Der Politiker. Geri Schnell

Der Politiker - Geri Schnell


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der vollen Lohntasche geht er bei Arbeitsschluss zur Bank. Mit einem Wochenlohn kann er die erste Hälfte seiner Schulden bezahlen. Da er den Bankbeamten gut kennt, vereinbart er, dass der Schuldbrief so getilgt wird, als ob es ihn nie gegeben hat. Für den Bankbeamten kein Problem, es spart ihm eine Menge Schreibkram. Der Kredit verschwindet einfach aus den Büchern, das merkt keiner, die Abrechnung stimmt trotzdem.

      Die nächste Woche kann die Familie von den Lebensmitteln im Schuppen Leben, da ist noch genug da. Eine Woche später sind die Schulden ganz getilgt, das Haus gehört jetzt ihm. Er lacht sich ins Fäusten, vor drei Jahren, als er das Haus gekauft hatte, musste er hunderttausend Mark aufnehmen, mühsam stotterte er jede Woche etwas ab, doch dann kam seine Chance, er investierte alles Geld in Waren, jetzt hat er ausgesorgt. Im Schuppen lagern viele Uhren und Schmuck, dazu Nähmaschinen und sogar drei Motorräder, die kommen jetzt in Mode.

      Als Franz drei Wochen später im Stadthaus zur Arbeit erscheint, ruft ihn der Stadtpräsident zu sich ins Büro.

      «Es ist etwas am Laufen», erklärt er mit wichtiger Mine, «ich denke der Mark geht es an den Kragen, die wollen in Weimar eine neue Währung einführen, jedenfalls vermutet das unser Parteipräsiden.»

      «Was würde das für uns bedeuten?»

      «Wenn ich das wüsste, vermutlich kannst du dann die Markschein zum einheizen brauchen.»

      «Und von was sollen wir dann Leben»?

      «Von der Hand in den Mund, da ändert sich nicht viel, du musst ja jetzt auch dein Wochenlohn sofort in Ware umtauschen, sonst hat er nichts mehr Wert. Ich denke, die Ersparnisse kannst du vergessen, dafür kriegst du keine neuen Markscheine.»

      «Das ist ja eine Katastrophe», jammert Wolf, «alles futsch.»

      Dass er gar keine Ersparnisse mehr auf der Bank hat, braucht der Stadtpräsident ja nicht zu wissen. Das Vermögen von Franz ist sicher in seinem Schuppen verwahrt, da soll das neue Geld nur kommen, er hat genug Waren um zu tauschen.

      Im Verlauf des Nachmittags tickern die ersten Informationen über den Telegrafen ein. Es wird eine Rentenbank ins Leben gerufen. Was das soll bleibt ein Rätsel, aber der Stadtpräsident hält es für eine wichtige Neuerung.

      Am nächsten Morgen kann man es im Wormser Tagblatt lesen. Die Rentenbank beschlagnahmt den Boden von Deutschland, dieser soll als Sicherheit für die Währung dienen. Eine komplizierte Sache. Noch blickt niemand durch. Alle laufenden Hypotheken werden neu berechnet und der Zins muss an die Rentenbank bezahlt werden.

      Von was und in welcher Währung dieser Zins bezahlt werden muss, ist noch offen. Die ersten Zahlungen werden erst in einem halben Jahr fällig. Im Schachklub vermutet man, dass bis dann eine neue Währung eingeführt ist. Aber noch weiss man nichts Genaueres.

      «Witwe Kunz hat uns zum Schulabschluss eingeladen», erklärt sein Frau Rosa, als er nach Hause kommt, «sie gibt im nächsten Schuljahr die Klasse an einen anderen Lehrer ab, da möchte sie sich mit einer kleinen Feier im Schulhaus verabschieden.»

      «Das finde ich sehr nett», stellt Franz fest, «da solltest du einen Apfelkuchen oder besser zwei mitbringen. Die meisten Kinder bekommen sehr wenig zu essen. Das hat mir Wilhelm am letzten Sonntag erzählt. Die meisten haben kriegsversehrte Väter zuhause, die kaum Arbeit finden.»

      «Das finde ich ein guter Vorschlag», antwortet Rosa, «ich habe auch daran gedacht, war mir aber nicht sicher, ob ich an deine Äpfel darf.»

      «Aber Rosa, bin ich denn ein solcher Geizkragen?»

      «Manchmal schon», stellt Rosa fest, «aber das müssen Steuerbeamte wohl sein.»

      «Ja, es sind harte Zeiten, da muss man sein Geld zusammenhalten, aber ein Apfelkuchen liegt drin, meinetwegen zwei.»

      Am Freitagabend trifft sich eine bunte Gesellschaft im Schulhaus. Witwe Kunz kann einige Bänke und einen langen Tisch organisieren. So müssen sich die Erwachsenen nicht in die engen Schulbänke zwängen. Mit den Kindern hat sie den Tisch schön dekoriert. Als Tischdecken haben die Kinder Zeichnungen gemalt.

      Der Anlass wird mit drei Lieder der Kinder eröffnet. Dann begrüsst Witwe Kunz die Eltern mit einer kurzen Ansprache.

      Anschliessend stellen sich die Eltern kurz vor. Die kleine Feier kann beginnen. Witwe Kunz serviert den Kindern frische Milch. Für die Eltern entkorkt sie ein Flasche französischen Wein.

      Wenn die wüssten, wie sie diese verdient hat, die Spiesser würden sich wundern und vor Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, denken sie für sich.

      Franz Wolf mit seiner Rosa sitzt neben den Uhrenmacher Goldberg, welcher zur Feier des Tages eine Flasche Schnaps auf den Tisch stellt. Witwe Kunz spielt die entrüstete. Schnaps, den sollen die Männer trinken. Zudem wird man sich einig, dass der Schnaps erst nach dem Kuchen eingeschenkt wird.

      Die anfänglich etwas steife Atmosphäre wird, nachdem man mit dem Wein angestossen hatte und sich darauf geeinigt hatte, dass man sich mit den Vornamen anredet, etwas lockerer.

      Dass Franz sich neben Josef setzte, ist kein Zufall. Josef könnte beim verkaufen der Uhren noch nützlich sein. Noch erwähnt er seine Uhren nicht. Das hat Zeit, sowas muss man im privaten Rahmen besprechen. Für heute reicht es, wenn man sich besser kennenlernt.

      Witwe Kunz, Entschuldigung, natürlich Maria ist mit Rosa in ein Fachgespräch über Apfelkuchen und andere Kunstwerke, welche Rosa in ihrer Küche herzaubert, beschäftigt. Maria hört gespannt zu, denn ehrlich gesagt, ist sie nicht die beste Köchin. Für sich kocht sie nur einfache Mahlzeiten.

      Die Stimmung wird immer lockerer. Hungrig muss niemand vom Tisch. Jetzt öffnet Josef die Schnapsflasche und schenkt ein. Die Proteste von Maria nutzen nichts, sie bekommt ebenfalls ein Glas und Josef achtet darauf, dass es auch gut gefüllt ist.

      Während die Schüler zur Auflockerung noch ein Lied anstimmen, schunkeln die Erwachsenen dazu. Rosa fordert Josef auf, sich zwischen sie und Maria zu setzen. Ein kleiner Schauer durchläuft Maria, als Josef sie um die Hüfte anfasst. Jetzt ist diese Berührung, welche vor einem Jahr noch nicht zustande kam, doch noch Tatsache geworden. Noch fasst sie Josef eher zaghaft an, während Maria auf jedes Zeichen achtet. Natürlich ist Josef nervös und sehr scheu, doch je länger das Lied dauert, umso lockerer wird seine Umarmung.

      Nun ist das Lied zu Ende, die anderen Gäste haben längst ihre Hände wieder auf den Tisch. Josefs Hand liegt immer noch um die Hüfte von Maria. Er tut einfach so, als ob er auf das nächste Lied wartet. Nur das kommt nicht, denn die Kinder schicken sich an, den Anlass zu beenden und beginnen mit wegräumen.

      Die Hand von Josef, welche immer noch um ihre Hüfte gelegt ist, versetzt sie innerlich in heftige Aufregung. Sie wagt sich kaum zu bewegen, weil sie befürchtet, dass eine Bewegung von Josef falsch interpretiert werden könnte. Schliesslich nimmt sie allen Mut zusammen und streicht sanft über seine Hand. Nach ein paar Sekunden drückt sie sie leicht und signalisiert damit, dass es ihr gefällt.

      Inmitten der beginnenden Aufräumarbeiten, sitzen die beiden immer noch da und geniessen den Augenblicke. Als es Maria auffällt, drückt sie nochmals fest die Hand von Josef und steht auf, um sich an den Aufräumarbeiten zu beteiligen. Etwas verwirrt hilft nun auch Josef und trägt den Abfall nach draussen.

      Witwe Kunz steht jetzt an der Schulzimmertüre und verabschiedet die ersten Gäste. Den Kindern wünscht sie schöne Ferien und einen guten Start beim neuen Lehrer. Bei den Eltern bedankt sie sich und wünscht ihnen alles Gute. Joshua und Josef sind ganz am Schluss noch da und Josef verabschiedet sich mit einem festen Händedruck und einem tiefen Blick in Marias Augen.

      «Haben Sie», er korrigiert sofort, «hast du Lust, einmal mit mir ins Kino zu gehen?»

      Im letzten Moment kann er mit der Frage noch die Situation retten, mit leicht zitternden Knien wartet er auf die Antwort von Maria.

      «Gern», flüstert sie, «ich melde mich bei dir, wenn ein Film läuft, der mich interessiert. Ich schaue dann mal in deinem Laden vorbei, ich weiss wo der liegt.»

      «Bis


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