ausgestorben hielt oder die Hingabe, mit der er sie als das Wesen auserkoren hatte, das sein Schicksal mit ihm teilen sollte. Vielleicht war es auch nur seine Art, sich mit viel Gefühl in ihr Leben zu drängen, ohne sich vorher einmal gezeigt zu haben oder auch nur seinen vollen Namen zu nennen.
Vielleicht verbarg er seinen Vornamen, weil sie auf keinen Fall mehr über ihn erfahren sollte?
M könnte für Marcel, Martin, Magnus oder Michael stehen.
Trotz ihres Misstrauens konnte Isabel nichts dagegen tun, dass sich in ihrem Inneren eine seltsame Wärme ausbreitete, je länger sie über den Typ nachdachte. Kurz sah sie sich von einem schönen dunkelhaarigen Mann in die Arme geschlossen, der sie herzlich anlächelte und dann leidenschaftlich küsste.
Bist du wahnsinnig, dir jetzt noch so einen Floh ins Ohr zu setzen! Du wirst in zwei Tagen in deine Heimat reisen und dort deinen vom Schicksal Auserkorenen treffen, schnell ein Kind mit ihm zeugen und wieder verschwinden. Dann wirst du all deine Liebe diesem kleinen Geschöpf widmen und es wird endlich keine Männer mehr geben müssen, die dein Leben aufmischen. Was werden dann für geruhsame Zeiten anbrechen!
Genau! So und nicht anders. Sie setzte sich energisch an den Küchentisch und dachte darüber nach, was sie tun sollte.
Am besten, sie ging hin und erklärte ihm, dass sie nicht mehr von ihm belästigt werden wollte. Ja, der Gedanke war gut.
Nein, das ist gar nicht gut!
Isabel spürte bei der Vorstellung eine unsagbare Angst durch ihr Innerstes kriechen. Es war nicht so, dass sie sich von dem Menschen körperlich bedroht fühlte. Nein, es war anders. Sie fürchtete sich vor ihren Gefühlen. Es ängstigte sie der Gedanke, dass dieser Mann nicht hässlich und unsympathisch war und sie sich wirklich zu ihm hingezogen fühlen könnte. Wenn sie ehrlich war, dann war das jetzt schon der Fall. Dieser Mensch schien wirklich nett und höflich zu sein. Dabei war er auch noch charmant und offensichtlich romantisch veranlagt. Dazu setzte er alles daran, sie für sich zu gewinnen. Eigentlich war er genau so, wie sie sich einen Verehrer immer vorgestellt hatte.
Er eroberte sie immer mehr ohne dass sie es sich eingestehen wollte und Isabel fürchtete sich davor, dass er ihren Plan zerstörte, der die letzten Monate ihr Leben lebenswert gemachte hatte. Außerdem konnte sie das Gefühl in ihrem Inneren nicht ignorieren, das ihr immer wieder sagte, dass es so etwas wie diesen Mann nicht wirklich geben konnte. Ihr