Der Politiker. Geri Schnell

Der Politiker - Geri Schnell


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Haufen verwahrloster Kinder. Die Zeiten sind schlecht, es fehlt an allem. Trotzdem haben es alle geschafft, ihren Kindern die obligatorische Schultüte zu schenken. In einigen Tüten sind nur Äpfel und ein paar Nüsse, dank dem Zeitungspapier, in das sie verpackt sind, wirken sie gross.

      Erleichtert stellt sie fest, dass der Vater von Willi - Entschuldigung - Wilhelm, die Tüte nicht überfüllt hat. Zumindest hat er Anstand, denn als Steuerbeamter weiss der Mann genau, dass die meisten Stadtbewohner ums Überleben kämpfen und jeden Tag schauen müssen, wie sie ihre Kleinen satt kriegen.

      Nach einigen Wochen hat sich der Schulbetrieb eingespielt. Der Wilhelm ist der strebsamste. Das macht es für Witwe Kunz einfacher. Schüler die aktiv mitmachen, sind für jeden Lehrer ein Gewinn. Natürlich nennen ihn die Schüler Willi ohne dass es bis jetzt von Seite des Beamten eine Beanstandung abgesetzt hätte. Anscheinend ist Willi keine Petze.

      Für die meisten Schüler ist die Schule ein Platz um sich zu erholen. Sie hat sich rumgehöhrt, einige wohnen in stinkigen, feuchten Löchern, anders kann man die Behausungen nicht nennen. Mittlerweile hat sich auch eingespielt, dass Willi von seinen Eltern eine zu grosse Pausenration mitbekommt, die wird auf die weniger begüterten Schüler verteilt. Es ist erstaunlich, wie das unter den Kindern funktioniert ohne dass sie etwas damit zu tun hat.

      So lässt sich das Schuljahr gut an. Witwe Kunz ist zufrieden. Was bei ihr nicht funktioniert ist das Privatleben. Es gibt einfach keine Männer, dabei zählte sie sich mit ihren fünfunddreissig Jahren nicht zu den Frauen, die mit Männer abgeschlossen haben. Nur in dieser Beziehung läuft in Worms nichts. Die wenigen Männer im richtigen Alter, sind alle kriegsversehrt oder wie Herr Wolf verheiratet. Sie hatte es versucht. Dass einem Mann ein Bein fehlt, darauf könnte sie sich noch einstellen, aber dass bei jedem lauten Geräusch, panikartige Schreikrämpfe auftreten, daran kann sie sich nicht gewöhnen.

      Am Wochenende fährt sie deshalb nach Mannheim. Vielleicht gibt es in grösseren Städten noch Männer. Den Plan hat sie schon vor Monaten gefasst, doch bis heute hatte sie sich nicht getraut. Jetzt ist sie immerhin schon auf dem Bahnhof, um nach Mannheim zu fahren. Sie hat schon oft daran gedacht, ihren Plan umzusetzen, doch immer fand sie eine Ausrede. Einmal war ihr Zyklus ungünstig, sie hätte riskiert schwanger zu werden und darauf hat sie nun gar keine Lust, die Bälger in der Schule reichen ihr. Einig Male war das Wetter schlecht, da sie, wenn alles schief läuft, draussen übernachten muss, ist das nicht akzeptabel.

      Als sie in Mannheim den Zug verlässt, schaut sie sich um. Sie ist beruhigt, kein bekanntes Gesicht aus Worms ist auszumachen. Die paar Leute welche in Worms zugestiegen sind, eilen schnell weiter, während sie sich Zeit lässt.

      Sie hat sich gut vorbereitet, lange hat sie an einem Rock geschneidert, bis sie darin sehr sexy wirkt. In Worms dürfte sie damit nie auf die Strasse. Auf der Zugfahrt trägt sie darüber noch einen zweiten Rock, nun muss sie diesen nur noch ausziehen und in dem Korb stecken. Noch ist sie nicht sicher, ob sie sich getraut, doch, dann wäre das Geld für das Ticket, herausgeworfenes Geld und das kann sie sich als Lehrerin nicht leisten.

      Für den Besuch in einer Kneipe ist es noch zu früh. Sie spaziert am Rhein entlang und hält Ausschau nach Schlafplätzen, falls der Abend nicht so laufen sollt, wie sie es erhofft. Unter einer Brücke könnte sie zur Not schlafen, aber es währe sehr ungemütlich. Den letzten Zug nach Worms wird sie auf jeden Fall verpassen.

      Endlich wird es dunkel. Jetzt macht sie sich auf die Suche nach einer geeigneten Kneipe. Den alltagstauglichen Rock hat sie bereits ausgezogen, sie fühlt sich nackt und ist verunsichert. In der ersten Kneipe wird sie abgewiesen, alle Plätze sind reserviert.

      «Fräulein, versuchen sie es in der Glocke!», gibt ihr der Kellner einen Hinweis. Zum Glück zeigt er ihr noch die Richtung an.

      Nach der nächsten Strassenkreuzung sieht sie das Schild, respektive die goldene Glocke, welche über der Türe hängt.

      Noch einmal schnellt ihr Puls in die Höhe. Am liebsten möchte sie umkehren, doch sie wagt es und tritt ein. Es herrscht bereits viel Betrieb. Es gibt ein lange Bar, an welcher die Leute stehen und miteinander reden und an der Wand einige Tische.

      Sie stellt sich etwas abseits an, als ob sie etwas zum Trinken bestellen möchte, es aber nicht schafft, dem Barmann ihre Bestellung durchzugeben. Es ist ihr recht so, sie will gar kein Bier, schon gar nicht, wenn sie es selber bezahlen müsste.

      Während dem Warten beobachtet sie die Männer. An einem Tisch fallen ihr vier dunkelhaarige Männer auf. Das sind sicher keine deutschen, das wäre der Idealfall, so kann sie kritischen Fragen ausweichen. Sie verschiebt sich an der Bar so, dass sie von den Männern gesehen werden muss. Es dauert noch unendlich lange, bis einer auf sie aufmerksam wird.

      «Fräulein, darf ich sie an unseren Tisch einladen?», fragt er in holprigem Deutsch.

      Sie spielt kurz die Überraschte, dann willigt sie ein. Ein Stuhl wird dazwischen geschoben. Jetzt wird ist etwas eng, den Männern gefällt’s.

      «Wünschen Fräulein ein Glas Wein?»

      «Gerne», sie ist froh, dass es kein Bier gibt, Wein ist natürlich vornehmer.

      Langsam kommt Stimmung auf. Die vier Herren sind französische Beamte, welche die Lieferung der Reparationen überwachen. Sie fühlt sich wie eine Verräterin, doch im Lokal scheint es niemand zu stören. Die Herren fühlen sich hier wie zuhause. Von der Unterhaltung bekommt sie nicht viel mit, sie hatte in der Schule Lektionen in der französischen Sprache, doch wenn die Franzosen unter sich sprechen, kann sie nur erahnen, um was es geht.

      Wenn sie auch nicht direkt mit ihr sprechen, so sind zumindest ihre Hände aktiv. Anfänglich berühren sich ihre Hände, später auch mal ihre Beine. Ihre Blicke sind auch mit ihrem Dekolleté beschäftigt. Durch ein leichtes Vorbeugen erleichtert sie, es den Männer, das zusehen, was sie wollen.

      Nach dem dritten Glas Wein, wird sie auch schon mal herzlich umarmt, dabei wird auch ihr Busen gestreift. Ab und zu spielt sie eine Abwehrbewegung vor, aber immer nur so heftig, dass die Männer nicht am nächsten Versuch gehindert werden. Sie ist schon erregt, sowas hatte sie, seit ihr Mann in den Krieg gezogen ist, nicht mehr erlebt. Genau genommen, hat sie noch gar nie eine solche Erregung gespürt. Sie ist zu einem Abenteuer bereit, nur weiss sie nicht, welchem der vier Herren sie ihre Gunst schenken soll, aber das ist nicht wichtig, die Herren werden sich ihre Beute schon aufteilen.

      Was das Bezahlen von Wein angeht, herrscht jetzt Gleichstand, jeder hat ihr ein Glas spendiert, entsprechen locker ist ihre Stimmung. Sie ist bereit und geniesst es, wenn eine Hand an ihrem Oberschenkel soweit hochfährt, dass es eigentlich gegen die gute Moral verstösst.

      Langsam leert sich die Kneipe und auch die Franzosen rüsten zum Aufbruch. Wie selbstverständlich wird sie von zwei Männer in die Mitte genommen und ohne gross zu fragen, marschieren sie los.

      Zwei Querstrassen weiter, bleiben sie vor einem Haus stehen. Einer steckt den Schlüssel ins Schlüsselloch und öffnet die Tür. Als ob es selbstverständlich ist, führen sie Lollo, wie die Franzosen sie inzwischen nennen, nach oben.

      Auf was hat sie sich da eingelassen? Das ist ja noch viel schlimmer, als sie es sich ausgedacht hatte. Die Möglichkeit, dass sie heute wieder einmal ein Mann spüren kann, steigt gewaltig.

      Die Überraschung wird noch grösser, als sie feststellt, dass sie nur ein sehr kleines Zimmer bewohnen, in dem vier Betten eng beieinander stehen. Das kann ja heiter werden. Die vier Gläser Wein und die lange Zeit der Enthaltsamkeit tun ihre Wirkung.

      Irgendwann muss sie dann eingeschlafen sein. Als sie wieder aufwacht, ist es draussen schon hell. So langsam begreift sie, was hier los ist.

      Irgendwie muss sie hier weg, nur wie? Sie gibt den Männern durch Zeichen zu verstehen, dass sie gehen muss. Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedet sie sich von jedem, dann geht's hinaus auf die Strasse. Der Bahnhof ist nicht weit. Sie bemerkt, dass ihr Korb mit Köstlichkeiten gefüllt ist! Sie wuchtet ihn auf den Kopf und marschiert los.

      Im Zug nach Worms schaut sie sich ihren Lohn nochmals an, das sind ja richtige Schätze. Dabei schämt sie sich und wäre am liebsten im


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