Raus aus der Krise. Geri Schnell

Raus aus der Krise - Geri Schnell


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sollten Sie etwas dagegen haben?», fragt die Reporterin.

      «Nun, Erstens habe ich keine Zeit, denn ich muss unbedingt ein Zimmer finden, ich will nicht mehr draussen übernachten und zweitens bin ich an Publizität nicht interessiert, solange ich keine Arbeit habe», entgegnet Max und will mit drittens und viertens weiterfahren.

      «Bestellen wir doch zuerst unser Nachtessen», schlägt Frau Walter vor, «dann gehen wir in aller Ruhe die Punkte durch», schliesslich fügt sie noch hinzu, als sie das Gesicht von Max bemerkt, «es geht auf meine Rechnung, auch wenn wir uns nicht einig werden.»

      Das ist genau das was Max hören will und er ist zusätzlich erleichtert, dass auch der Kellner wenigstens diesen Satz mitbekommen hat. Also macht er sich daran, die Speisekarte zu studieren. Als er die Preise sieht, hätte er sie am liebsten gefragt, ob sie nicht zusammen zu Mac Donalds umziehen könnten, um sich dann die Differenz auszahlen zu lassen. Er muss sich weit zurück erinnern, wann er das letzte Mal in einer solchen Speisekarte geblättert hatte.

      Früher war er nie ein Feinschmecker und hatte nie das Gefühl, dass er das vornehme Getue vermissen würde. Also wählt er ein ganz normales Steak aus, noch längstens nicht das Teuerste, welches auf der Karte zur Auswahl stand.

      «Mit Salat? Und was nehmen sie als Vorspeise?»

      Max muss unbedingt noch eine Vorspeise aussuchen und als er zum Trinken eine Kola bestellt, schaut ihn die Reporterin einen Moment sprachlos an, bestellt sich dann auch nur ein Mineralwasser. Der Kellner verschwindet und ihr Gespräch von vorhin kann fortgesetzt werden.

      «Also, bei der Zimmersuche, da könnte ich ihnen vielleicht helfen. Mit der Arbeitsstelle ist es etwas schwieriger, die sind im Moment leider sehr dünn gesät. Aber vielleicht könnte ein Honorar für die Story, die finanziellen Probleme etwas mildern. Aber es gibt da anscheinend noch andere Punkte?»

      «Ja, das ist nicht so einfach. Ich möchte vor allem meine Freunde in Ägypten nicht in Gefahr bringen, wenn jemand erfahren würde, wer und wie ihm geholfen wurde, bringt er sie in Gefahr. Solche Regime sind manchmal recht brutal, wenn sie das Gefühl haben, einen Verräter entlarven zu können. Ich hoffe, das verstehen Sie?»

      Max setzt dazu noch ein ernstes Gesicht auf.

      «Es freut mich, dass es Ihnen nicht unbedingt darum geht, den Preis in die Höhe zu treiben», antwortet Frau Walter, «aber Sie haben natürlich Recht, ihre Freunde könnten tatsächlich in Gefahr geraten, das müssen wir verhindern. Also, ich verspreche Ihnen, keine Fotos, keine Namen und keine Details, welche den genauen Aufenthaltsort in Ägypten verraten würden.»

      Die Reporterin geht sehr behutsam mit Max um, und er ist seinerseits sehr bemüht, sich die Informationen nicht aus der Nase ziehen zu lassen. Sie macht ihm schliesslich ein faires Angebot. Das Honorar, welches sie von den verschiedenen Zeitungen kassieren kann, würde aufgeteilt.

      Im weiteren Verlauf des Abends reden sie überraschenderweise mehr über sie. Susanne Walter hatte vor zwei Jahren ihr Studium als Journalistin abgeschlossen. Sie ist gerade 27 Jahre alt geworden und arbeitet freiberuflich für verschiedene Lokalblätter. Susanne ist eine sportliche Erscheinung, etwa einen Meter siebzig gross, hat blaue Augen und mittellange, offene dunkelblonde Haare. Sie träumt wie viele junge Journalisten davon, die grosse Story zu schreiben, mit der sie endlich den Durchbruch schafft.

      Max fühlt sich in Susannes Gesellschaft immer wohler, er hat seit Ägypten, keinen so unterhaltsamen Abend mehr gehabt. So langsam gefällt ihm die Art der Reporterin, wie sie ihm aus ihrem Leben erzählt, welches nicht ganz so dramatisch verlief, wie sein Leben in letzter Zeit. Doch auch sie hatte es nicht immer leicht, als freie Journalistin arbeiten heisst, um jede Zeile kämpfen, die man platzieren kann und das heisst in vielen Fällen, dass man unglaublich schnell sein muss. Zum Glück braucht sie nicht viel zum Leben, dank guten Beziehungen, fand sie eine günstige Altbauwohnung und ihr kleiner Fiesta ist eigentlich ihr einziger Luxus, sie braucht ihn unbedingt zur Ausübung ihres Berufs.

      Inzwischen wird bereits das Dessert serviert und Frau Walter bemüht sich immer noch, nicht auf das eigentliche Thema zurückzukommen, sie will zuerst das Vertrauen von Max gewinnen. Susanne beginnt sich langsam, nicht nur aus beruflichen Gründen, für Max zu interessieren. Sie muss jedoch feststellen, dass Max ein Mensch ist, der sich nach innen abkapselt und nur sehr schwer zugänglich ist. Ein Mensch auch, der sehr interessante Ansichten hat, die sie immer mehr interessieren, auch wenn sie nicht mehr so sicher ist, dass die Story zustande kommt, die sie sich erwartet hat.

      Langsam taut auch Max auf und erzählt, von seiner früheren beruflichen Karriere, welche so schnell zu Ende ging. Dann ging es langsam aufwärts, er fand eine neue Stelle, bis das Corona-Virus ihn erneut arbeitslos machte. Erstmals seit langer Zeit redet er auch mit jemandem über seine Ehe, seine beiden Buben und die Scheidung. Das sind Erlebnisse, welche Max erzählen kann, ohne jemand zu gefährden. Es tut ihm gut darüber zu reden, es ist das erste Mal, dass er ohne Hass an seine Exfrau denkt.

      «Nenn mich bitte Max, ich bin den Herr Meier nicht mehr gewöhnt», bittet Max plötzlich und prostet ihr mit der Kaffeetasse zu.

      «Danke, es soll gelten, meine Freunde nennen mich Susi», auch sie hebt kurz ihre Kaffeetasse, stellt sie jedoch sofort wieder hin, beugt sich vor und gibt Max zwei Küsse auf die Wangen. Max wird etwas verlegen und sein Gesicht rötet sich. Früher hatte ihm so etwas nichts ausgemacht, da war er den Umgang mit Frauen noch gewohnt, aber seit der Scheidung, war es die erste Berührung mit einer Frau.

      «Du hast mir immer noch nicht erzählt, wie du von meiner Ägyptengeschichte gehört hast», fragt Max, «ich habe niemandem davon erzählt.»

      «Ich habe da so meine Tricks», entgegnet Susi und lächelt dazu geheimnisvoll, «wo gedenkst du eigentlich die heutige Nacht zu verbringen?»

      «Das ist eine ganz andere Geschichte, es ist eine warme Nacht, also werde ich mich irgendwo an der Aare in meinen Schlafsack verkriechen. Ich habe da schon schlimmeres erlebt.»

      «Wenn du versprichst, schön brav zu sein, dann könntest du bei mir schlafen», macht Susi den überraschenden Vorschlag, «dann kann ich dir auch mein Geheimnis zeigen.»

      «Das kann ich doch nicht annehmen, du hast schon genug Ausgaben gehabt und das mit dem Interview möchte ich mir noch gründlich überlegen, ohne dass ich unter Druck stehe», Max ist verlegen, obwohl er eigentlich gerne von diesem verlockenden Angebot Gebrauch gemacht hätte.

      «Das hat doch mit dem Interview nichts zu tun, es war ein schöner und interessanter Abend für mich und ich könnte nicht schlafen, wenn ich wüsste, dass du draussen schlafen musst. Das ist reine Nächstenliebe!»

      «Also, dein Angebot ist zu verlockend, aber du sagst es, wenn ich dir auf die Nerven gehe, du kannst mich mitten in der Nacht vor die Türe setzen. In Ägypten war die Gastfreundschaft irgendwie normal, in der Schweiz habe ich damit noch Probleme. Aber versuchen wir es. Danke für die Einladung!»

      «Nichts zu danken», antwortet Susi und sucht nach dem Kellner, um die Rechnung zu verlangen.

      «Es kostet mich ja nichts.»

      Eine Viertelstunde später sitzen sie zusammen in ihrem Fiesta und fahren Richtung Aarburg. Max wird ganz still, denn er ist schnelles Autofahren nicht mehr gewohnt. Susi lässt sich in ihrem Fahrstil nicht beeindrucken und steuert ihren Kleinen, mit viel Gottvertrauen durch den spärlichen Verkehr. Für Max hat es immer noch zu viele Autos. Aber die rasende Fahrt geht gut und mit einem Ruck steht das Auto vor einem älteren Mehrfamilienhaus.

      «So da wären wir», Susi löst ihren Sicherheitsgurt, «nicht gerade ein Schloss, aber für mich reicht’s. Komm steige aus, ich fresse dich nicht.»

      Max steigt aus und folgt ihr zur Tür. Sie wohnt im zweiten Stock in einer Dreizimmerwohnung, als sie öffnet, wird sie von ihrer Katze freudig begrüsst, welche ihr aufgeregt um die Beine streicht. Ohne einen Unterschied zu machen streicht Schnurrli, wie die Katze heisst, auch um die Beine von Max.

      «Ich hab's gewusst, dass sie dich mag», stellt Susi begeistert fest, «das macht sie sonst nur bei Leuten, die sie kennt!


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