Wir denken an..... Heinrich Jordis-Lohausen
den Künstler vergessen zu lassen.
Gerade deshalb jedoch bedeuten die „Hirten“ für die Beurteilung der zeitgenössischen Malerei weniger als jene anderen, späteren Werke von Egger, an denen weder der Künstler noch der Zeitgeist übersehen werden können, weil sie ihre Betrachter mit unwiderstehlicher Gewalt zur Parteinahme herausfordern.
Das gilt schon vom „Totentanz“ und wird von Eggers Nachkriegswerken noch mehr gelten. Sagen diese weniger über das Ewige aus – in das auch sein Schaffen eingebettet lag wie das jedes Künstlers – so umso mehr über die Erde und über das Jahrhundert, mit welchem er lebte.
Der künstlerische Wert eines Bildes bemisst sich wohl nach seiner Nähe zu Gott, der kunstgeschichtliche aber – und das ist keineswegs immer dasselbe – nach der Nähe zu seiner Zeit.
Den fruchtbarsten Anstoß zur Auseinandersetzung mit dieser seiner Zeit gab Egger der Krieg, zumal seit 1915 der mit Italien, dessen Geschichte ihn, den eingerückten Soldaten und Frontmaler, nie mehr ganz los ließ und deren erster starker Niederschlag seine abermalige Abwandlung des im „Kreuz“ und „Haspinger“ versuchten Themas wurde: „Die Namenlosen“.
Wieder, wie dort, die sich ungezählt über eine horizontlose Fläche vorschiebenden Körper – in ihrer geduckten Gewalt vergleichbar einer alles bedeckenden Spinne aus menschlichen Gliedern ohne Antlitz und ohne Individualität – und bedrückendes Abbild unseres heutigen von den Massen geprägten Krieges.
Der Weg, den Egger von da ab weiterging – wie unter Verzicht auf jede Gefälligkeit – war einsam und steil. Er suchte Schrankenlosigkeit des Ausdrucks in allen seinen Bildern. Aber die war nur zu finden bei äußerster Enthaltsamkeit der Ausdrucksmittel. Bilder wie „Die Kriegsfrauen“, die „Generationen“, „Das Totenopfer“, „Missa eroica“, „Pieta“ oder selbst „Die Auferstehung“, bezeichnen sie als Meilensteine einer seltsamen Passion.
Und nur hie und da fallen in ihre karge Unbarmherzigkeit Lichtblicke wie die „Quelle“ oder sonnenübergossene Gemälde wie der im sengenden Mittag einsam verloren stehende „Blinde“ oder die letzte Fassung des „Mittagessens“.
Oder – wieder anders – die unheimliche Dämonie des „Weihwasser sprengenden Bauern“ (Gegenstück zu Wagners „Hunding“ im 1. Akt der „Walküre“), dessen letzte Fassung in eindrucksvoller Weise verwirklicht, was Egger nach dem Titel seiner selbst herausgegebenen Zeitschrift erstrebt: „Monumentale Kunst“.
„Monumental“, nennt Egger, „was seinen Ursprung in sich selbst hat, dekorativ, was ihn außer sich hat“ und das eine ist dem andern „so entgegengesetzt wie der Begriff ‚Stil‘ dem Begriff ‚Geschmack‘ wie der Begriff ‚Ausdruck‘ dem Begriff ‚Markierung‘.“
Wobei Stil entschleiert, was einer innerlich ist, den Charakter also, während seine Maske bloß kundtut, „als was er erscheinen möchte… seine Rolle. Stil ist das Vermögen, wahr … Geschmack, gefällig zu sein.“
Als „Feigheit“ empfand Egger die moderne Tendenz, dem Kampf mit der Materie aus dem Wege zu gehen. „Bildende Kunst ist Nachbildung, Beseelung der uns umgebenden Materie und ihre Neuschöpfung.“
„Eine knappere, Stil gewordene Form … vergeistigt den Stoff, in dem sie ihm das Materielle, Episodenhafte nimmt und ihn damit zum Symbol erhebt.“
Darum fordert Egger den „höchsten Grad der Schlichtheit, die Entäußerung von jeder Zutat oder gar theatralischer Pose“.
Nur das ist nach seinen eigenen Worten „monumental“, das heißt, „bauende“ Kunst. Anders und entgegengesetzt der Musik, die „Phantasie“ ist und darum ohne „Basis“ in irgendwelcher Realität.
„Musik führt ab von jeder Basis. Die italienische Renaissance hatte darum so wenig Musik, weil alles Leben nur auf direkte, positive Sinnlichkeit gerichtet war. … das war das Gesunde an dieser Zeit“).
Deshalb musste es Egger als gröblichen Unfug empfinden, wenn man gerade seine Kunst als musikalische bezeichnete, nur eine völlige Verwirrung der Begriffe konnte zu einer solchen Deutung gelangen.
Gestaltung des Nichtsinnlichen – das ist Musik, Gestaltung des sinnlichen – bildende Kunst. Dabei mögen beide zu Gleichnissen des Übersinnlichen dienen. Egger fordert das sogar, nur die Grenzen müssen klar sein.
Solche Unbeugsamkeit der Anschauungen entsprach der Geradheit seines Wesens. Aber die war nicht dazu angetan, ihm an höherer Stelle Freunde zu schaffen. Es gehört auf ein wenig rühmliches Blatt der Stadtgeschichte von Wien, dass die Berufung Eggers als Professor an die dortige Kunstakademie mit Erfolg hintertrieben werden konnte.
Umso wärmere Aufnahme fand er im deutschen Reich, wohin er im Jahre 1912 als Lehrer der Weimarer Kunstschule berufen worden war. Heimweh nach den Tiroler Bergen als den Quellen seiner schöpferischen Kraft veranlassten ihn allerdings schon im folgenden Jahr, sich endgültig als freischaffender Künstler in Bozen niederzulassen.
Von da aus fanden seine Werke Eingang nach Italien, das Egger herausfordert und den „nordischen Michelangelo“ nannte, und seine Gemälde in den großen Sammlungen denen der alten Meister gleichstellte.
Österreich – außer Tirol – bekannt sich erst allmählich zu ihm. Dafür prägte die zweite Republik die dunklen Umrisse des Teufels aus Eggers „Sämann und der Teufel“ auf ihren wiedererstandenen Schilling. Sie wählte dazu ein Lieblingswerk Eggers, nur – sie wählte die falsche Figur. Egger hat sich Zeit seines Lebens um die gleichnishafte Gestaltung jenes anderen Sämanns bemüht, der Jahr für Jahr das Kommende mit gottesfürchtigen Händen in die Furchen des Heutigen senkt.
Sie bargen das Geheimnis, das ihn an die letzten Fragen von Geburt und Tod herantrug, und ihn in stummer Ehrfurcht vor jedem Kind, jedem empfangbereiten Schoß, jeder Mutter (wie im Frühsommer vor den hochsprießenden Halmen) das Knie beugen ließ.
„Ins Leben treten heißt in den Tod gehen“. Unser ganzes Leben ist Sterben. Nur dass jenes Sterben „ein Zeitliches abschließt und ein Ewiges auftut“.
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