Tödliche Vetternwirtschaft. Irene Dorfner

Tödliche Vetternwirtschaft - Irene Dorfner


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Herr Fuchs, das muss doch nicht sofort sein, morgen ist auch noch ein Tag. Es ist schon nach 18.00 Uhr und für heute ist es genug. Morgen früh gehen wir alle frisch ans Werk.“

      Leo fuhr mit Viktoria nach Hause. Beide wohnten zusammen auf dem Bauernhof von Hans Hieblers Tante Gerda, der vor den Toren Altötting inmitten von Wiesen und Feldern lag. Sie hatte das obere Stockwerk ausgebaut und an Leo vermietet, als dieser von Ulm nach Mühldorf versetzt wurde und eine Bleibe suchte. Viktoria war vor einigen Monaten zu Leo gezogen. Inzwischen waren die drei eine Familie geworden und verbrachten gerne Zeit zusammen. Wie so oft hatte Tante Gerda für die beiden mitgekocht und das Essen auf den Herd gestellt. Leo und Viktoria waren begeistert, denn keiner hatte Lust, heute noch großartig zu kochen. Die Post lag auf dem Wohnzimmertisch, daneben stand ein frischer Strauß Tulpen.

      „Tante Gerda ist ein Schatz,“ rief Viktoria entzückt und roch an den Blumen, die herrlich nach Frühling dufteten.

      Sie ließen es sich schmecken und zappten durch die Programme, bis sie endlich an einer Gameshow hängenblieben, deren Teilnehmer sehr lustig waren. Das war die Ablenkung, die sie jetzt brauchten, denn beide wussten genau, dass sie sich doch nur über den heutigen Tag unterhalten würden, wenn das Programm langweilig war.

      4.

      Friedrich Fuchs war mit seinen Leuten bereits um 7.00 Uhr im Ortsteil Waldfrieden in Töging. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er gestern Abend noch angefangen, das Haus zu durchsuchen. Aber der Chef war anderer Meinung und natürlich fügte er sich den Anweisungen Krohmers, vor dem er sehr großen Respekt hatte. Dieses ganze Gequatsche während der gestrigen Besprechung war ihm zuwider, er arbeitete lieber. Er wies seine Leute an und alle waren mit Eifer dabei, denn die letzten Wochen gab es nicht allzu viel Interessantes zu tun. Fuchs hatte verstanden, dass es keinen Anhaltspunkt für ein Gewaltverbrechen gab und daher spürte er die ganze Last auf seinen Schultern. Er und seine Leute durften nicht den kleinsten Hinweis übersehen, der auf ein Verbrechen hindeuten könnte. Er hasste es, wenn oberflächlich oder gar schlampig gearbeitet wurde. Und wenn sich dieser Todesfall tatsächlich als Mord herausstellen sollte, dann hatte der betreffende Arzt schlampig gearbeitet, was für Fuchs absolut nicht akzeptabel war. Das würde seine ständigen Eingaben untermauern, mit denen er seit Jahren dafür plädierte, dass nicht jeder Arzt einen Tod feststellen und den Totenschein ausstellen durfte, sondern dies durch besonders geschultes Personal geschehen sollte. Er hatte sich darüber schon oft mit Krohmer unterhalten, der seine Argumente grundsätzlich unterstützte, aber ihm die Hoffnung nahm, dass seine Forderung in den nächsten Jahren berücksichtigt werden würde. Dafür fehlten einfach die finanziellen Mittel! Pah! Immer wieder diese dämliche Geldfrage, als ob die immer an erster Stelle stehen sollte! Fuchs war es egal, was sein Vorschlag kostete, er dachte nur an die Opfer und vor allem an die Hinterbliebenen, die in seinen Augen ein Recht darauf haben, von einem Fachmann zu erfahren, woran der Tote starb. Mit diesen Gedanken arbeitete er auf Hochtouren und verlangte dies selbstverständlich auch von seinen Mitarbeitern, die ihn auch dafür hassten. Aber trotz allem waren die Jobs bei Fuchs heiß begehrt, denn es eilte ihm der Ruf voraus, dass es kaum jemanden gab, der seine Arbeit mit einer solchen Hingabe und Akribie erfüllte und bei dem man so unendlich viel lernen konnte. Außerdem behandelte Fuchs jeden gleich, so etwas wie Sympathie gab es bei ihm nicht. Und er verlangte von seinen Leuten nichts, was er selbst auch nicht tat.

      Leo und Hans fuhren zu Helmut Burgmeister, Viktoria und Wastl wollten mit Dr. Theo Unger sprechen.

      Die Großmetzgerei Müh-Gro-Fleisch im Industriepark II in Mühldorf war größer als erwartet. Hans war die letzten Jahre nicht mehr hier gewesen und war erstaunt, was hier zwischenzeitlich angebaut wurde; Leo war in dieser Ecke Mühldorfs noch nie gewesen. Die riesige Anlieferzone für Lkws sah aus wie bei einem Möbelgeschäft und an der Anzahl der parkenden Mitarbeiter-Fahrzeuge konnte man in etwa abschätzen, wie viele Menschen hier arbeiteten und wie groß dieses Unternehmen war. Das Verwaltungsgebäude bildete das Zentrum des Komplexes und erinnerte mit seinen üppigen Pflanzen am Eingang, der Drehtür und dem gläsernen Aufzug an der Außenseite ebenfalls an ein Möbelhaus. Sie zeigten ihre Ausweise am Empfang und wurden umgehend zu Burgmeister in dessen Büro vorgelassen.

      „Kriminalpolizei? Wer hat uns denn jetzt wieder angeschwärzt? Wieder diese militanten Tierschützer? Erst vorgestern hat der Werksschutz wieder zwei von diesen Idioten vom Firmengelände geworfen. Am Ostermontag! Das muss man sich mal vorstellen!“ Helmut Burgmeister war ein 60-jähriger, cholerischer, kleiner und sehr dicker Mann mit einer furchteinflößenden Stimme. Vor allem die Lautstärke ließ einen erschrecken. Er thronte hinter seinem riesigen, überladenen, uralten Schreibtisch, vor dem zwei unbequeme Stühle standen. Burgmeister hielt offenbar nichts von einem gemütlichen, ordentlichen Büro, denn auch an den Wänden und vor allem in den Ecken herrschte Chaos und Unordnung in und über uralten, bunt zusammengewürfelten Möbelstücken. Hans konnte nicht ein persönliches Stück finden, woran man erkennen konnte, wessen Büro das war. Burgmeister bot den beiden keinen Platz an und die Polizisten zogen es vor, stehen zu bleiben, denn sie befürchteten, dass die klapprigen Stühle unter ihrer Last zusammenbrechen würden.

      „Es geht um Gerald Haferstock,“ sagte Leo sehr leise, um damit auch Burgmeisters Stimme etwas zu senken, denn er vertrug dieses Geschrei überhaupt nicht und bekam davon Kopfschmerzen.

      „Gerald? Warum? Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Er ist doch an einem Herzinfarkt hEhHHHH gestorben. Er wurde auch schon beerdigt, ich war selbst dabei.“

      „Sie waren mit Herrn Haferstock befreundet?“ half ihm Hans auf die Sprünge.

      „Das würde ich nicht behaupten. Gut, unsere Wege haben sich ab und zu gekreuzt, vor allem, als der Anbau und die neue Werkshalle geplant und dann gebaut wurden. Gerald bekam den Auftrag von der Firmenzentrale zugesprochen, dabei haben wir uns kennengelernt. Aber mehr hatten wir nicht miteinander zu tun.“

      „Vergessen Sie nicht den geplanten Freizeitpark in Altötting,“ fügte Hans ruhig an.

      „Sie wissen davon?“ Burgmeister war aufgesprungen, beugte sich über den Schreibtisch und fuchtelte vor Hans‘ Gesicht mit seinem Zeigefinger herum. „Woher zum Teufel wissen Sie das? Das ist alles noch nicht spruchreif und es wurde diesbezüglich noch nicht das letzte Wort gesprochen. Das Projekt hängt noch in der Schwebe. Eins sage ich Ihnen gleich: Wenn Sie diese Information vorschnell an die Medien weiterleiten, kann ich sehr ungehalten werden. Wenn irgendwelche Verleumdungen in Umlauf kommen, schalte ich sofort meinen Anwalt ein und mache Sie für die Konsequenzen haftbar.“ Burgmeisters Kopf war knallrot geworden und drohte gleich zu platzen. Natürlich schrie er wieder.

      „Jetzt beruhigen Sie sich. Wir sehen keinen Grund, dieses Großprojekt an die große Glocke zu hängen.“ Noch blieb Hans ruhig, aber wenn sich dieser Typ nicht unter Kontrolle bekommen würde und ihm nochmals auf die Pelle rücken sollte, dann würde er ganz andere Saiten aufziehen. Offenbar bemerkte Burgmeister, dass er übertrieben reagiert hatte, setzte sich wieder und sprach nun wieder mit normaler Lautstärke.

      „Ich verlasse mich auf Ihre Verschwiegenheit. Ein Freund kam eines Tages mit dieser Idee eines Freizeitparks an und ich habe mich aus verschiedenen Gründen, vor allem auch aus Steuergründen dazu entschlossen, mich daran zu beteiligen. Wie gesagt, alles legal. Und warum soll dieses Konzept nicht funktionieren? Bevor ich auch nur einen Cent in dieses Unternehmen investiert habe, beauftragte ich eine Münchner Firma damit, eine Marktanalyse anzufertigen. Als die positiv ausfiel und Gerald Haferstock über Beziehungen um tausend Ecken auch noch die katholische Kirche für das Projekt gewinnen konnte, habe ich schließlich investiert. Fragen Sie nicht, wie Gerald das gemacht hat, aber er hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, zu dem Projekt nicht nur einen finanzkräftigen, sondern auch einen sehr gewichtigen Investor zu finden, was ihm durch die katholische Kirche auch gelungen ist. Wir hatten schnell ein geeignetes Areal gefunden. Mein Freund wollte sich darum kümmern, die Grundstücke in unseren Besitz zu bringen. Und er kümmert sich auch um die entsprechenden Genehmigungen, die mit dem Projekt verbunden sind. Das Bauamt und die Stadt Altötting haben vorab signalisiert, dass auch sie Interesse an diesem Freizeitpark haben, natürlich noch nicht offiziell und es liegt auch noch nichts Schriftliches


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