Der Politiker. Geri Schnell
dem Arbeitsmarkt rekrutiert werden. Politische Gefangene werden zum Arbeitseinsatz gezwungen. Die Kompanie der Luftwaffe muss vermehrt für Ordnung bei den Gefangenen sorgen. Keine erfreulichen Aufgaben! Die politischen Häftlinge sind nur schwer zur Mitarbeit zu bewegen, was Zwangsmassnahmen erfordert. Für solche Aufgaben sind die angehenden Piloten nicht geeignet. Für Willi ist es unangenehm, er hat mit der Bestrafung nicht direkt zu tun, muss aber Verstössen melden. Schon zwei Mal musste er beobachten, wie einer der Arbeiter an seinem Arbeitsplatz abgeholt wurde. Noch in der Fabrikhalle bekommt einer harte Schläge mit einem Knüppel, das Blut schiesst in Strömen aus der Nase des Unglücklichen. Dieses Erlebnis schraubt die Limite für das Melden eines Verstosses nach oben. Wenn jedoch die Sicherheit des Flugzeugs durch den Verstoss beeinträchtigt wird, muss er es melden.
Doch mit der Zeit gewöhnt er sich an die Bestrafung, die Leute sind schliesslich selber schuld an ihrer Situation. Doch es gibt einige die das sabotieren der Arbeit absichtlich begehen, denn für sie ist es ein Teil des passiven Widerstands gegen das Naziregime. Für Willi ist es nur schwer zu verstehen, dass es Leute gibt, welche das neue Deutschland nicht akzeptieren. Endlich geht es mit Deutschland voran. Die herumlungernden und bettelnden Arbeitslosen sind aus den Strassen der deutschen Städte verschwunden, das ist doch ein echter Fortschritt.
Noch gibt es ein Problem mit den Lebensmitteln. Es kommt zu Engpässen, doch auch da schaut die Regierung, dass nicht die einen mit Geld satt werden, während die Armen hungern müssen. Dank den Lebensmittelkarten kriegt jeder genug zu essen, wenn es auch manchmal etwas mehr sein dürfte.
Im September kann Willi einen längeren Urlaub beziehen. Er darf eine ganze Woche nach Worms. Endlich wieder Spaziergänge mit Gabi, die hatte er vermisst. In Rostock kann er ab und zu abends in den Ausgang. Es hätte in den Kneipen auch einige hübsche Mädels, welche nichts gegen eine engere Freundschaft hätten. Gabi ist immer noch seine Freundin, er ist treu. Er schreibt ihr mindestens einen Brief pro Woche. So hat er keine Probleme damit, wenn er die Mädels seinen Kollegen überlässt.
In Worms hat sich nicht viel verändert. Seit die Lederfabrik auf Hochtouren läuft, funktioniert auch das Leben in der Stadt. Die Leute haben Geld genug, davon profitiert auch das lokale Gewerbe. In den Strassen herrscht wieder Ruhe und Ordnung. Sein Vater erzählt ihm allerdings von einigen ehemaligen Kollegen, welche verhaftet wurden. Aus der Zeit in der goldenen Gans kannte er einige Kommunisten. Wenn die sich nicht ruhig verhalten, ist die SA sofort zur Stelle und dann verschwinde sie aus Worms, auf seiner Tour zu den Bauern hat er erfahren, dass sie in einem Arbeitslager umgeschult werden, wie die Nazis das nennen.
Dass es im Verborgenen brodelt, merkt man nicht. Die immer noch sehr zahlreichen Juden in der Stadt, sind den Nazis ein Dorn im Auge. Doch die Juden verhalten sich geschickt. Sie machen ihre Geschäfte heimlich. So intensiv die SA auch kontrolliert, den Juden kann nichts nachgewiesen werden. Es gibt viele die mit einer härtere Gangart gegen den Klassenfeind vorgehen möchten, aber, zum einen sorgt das defensive Verhalten der Juden dafür, dass sie keinen Anlass zu Beanstandungen geben. Zudem haben sie nach wie vor einige Geschäfte in ihrer Hand und man müsste Engpässe befürchten, wenn man den Juden diese Geschäfte verbieten würde. So gesehen ist die Situation, wie sie momentan ist, akzeptabel.
Als Willi wieder in Rostock zurück ist, staunt er. In der Halle steht ein fertiges Flugzeug. Noch werden die letzten Teile montiert und einige Teile überprüft. Doch das Flugzeug wird in den nächsten Tagen die Halle verlassen. Zum Glück ist er noch rechtzeitig zurück, den Moment möchte er nicht verpassen.
Bereits drei Tage später ist es soweit. Die Arbeiter schieben die erste in Rostock hergestellte Do111 auf das Rollfeld. Zum grossen Moment erscheinen einig Parteigrössen, insgeheim hat man gehofft, dass Hitler persönlich kommt, doch er lässt sich vertreten. Man verliert keine Zeit, nach der kurzen Ansprache, werden die Motoren gestartet. Der Testpilot ist mit dem Ingenieur bereits an Bord.
Man lässt die Motoren zehn Minuten warm laufen, dann gibt der Pilot Gas und rollt Richtung Startbahn. Ohne anzuhalten, erhöht er die Drehzahl auf maximale Leistung und löst die Bremse. Das Flugzeug schiesst nach vorne.
Mit dem Fernglas verfolgen die Parteigrössen den Start. Das Flugzeug hebt ab, es ist geschafft, das Ding fliegt! Alle jubeln, sogar die politischen Gefangenen zeigen, dass sie stolz sind, dass ihr Werk gelungen ist. Obwohl einige versucht haben, genau dies zu verhindern. Im Innern sind sie doch stolz, dass das Werk gelungen ist.
Der erste Flug dauert gut zwei Stunden. Dann schwebt die Maschine wieder auf den Flugplatz zu und legt eine perfekte Landung hin. Die nächsten Tage, ist die Maschine jeden Tag in der Luft. Die ersten Piloten werden ausgebildete. Nach einer Woche darf Willi einmal mitfliegen. Allerdings nur als Passagier, im Sitz des MG-Schützen. Die Pilotenausbildung hatte er, durch seine Funktion in der Produktion verpasst. Er konnte nicht noch am Theorieunterricht teilnehmen, was ihn jetzt ärgert.
Das Einsteigen in den MG-Stand ist nicht einfach, es ist sehr eng. Dafür hat er im Flug die beste Aussicht. Mit dem Kopfhörer und einem Mikrofon hat er Verbindung zum Piloten. Der Flug hatte lediglich den Zweck, die Piloten auszubilden. Willi ist nur als Passagier dabei. Er verfolgt die Gespräche in der Pilotenkanzel gespannt, verhält sich selber aber ruhig.
«Steigen auf 9000 Meter.»
«Bestätige, 9000.»
Die Maschine zieht steil nach oben. Willi sieht die Küste, dann dreht der Pilot aufs Meer hinaus und die Besatzung muss die Sauerstoffmaske aufsetzen.
«9000 erreicht», meldet der auszubildende Pilot.
«Höhe halten, Kurs Nordost», befiehlt der Instruktor.
Eine halbe Stunde fliegen sie über der geschlossenen Wolkendecke. Das ist ganz was anderes, als der Flug mit dem Zeppelin, das Flugzeug vibriert und die Motoren dröhnen extrem laut. Damit er die Gespräche im Cockpit mithören kann, muss er die Lautstärke auf dem Kopfhörer voll aufdrehen. Die Sonne blendet Willi stark, er muss die Sonnenblende herunterziehen.
«Jäger im Anflug, von Richtung 14 Uhr», befiehlt der Instruktor, «Ausweichmanöver einleiten.»
Willi schaut in die angegebene Richtung. Er kann keine Jäger erkennen, es ist nur eine Übung. Das Flugzeug macht eine steile Kurve nach links und geht in den Sinkflug. Der Magen von Willi spielt verrückt.
«Gut so», kommentiert der Instruktor, «jetzt die Maschine auffangen und hochziehen.»
Die nächsten Minuten geht es so weiter. Mal steil nach oben, dann wieder in einer harten Kurve nach unter. Willi ist schon ganz weiss. Er muss kämpfen, er kann hier nicht Erbrechen, dazu müsste er seine Maske ausziehen und dann droht er zu ersticken.
Nach zehn Minuten ist der Instruktor zufrieden, der Flug wird wieder ruhiger. Willi kann sich erholen. Nur geniessen kann er den Flug nicht mehr, vermutlich ist er doch nicht zum Pilot geboren.
Die Erleichterung ist gross, als sie nach vier Stunden endlich auf die Landebahn einschwenken. Noch einmal rüttelt es gewaltig und der Magen meldet sich erneut. Endlich steht das Flugzeug und Willi beginnt sich aus dem Sitz zu befreien. Er drängt zur Tür und öffnet sie. Noch muss er warten, bis die Bodenmannschaft die Treppe heranschiebt. Endlich ist die Treppe da und Willi eilt unter dem Gelächter der Kameraden die Treppe runter und muss sich im Gras am Rande des Rollfelds übergeben. Gespannt beobachtet der Instruktor die Aktion von Willi, er geht zu ihm und klopft im auf die Schulter: «Du bist wohl nicht zum Piloten geeignet, was!»
«Sieht so aus», gibt Willi zu, «ich hab wohl etwas Schlechtes gegessen.»
«Ja vielleicht, aber ich würde mir doch Überlegungen, ob Pilot der richtige Job für dich ist.»
Sein Traum platzt wie eine Seifenblase. Was nun? Der Kommandant hat damit kein Problem, er sieht Soldat Wolf sowieso lieber auf seiner Position in der Fabrik, da nutzt er der Luftwaffe mehr. Pilotenanwärter hat er genug.
Am 25. Oktober, an Willis zweiundzwanzigsten Geburtstag, gibt es Grund zum feiern. Die zweite Maschine ist fertig und wird aufs Rollfeld geschoben. Es ist Grund genug, um abends im Ausgang tüchtig zu feiern. Die Sperrstunde ist aufgehoben. Er trifft sich mit einigen Kameraden in ihrer Stammkneipe. Der Bierkonsum ist enorm, die