Der Politiker. Geri Schnell

Der Politiker - Geri Schnell


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Die Winde welche seitlich aus den Alpen einfallen, verursachen ein Schlingern. Der Ingenieur verlangt von Kapitän einige spezielle Manöver, um das Verhalten des Luftschiffs unter erschwerten Bedingungen zu testen. Im Magen von Willi beginnt es zu rumoren. Das Schlingern wird noch schlimmer, er muss gegen das Erbrechen ankämpfen und ist froh, als der Ingenieur seinen Test beendet und das Luftschiff wieder ruhig dahingleitet. Über Sargans dreht der Kapitän nach Norden und folgt dem Rhein bis er den Bodensee erreicht.

      Sie überfliegen den Flugplatz von Altenrhein. Dort ist die Do X im Hafen verankert. Das grösste Flugzeug der Welt, ist bereit für weitere Flugversuche. Von oben sieht sie klein aus, auf dem Flugfeld stehen noch andere Flugzeug, da sieht man schon, wie viel grössere dieser Gigant ist.

      Von weitem ist Friedrichshafen zu sehen. Willi ist sich nicht sicher, ob er traurig sein soll, weil der Flug nach fünf Stunden schon vorbei ist oder ob er sich darauf freut, endlich wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Sein Magen hat sich noch nicht ganz beruhigt. Die Landung erfolgt ohne Probleme, der Ingenieur ist mit dem Testflug zufrieden. Zum Abschluss stellen sich alle, welche den Flug mitgemacht haben, zu einem Gruppenbild vor dem Luftschiff auf. Nochmal gibt es Fotos für den Führer und die Presse, welche über den erfolgreichen Testflug berichtet.

      Bis Willi sein Praktikum abschliessen kann dauert es noch eine Woche. Der Testflug mit dem Zeppelin war der Höhepunkt. In der letzten Woche nimmt Hans ihn noch auf einem Motorboot mit nach Altenrhein. So kann er die Do X noch aus der Nähe betrachten. Unglaublich, dass so etwas fliegen kann. An Bord gehen, dürfen sie nicht, das Flugzeug unterliegt der Geheimhaltung. Ende August ist sein Praktikum zu Ende und er besteigt den Zug in Richtung Basel.

      Am Bahnhof in Worms holt ihn Gabi ab. Sie hätte ihn gerne ein paar Tage früher begrüsst, denn in Worms ist seit einer Woche das Backfischfest im Gang. Da wäre Gabi gern mit einer Begleitung durch die zahlreichen Stände spaziert. Allein wurde sie immer angepöbelt, so dass sie lieber zu Hause blieb. Nun kann sie doch noch am Abend mit Willi durch Worms flanieren.

      Willi ist überrascht, er kennt Worms beinahe nicht mehr. Die Strassen sind mit Hakenkreuzfahnen geschmückte und die Strassen sind sauber herausgeputzt. Gegen Abend hatte er den Eindruck, als ob ganz Worms auf den Strassen ist. Man kann sich kaum noch bewegen. Ideal für das verliebte Paar, sie schmiegen sich eng aneinander, so kommen sie besser durch die Menge.

      Die allgemeine Wehrpflicht /1935

      Die Studenten werden am Morgen alle in der Aula versammelt. Der Rektor hat eine wichtige Mitteilung zu machen. Die meisten ahnen um was es geht, sie hatten gestern bereits im Radio gehört, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt wurde. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Studenten. Die meisten sind eben ins wehrpflichtige Alter gekommen. Alle hoffen, dass sie ihr Studium noch beenden dürfen. Der Rektor muss mehrmals um Ruhe bitten. Dann beginnt er seine Ansprache.

      «Studenten! Ihr wisst, dass gestern am 14. März 1935 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde. Man hat mich gebeten, Sie, als direkt betroffene zu informieren. Das angefangene Semester dürft ihr noch beenden, danach müsst ihr euch bei der zuständigen Stelle melden. Es ist vorgesehen, dass ihr im Sommer den Grundkurs absolviert. Danach entscheidet die Wehrmacht, welcher Truppe sie zugeteilt werden. Ihr müsst euch dieses Jahr nicht um ein Praktikum bemühen, das übernimmt die Wehrmacht.»

      Die einen jubelnd, die anderen konsterniert, entlässt der Rektor seine Studenten. In der Aula wird es laut. Das Studentenleben geht zu Ende.

      Das Leben in den Städten hat sich normalisiert, wenn man nicht auffällt, lassen einem die Nazis in Ruhe. Belastend ist das Denunziantentum. Jeder Bürger muss vor seinem Nachbarn Angst haben. Es gibt zu viele, welche sich durch das Verraten eines anderen Bürgers, Vorteile bei den Parteibonzen erwarten. Ist man in der misslichen Lage, dass man bei den Nazis auffällt und Anlass bietet, dass sich eine Untersuchung lohnt, dann hat man nichts mehr zu lachen. Solche Gelegenheiten nehmen die Nazis gerne war. Solche Fälle werden dann ausgeschlachtet, das hält die Massen ruhig und sorgt dafür, dass man mit keinem Widerstand mehr rechnen muss. Die Weichen sind gestellt und die Fahrtrichtung ist vorgegeben.

      Willi gehört eher zu denen, die der Rektor mit Jubel zurücklässt. Das Studium hätte er schon noch gerne abgeschlossen, doch er rechnet fest damit, dass er zur Luftwaffe eingeteilt wird. Der Traum, als Pilot ein Flugzeug zu fliegen, rückt immer näher. Das wird ihm beim Abschluss des Studiums später sicher helfen.

      Von seinen Zimmerkollegen hat Klaus am meisten bedenken, er weiss nicht einmal, wie das Militär Biologen einsetzt. Kann man einen Biologen in der Armee überhaupt brauchen? Auch Sepp ist nicht sicher, wo man Mathematiker einsetzt. Vielleicht bei der Artillerie, zum berechnen der Flugbahn der Geschütze. Hermann rechnet, dass er als Geschichtsstudent eine Stabsstelle erhält, die deutsche Geschichte ist für Hitler sehr wichtig.

      All diese Überlegungen, welcher jeder für sich anstellt, sorgen dafür, dass es im Zimmer ruhig ist. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Egal welche Einstellung einer hat, das Leben als Soldat wird jeden fordern. Da nützt auch die Vorbereitung in der Hitlerjugend nichts, das Militär wird doch ein ganz neuer Lebensabschnitt.

      In den nächsten Wochen wird der Wehrdienst verdrängt, man darf das Studium nicht vernachlässigen. Jetzt erst recht nicht, wer weiss wie es nach dem Wehrdienst weiter geht? Es ist gut möglich, dass man wieder von neuem anfangen muss.

      Die letzten Prüfungen schafft Willi mit sehr guten Noten. Dann kommt der Tag, an dem der Professor seine Studenten entlässt. Er gibt sich alle Mühe, dass die Studenten seine Gefühle nicht erahnen können. Er hat ein schlechtes Gewissen, trotzdem ruft er seine Studenten auf, dass sie den Dienst am Vaterland mit Stolz und Pflichtgefühl erfüllen werden.

      Bis Willi einrücken muss, reicht es noch für ein paar Tage Ausspannen in Worms. Gabi holt ihn vom Bahnhof ab. Die Begrüssung ist stürmisch, sie haben sich seit Ostern nicht mehr gesehen. Gabi arbeitet jetzt in der Lederfabrik im Büro. Sie lernt mit der Schreibmaschine schreiben und hilft bei der Führung des Kassenbuchs.

      Ausnahmsweise kann sie den Samstag frei nehmen. Die beiden treffen sich schon am Samstagmorgen. Sie wollen in den Rebbergen am Rhein wandern. Zum einen hofft Willi, dass er sich an schwerere Schuhe gewöhnen kann, noch wichtiger ist ihm, dass er mit Gabi allein ist.

      Auf dem Weg aus der Stadt kommen sie zufällig am Geschäft von Goldberg vorbei. Die Goldbergs haben es sehr gut gelöst, von aussen hat man den Eindruck, das Geschäft sei längst geschlossen. Doch Josef betreut weiter einige Stammkunden. Natürlich weiss das niemand. Für den grössten Teil des Lebensunterhalts ist Maria besorgt, sie verdient in der Lederfabrik gut und die Goldbergs sind es gewohnt, bescheiden zu leben. Wenn einer eine schöne Uhr will, ist Josef immer noch eine gute Adresse.

      Nur kurz lässt er seine düsteren Gedanken aufkommen, dann umarmt er Gabi und sie verlassen die Stadt. Zügig schreiten sie voran. Auf dem Weg haben sie eine schöne Sicht auf den Rhein.

      Die erste Rast legen sie in einem Wäldchen ein, sie ziehen sich etwas zurück, so dass sie von niemandem gesehen werden. Auf einer Waldlichtung breiten sie eine Decke aus, dann schauen sie sich in die Augen. Beide haben nur einen Gedanken, heute wollen sie es wissen. Gabi ist bereit und hat keine Lust, weiter nur theoretisch zu wissen, wie es geht. Bald liegen sie nackt auf der Decke und können nicht genug voneinander bekommen.

      Es dauert lange, bis sie ihre Wanderung fortsetzen, zu viel gibt es für beide zu entdecken. Eigentlich wollten sie noch den Hügel erklimmen, doch dazu reicht es nicht mehr. Sie kehren vorher um. Beide sind mit dem Ergebnis des Ausflugs zufrieden. Marschieren kann Willi nächste Woche noch genug, aber die Liebe zu Gabi, die musste unbedingt gefestigt werden. Das war beiden wichtig, sie wollen aufeinander warten.

      Mit einem flauen Gefühl im Magen, sitzt Willi am Montagmorgen im Zug nach Mannheim. Dort ist seine Sammelstelle. Eine halbe Stunde vor seinem Termin steht er bereits auf dem Sammelplatz und beobachtete die eintreffenden Rekruten. Wie er kommen die meisten allein. Es gibt nur wenige Eltern, welche sich tränenreich von ihrem Sohn verabschieden. Wie Willi wollten die meisten Rekruten nicht als Muttersöhnchen dastehen.

      Pünktlich


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