Verwehte Spuren. Franz Treller
großen Kriege gefochten und die Kanonen krachen hören. Sind hier an der Grenze der Zivilisation, muß jeder sich seiner Haut wehren können. Hat 's Gesetz hier kaum noch Macht, habt's gestern abend gehört, müssen Männer da sein, die ihm mit der Büchse Geltung verschaffen. Sind alle solche Männer hier; sollt schon sehen, wie sie fechten, wenn's nötig wird.«
»Ich glaube es,« sagte der junge Mann, »und nehme nicht ohne aufrichtige Bewunderung diese selbstbewußte Manneskraft, die sich selbst zu ihrem Rechte verhilft, wahr.«
Etwas entfernter vom Feuer saß der Indianer und rauchte ruhig seine Pfeife.
»Willst du einen Schluck Rum, John?« fragte Grover.
»Athoree trinkt nicht Rum auf Kriegspfad.«
»So, meinst du, wird's ein Fechten geben?«
»Werden fechten, wenn nicht davonlaufen können.«
Indem nahten der Konstabel und Jones dem Feuer und ließen sich neben Grover nieder.
»Müssen nun doch einmal beraten, Männer, was morgen zu tun ist,« sagte der Konstabel, »rücke einmal näher, Rothaut, wir brauchen deinen Rat.«
Der Indianer ließ sich näher am Feuer nieder.
»In den Sumpf sind sie, das ist ein Fakt,« äußerte der Konstabel, »wie aber kommen wir hinein oder wie treiben wir die Burschen heraus? Angesichts von vier Büchsen durch die Furt eines Sumpfes zu reiten, ist sicherer Tod. Sagt einmal Eure Meinung, Grover.«
Dieser kratzte sich am Kopfe.
»Kalkuliere, ist eine heikle Sache. Wenn die Kerle Proviant haben, können sie es aushalten. Wer hätte geahnt, daß sie so nahe hier einen solchen Schlupfwinkel haben; selbst der Indianer, der durch seine Jagden die Gegend weit und breit kennt, wußte nichts davon, und was der für eine Spürnase hat, wißt ihr ja.«
»Was meint John dazu?«
Nach einer Weile des Nachdenkens sagte dieser: »Iltis schlau genug, ich denken, er nicht gehen in Bau mit nur einer Röhre.«
»Was meinst du damit?«
»Er laufen in aller Eile von Jones' Wald hier in Sumpf, geben nicht viel Mühe, Spur zu bergen, wissen ganz gut, daß bald hinter ihnen her. Denke, gibt noch andern Ausweg hier.«
»Das wäre verwünscht. Was aber dann tun? Wenn du das meinst, müßten wir doch den Sumpf umzingeln.«
»Er viele Meilen weit,« entgegnete der Indianer. »Müssen warten. Kannst in der Nacht nicht reiten im Wald, Konstabel, und die dort auch nicht. Sind sie noch darin, reiten morgen weg bei Tageslicht, sind sie schon fort, müssen dann Spur aufnehmen, das alles!«
Damit erhob sich der Indianer, hüllte sich in seine wollene Decke und legte sich, den Sattel unter dem Kopf, an einem nahen Baume schlafen.
»John hat recht, Grover; vor Tagesanbruch läßt sich nichts machen,« ließ der Konstabel sich vernehmen. »Wollen morgen sehen. Gute Nacht.« Damit ging auch er vom Feuer hinweg und suchte sich eine Ruhestätte.
Grover sagte: »Ist nichts zu tun vor morgen, Jones, müssen's abwarten.«
»Ja,« sagte dieser seufzend und schritt davon, dem Konstabel nachzuahmen.
»Bleibt nichts Besseres, Fremder, als zu schlafen, um morgen frisch zu sein,« und auch Grover wählte sich einen Platz aus, wo er die Nacht zuzubringen dachte.
Nach und nach fanden alle die von dem scharfen Ritt angestrengten Männer geeignete Lagerplätze, auf des Grafen Befehl legte sich auch Heinrich nieder, so daß der junge Offizier nur noch allein am Feuer wachend saß.
Tiefe Stille herrschte um ihn, nur von fernher klang aus dem Sumpfe das Gequak des Ochsenfrosches herüber und hie und da der Schrei eines Nachtvogels.
Wirr kreuzten sich die Gedanken in seinem Kopf. Was während der aufregenden Verfolgung zurückgedrängt war, die Erinnerung an das furchtbare Schicksal seiner Schwester, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit ihrem Kinde unter der blutigen Faust der Wilden ihr Leben geendet hatte, trat jetzt mit ganzer Mächt hervor, und grause Schreckensbilder stiegen in seinem Geiste auf, die ihn schaudern machten. Dann dachte er des Greises, der in der fernen Heimat tröstliche Kunde täglich erwartete, und ein tiefer Seufzer entstieg seiner Brust. Lange noch saß er so in schmerzlichem Sinnen am niederbrennenden Feuer, bis auch ihm sich der Schlaf nahte, und ein holder Traum, welcher ihm die so heiß ersehnte Schwester in blühender Frauenschönheit zeigte, einen zarten Knaben zu ihren Füßen, ihn über die rauhe Wirklichkeit hinwegtäuschte.
DRITTES KAPITEL.
Die Pferdediebe.
Unterhalb des sich weithin erstreckenden Swampes lag, wie die Farmer ganz richtig vermuteten, eine ziemlich umfangreiche Strecke festen Bodens, eine Insel, rings von ungangbarem Morast umgeben. Während im Sumpfe selbst nur die rote Zeder wuchs, trug dieses Eiland dieselben Baumarten, wie sie ringsum in den Wäldern sich erhoben. Von Bäumen und Büschen dicht eingehüllt lag hier auf einem Zügel eine ziemlich große Blockhütte und dicht daneben ein niedriges Stallgebäude, aus welchem das Scharren von Pferdehufen hervordrang. In der Hütte loderte ein helles Feuer empor und beleuchtete den wenig wohnlichen Raum, wie die Gestalten der Männer, welche um dasselbe, welches einfach in der Mitte auf dem festgestampften Boden brannte, saßen.
Einige roh gefertigte Stühle und Tische, welche ungeordnet umherstanden, dienten nicht dazu, das Innere behaglicher zu gestalten.
Neben den drei Männern, welche am verflossenen Abend bei Grover einkehrten, zeigte sich noch ein vierter, der sich durch eine auffallende Persönlichkeit auszeichnete. Eine kleine, fast zierliche Gestalt trug einen nicht unschönen Kopf, den schwarzes lockiges Haar bedeckte, aus dem mageren Angesicht, dessen Nase spitz hervorragte, blickten zwei dunkle, stechende Augen hervor, dies und das spitz zulaufende Kinn, vielleicht auch noch besondere Eigenschaften, mochten dem noch jungen Mann den Namen Iltis verschafft haben, unter dem man ihn am Muskegon kannte. Auch der kleine Fred wurde er genannt; wie sein eigentlicher Name lautete, wußte hier zu Lande niemand. Neben ihm lag die herkulische Gestalt des Messerhelden von gestern abend. Ruhig und mit einem gewissen Anstand saß auf einem Schemel der, welcher die höflichen Manieren in Grovers Behausung gezeigt hatte, und neben ihm ein breitschulteriger, untersetzter Geselle mit rohem, stumpfsinnigem Gesichtsausdruck, derselbe, den Jones zu spät als den berüchtigten Tyron Erkannte.
Flaschen, Becher, Reste von Mundvorräten zeigten, daß die Bursche tüchtig getafelt hatten.
»Goddam!« murrte der Lange nach einer Weile, während alle geschwiegen, und faßte nach der rechten Schulter, »der Hund hat mir richtig den Arm fast verrenkt, ich spüre es noch.«
»Ich bedauere noch jetzt, daß ich deinem unsinnigen Verlangen, bei Grover einzukehren, nachgegeben habe, Morris «
»Nenne mich nicht Morris,« schrie der Angeredete rauh, »ich bin John Harper aus dem Jackson County, ein ehrenwerter Bürger!«
»Nun ja, meinetwegen Old Nick1 in Person,« sagte ruhig sein Nachbar, was dem Iltis ein helles Gelächter abnötigte.
»Laßt eure Narrheiten, sonst nehme ich einen von euch am Kragen und schüttle ihm die Seele aus dem Leibe,« schrie Morris, und setzte hinzu: »Verdammt, meine Achsel.«
»Daß ich deinem Verlangen, bei Grover einzukehren, nachgegeben habe,« fuhr gelassen der andre fort, »denn es hätte uns alles verderben können!«
»So? Mußten nicht die Pferde getränkt werden, wenn sie in der Nacht noch laufen sollten he?«
»Und mußte nicht der ehrenwerte Bürger aus dem Jackson County etwas Whisky einladen, nachdem er seine volle Flasche unterwegs in großer Eile geleert hatte?«
»Daß uns der Teufel auch die schuftigen Farmer in den Weg führte,« brummte der Angeredete, »wer konnte denn vermuten, in dem einsamen Store zehn solcher Langbüchsen zu finden?«
»Ich will dir was sagen, Morris, der Whisky bereitet