Kulllmann kann's nicht lassen. Elke Schwab

Kulllmann kann's nicht lassen - Elke Schwab


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ist schon manch einer erschrocken.«

      Anke beschloss, diese Unterhaltung ihrem Kollegen zu überlassen, während sie sich umsah.

      »Wir müssen uns noch einmal über Samstagnacht unterhalten«, erklärte Erik den Grund ihres Besuches.

      Rita begann zu lachen, was Erik und Anke staunen ließ. Darauf meinte sie: »Sie reden von Samstagnacht, als sei es die Apokalypse gewesen. Dabei waren wir auf einer Party, wo es total lustig zuging.«

      Annette sprang auf, eilte zu einer Schublade der Küchenzeile und nahm einige Fotos heraus. Sie zeigte sie Erik, ohne Anke zu beachten und fügte an: »Schauen Sie sich die Fotos an. Wie Sie sehen, war es eine echte Superparty. Schade, dass Sie nicht dabei waren. Ein Mann wie Sie hätte dort gerade noch gefehlt.«

      Erik schaute sich die Fotos genau an und versuchte, Emil Taubers Gesicht darauf zu erkennen. Ohne Erfolg.

      »War Emil Tauber nicht auf der Party?«

      »Nein! Den lädt keiner ein, weil ihn keiner leiden kann«, winkte Annette ab.

      »Warum?«

      »Er ist lästig. Mögen Sie es, wenn ständig jemand in Ihrer Nähe steht, immer nur zuhört, als wollte er kein Wort verpassen, aber nicht ein einziges Mal den Mund aufmacht?«, fragte Annette zurück.

      »Nein«, gab Erik zu. »Warum verhält er sich so?«

      »Das wissen wir nicht«, wandte nun Rita ein. »Wir wissen nur, dass Emil sich schon immer so verhalten hat. Er ist genauso alt wie wir, mit uns schon in den Kindergarten und später in die Grundschule gegangen. Danach haben sich unsere Wege getrennt. Allerdings taucht er immer da auf, wo wir sind. Deshalb wundert es uns nicht, dass er Samstagnacht hinter uns hergefahren ist.«

      »Sie wollen damit sagen, dass Emil vor dem Haus, in dem die Party stattfand, auf Sie gewartet hat und Ihnen gefolgt ist ohne mit Ihnen zu sprechen?« Erik staunte.

      »Genau das«, stimmten Annette und Rita gleichzeitig zu, was erneut einen Lachanfall auslöste.

      Erik amüsierte sich über das Verhalten der jungen Damen, die den Eindruck machten, als seien sie durch nichts zu erschüttern.

      »Das würde bedeuten, dass Emil bestens Bescheid darüber wusste, dass Sie zu dritt in dem Auto saßen«, überlegte er weiter.

      Fragend schauten ihn Annette, Rita und Anke an.

      Erik erhob sich von seinem Stuhl und ging in der großen Küche langsam auf und ab. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass es wieder begonnen hatte zu regnen. Er drehte sich um und sah, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Sie warteten darauf, dass er endlich seinen Gedankengang erklärte.

      »Ist außer Susi Holzer noch jemand von Ihnen mit Drohanrufen belästigt worden?«

      Annette und Rita schüttelten die Köpfe.

      »Also kann Emil nicht der Anrufer gewesen sein.«

      Rita lachte laut los: »Emil doch nicht. Niemals! Den hätte Susi sofort an seiner Stimme erkannt.«

      »Und warum kam Emil Sie gestern bei Susi zu Hause besuchen?«

      »Das wissen wir nicht.«

      »Natürlich nicht, Sie haben ihm ja gar keine Gelegenheit gegeben, den Anlass seines Besuches zu erklären«, schaltete sich Anke ein.

      »Warum sollten wir. Wie schon gesagt: er ist lästig. Wir wollen ihn nicht in unserer Nähe haben«, wehrte sich Annette.

      »So lästig, dass Sie fluchtartig davonrennen?« Anke zweifelte.

      Rita und Annette schwiegen.

      Eine Weile war es so still, dass deutlich der heftige Wind und der prasselnde Regen zu hören waren. Als Anke zum Fenster schaute, sah sie in der anbrechenden Dunkelheit, wie einige Bäume sich bogen. Es tobte ein heftiger Sturm.

      »Als Emil in Susis Haus eintraf, hatte ich nicht den Eindruck, dass er unbeliebt ist«, sprach Anke in die Stille.

      »Sondern?«

      »Es sah so aus, als hätten Sie Angst vor ihm.«

      Wieder lachten die beiden Frauen. Erik, der immer noch in einiger Entfernung stand, räusperte sich und murrte: »Es ist nicht alles lustig, was hier gesprochen wird.«

      Sofort verstummten Rita und Annette. Annette stand auf, stellte sich dicht neben Erik. Sie taxierte ihn und fragte: »Warum bist du wirklich hier?«

      »Für Sie bin ich immer noch Herr Kriminalkommissar Tenes und möchte mit Sie angesprochen werden«, stellte Erik die Verhältnisse unmissverständlich klar.

      Annette verzog enttäuscht ihr Gesicht.

      Erik setzte sich auf seinen Stuhl und schaute Rita dabei an, während er sprach: »Wir müssen ausschließen können, dass Sybille Lohmann durch einen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht gestorben ist, bevor wir diesen Fall als Tötungsdelikt behandeln.«

      »Tötungsdelikt?«, staunte Rita. Ihr Gesicht wurde kalkweiß. »Sie reden von Mord?!«

      »Genau das! Wenn Susi versehentlich ein Fahrzeug von der Straße abgedrängt hat, ohne sich dessen bewusst zu sein, kann Ihnen nichts passieren, wenn Sie es jetzt zugeben. Deshalb bitte ich Sie, sich zu erinnern, was auf dem Nachhauseweg passiert ist!«

      Annette setzte sich neben ihre Freundin.

      »Es fällt mir schon schwer genug, mir vorzustellen, dass Sybille wirklich tot ist«, meinte sie mit betroffener Miene. »Wir haben uns immer gut verstanden. Rita hatte Sybille sogar die Arbeit auf dem Gesundheitsamt besorgt, wo sie aber leider nicht lange geblieben ist.«

      »Das beantwortet unsere Frage nicht.« Anke ließ sich nicht ablenken.

      Vielsagend schauten die beiden sich an, bis Rita murrte: »Wir sind uns keiner Schuld bewusst. Ein Fahrzeug von der Straße abzudrängen wäre doch mit quietschenden Reifen, Klirren und Krachen verbunden. Aber da war absolut nichts.«

      »Und die angebliche Sternschnuppe?«, hakte Anke nach.

      »Das war so ein Idiot auf der Gegenfahrbahn, der das Fernlicht nicht ausgeschaltet hatte.«

      Erik und Anke bedankten sich und traten hinaus in das unfreundliche Herbstwetter. Schnell stiegen sie ins Auto ein.

      »Was hältst du davon?«, fragte Anke, kaum dass sie die Autotür zugeschlagen hatte.

      »Ich bekomme das Gefühl nicht los, dass diese unbeschwerten Damen uns zum Narren halten. So viel Fröhlichkeit bringt doch den einfältigsten Trottel zum Zweifeln.«

      »An wen denkst du da speziell?«, hakte Anke nach.

      »An Emil.«

      »Also, worauf warten wir noch? Fahren wir zu Emil und hören uns seine Version der Geschichte an.«

      *

      Es war ein flaches, altes Haus dicht an der Hauptstraße. Links von einer Scheune und recht von einem größeren, gepflegten Gebäude flankiert. Die Fassade wirkte vernachlässigt. Der Putz bröckelte an vielen Stellen ab. Die Haustür war klein und baufällig. Über der Tür befanden sich im Steinrahmen unverständliche Schriftzeichen, die aussahen, als wollte der Bewohner des Hauses böse Geister fernhalten. Als Erik klingelte, hörten sie fast gleichzeitig ein lautes Krachen aus dem Hausinneren. Schnell eilte Erik an die Scheune und versuchte, durch das Holztor einen Blick hineinwerfen zu können.

      »Das ist keine Scheune mehr, wie es aussieht. Darin steht nämlich ein Auto », rief er Anke zu. »Ich gehe um die Scheune herum zur Rückseite des Hauses, um nachzusehen, ob es noch einen anderen Eingang gibt.«

      Sofort rannte Erik los. Anke blieb allein vor der Haustür stehen. Sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass sich etwas Schlimmes darin abspielen könnte. Zum Glück dauerte es nicht lang, da öffnete Erik die Haustür.

      »Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie ganz überrascht.

      »Komm


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