Snørgl der Waldwicht. Betty Kamer

Snørgl der Waldwicht - Betty Kamer


Скачать книгу
bin. Mit Fremden soll man ja nicht reden und auch nicht mitgehen. Weißt du, da das Kind ja bereits in dem Buch über mich gelesen hat, kannte es mich irgendwie schon. Dann unterhalten wir uns über die Familie, die Freunde und so erfahre ich auch, was sie traurig macht. Auch reden wir über die Hobbys und welche Bücher sie gerne lesen. So kommt für mich der Moment, der so wichtig ist: Wir unterhalten uns über das Buch. Unser Wichtenbuch. Und ich erzähle von den Reisen, die wir in den Träumen gemeinsam unternehmen können und von den Abenteuern, die zu erleben sind. In den meisten Fällen erfahre ich so auch, was das Kind am liebsten erleben würde, oder wo es gerne einmal hin möchte.

      Und dann ist es Zeit, auf eine Traumreise zu gehen... wohin auch immer das Kind reisen möchte, was auch immer es zu erleben wünscht, welche Sehnsucht es auch immer hat. Denn durch das magische Pulver der Elfen können wir diese Traumreise gemeinsam erleben.

      Als ich meine erste Aufgabe bekam, war ich sehr erstaunt, da ich zuvor noch nie richtig auf die Glühwürmchen geachtet hatte. Ich dachte doch tatsächlich, dass die mit kleinen Lämpchen durch die Gegend fliegen und man deshalb ihr Licht sehen kann. Aber das stimmt natürlich nicht.

      Weißt du, Glühwürmchen besitzen eine im Tierreich seltene Fähigkeit: Sie erzeugen durch eine chemische Reaktion Licht – eine so genannte Biolumineszenz. (Ich konnte das Wort beim ersten Mal nicht richtig lesen und schon gar nicht aussprechen. Wenn es dir genauso geht, dann frage bitte jemanden aus deiner Familie.) Ja, ich weiß, das ist ein schweres Wort. Aber es heißt wirklich so und bedeutet, dass die Glühwürmchen in der Lage sind, Licht zu erzeugen. Dass machen sie, in dem sie durch einen Energiebaustein - den sie in ihrem Körper produzieren - und Sauerstoff eine chemische Reaktion auslösen. Vielleicht denkst du, dass das Licht der Glühwürmchen sicher warm und gelblich ist. Das dachte ich jedenfalls, bis Elin die Elfe es mir erklärte. Denn das Licht ist ganz hell und kalt.

      Wie ich das meine, dass es kalt ist?

      Frag doch mal bei dir zu Hause nach, ob ihr noch alte Glühbirnen habt. Wenn eine Glühbirne kaputt ging, musste man sie zunächst abkühlen lassen, bevor man sie auswechseln konnte. Das Licht dieser Glühbirnen war nicht so hell, aber dafür wurde die Glühbirne selbst sehr heiß. Und bei den Glühwürmchen ist das genau umgekehrt: das Licht ist super hell, aber dafür gibt es keine Wärme ab. Es nutzt also die ganze Energie dafür, hell zu leuchten und nicht, um Wärme abzugeben.

      Das Leuchten dient den Tieren hauptsächlich dazu, sich zu verständigen. Manche blinken ganz schnell hintereinander und dann wieder lange durchgehend. Ich habe mich schon oft gefragt, über was die sich wohl unterhalten – aber danach gefragt habe ich noch nie.

      In unseren Wäldern leben sie sicher, da auch sie früher gerne von Vögeln und Spinnen gefressen wurden. Du brauchst dich nicht zu erschrecken, denn das ist ganz natürlich. Aber seitdem die Elfen allen Tieren im Wald erklärt hatten, wie wichtig die Glühwürmchen für uns sind und wie sehr wir auf die Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen sind, werden sie von den Tieren in Ruhe gelassen und respektiert.

      Besonders häufig kann man diesen schönen Anblick des fliegenden Lichts in trockenen Sommernächten sehen: Plötzlich wimmelt es im Dunkeln vor kleinen Lichtpunkten. Es sind Glühwürmchen, die je nach Art entweder durchgehend leuchten oder in kurzen Abständen aufblinken.

      Ja, was gibt es noch zu erzählen? Ah ja: die weiblichen Glühwürmchen können nicht fliegen und krabbeln meist auf Bäumen herum und die männlichen Glühwürmchen fliegen so etwa einen Meter über dem Boden. Na ja, und eigentlich sind es auch keine 'Würmchen', sondern Käfer.

      Siehst du, jetzt weißt auch du, warum man manchmal im Dunkeln scheinbar kleine Lichtlein schweben sehen kann.

      Lass mich kurz nachdenken… ja, nun habe ich dir alles über die Glückskinder und auch über die Glühwürmchen erzählt, glaube ich zumindest.

      Meine neue Baumwohnung

      „Ich bekomme diesen vermaledeiten Knoten nicht auf. Verwichtelt und zugenäht.“

      Oh je, diese Stimme erkenne ich unter hundert anderen Stimmen. Das ist ganz sicher Galdur, der sich wieder einmal über etwas ärgert.

      Ich gehe lieber einmal nachsehen, was da los ist. Galdur hat seine Wohnung nämlich im gleichen Baum, wie ich. Wir sind also quasi Nachbarn, auch wenn sich der Eingang zu seiner Wohnung auf der anderen Seite des Stammes befindet. Doch lass mich dir zuvor erzählen, was es mit den Bäumen auf sich hat:

      Nun, wir Wichte leben schon seit sehr langer Zeit zusammen mit den Tieren in Mischwäldern. Weißt du, das sind Wälder, in denen es viele Laubbäume gibt, wie zum Beispiel Buchen, Birken, Ahorn, Eichen und auch Nadelbäume wie Tannen, Lärchen und Fichten.

      In den Wäldern halten alle Bewohner ganz fest zusammen, weil wir uns gegenseitig helfen können.

      Freundschaft ist ja nicht nur für Wichte sehr wichtig, sondern auch für die Menschen. Ich denke, wer ohne Freunde ist, muss sehr einsam sein und auch wenn man sich nicht jeden Tag sieht oder miteinander sprechen kann, so ist es doch wichtig, immer aneinander zu denken und füreinander da zu sein.

      So pflegen die Wichte schon immer eine ganz dicke Freundschaft zu den Vögeln, die ja auch in diesen Wäldern leben. Einige von ihnen haben sogar ihre Brutplätze tatsächlich in den Bäumen und nicht in einem Nest auf einem Zweig. Ja wirklich. Das sind richtige tolle Höhlen im Innern der Baumstämme. Diese Vögel nennt man 'Höhlenbrüter'.

      Das ist zum Beispiel die Meise, der Star, der Buntspecht, die Kohlmeise und der Waldkauz, um dir nur einige Vögel zu nennen.

      Verwichtelt, verwichtelt … ich rede und rede. Ich wollte dir eigentlich etwas anderes erzählen.

      Also, wir Wichte lebten früher in kleinen, etwas windschiefen Häusern am Boden des Waldes. Jedoch kam es immer wieder einmal vor, dass Menschen mit ihren Vierbeinern in den Wäldern spazieren gingen und sie von der Leine ließen. Unverantwortlich, wenn du mich fragst. Ständig schnupperten sie mit ihren feuchten Nasen am Waldboden herum, gruben Löcher in den Boden und zerstörten oftmals sogar unsere Häuser. Und ich sage dir, es ist nicht nur einmal geschehen, dass wir uns vor den erwachsenen Menschen verstecken mussten, die nach ihren Vierbeinern suchten. Die dürfen uns nämlich gar nicht sehen!

      Warum, fragst du?

      Naja, manche von den erwachsenen Menschen haben keine Fantasie mehr und glauben nicht, dass es uns wirklich gibt. Und wenn sie uns entdecken, dann verlieren wir für einige Tage unsere Fähigkeiten und können in dieser Zeit keine Traumreisen unternehmen.

      So haben wir Wichte uns mit den Tieren des Waldes beraten und es wurde die perfekte Lösung für uns gefunden: mit Hilfe der Stare, der Buntspechte, der Rotkelchen und der Waldkäuze haben wir unsere Wohnungen genau so gebaut, wie die Höhlenbrüter ihre Nester bauen. Nur eben nicht hoch oben in den Bäumen, sondern ganz unten in den Stämmen. Und wir bekamen sogar kleine Fenster und Türen.

      Aber wieder zurück zu dem, was ich dir erzählen wollte: Warte mal, verwichtelt noch einmal. Was war das gleich noch? Ach ja, jetzt weiß ich es wieder:

      Also … bis zu dem Moment, als Dellingur mir den Umzug in diese Baumwohnung anbot, wohnte ich mit Tamin gemeinsam in einer Baumwohnung. Ich freute mich sehr über eine eigene Wohnung. Nicht, dass wir uns nicht verstanden hätten. Im Gegenteil: Ich fand es immer sehr schön, mit ihm über alles Mögliche zu reden, während er etwas für uns anderen Wichte nähte. Ein Hemdlein hier, ein Höslein da. Die Stoffe färbt er immer in den schönsten Farben, die Gulltoppur speziell für ihn anmischt. Jedoch brauchten seine Stoffe, die Nähmaschine und der große Tisch, auf dem er die Stoffe zuschneiden konnte, mehr und mehr Platz und ich musste meine Bücher – du musst wissen, ich bin ein absoluter Lesewicht – sogar schon unter dem Bett verstauen. Da kam mir das Angebot von Dellingur schon ganz gelegen.

      Nach der Verbannung von Böggvir, Amur und Allsvartur waren nämlich zwei Baumwohnungen frei geworden.

      Was fragst du? Warum zwei Wohnungen?

      Weißt


Скачать книгу