Der Pfadfinder. James Fenimore Cooper

Der Pfadfinder - James Fenimore Cooper


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sie, und habe alle Achtung vor ihnen. Kein Mensch wird mich darüber klagen hören, daß eine Rothhaut der Rothhautnatur treu bleibt; aber Klugheit ziemt einem Krieger so gut als Tapferkeit, und hätten nicht diese Irokesenteufel auf ihre Freunde im Wasser gesehen, so möchten sie dir wohl heiß genug auf die Führte gekommen sein."

      „Was hat der Delaware vor?" rief Jasper, welcher in diesem Augenblick bemerkte, daß der Häuptling plötzlich den Pfadfinder verließ und gegen den Rand des Wassers ging, anscheinend mit der Absicht, wieder in den Fluß zu steigen. „Er wird doch nicht so toll sein, wieder an das andere Ufer zurückzukehren, vielleicht um einer Kleinigkeit willen, die er vergessen hat?"

      „Nein, gewiß nicht; er ist im Grunde so klug als tapfer, obgleich er in seinem letzten Hinterhalt sich vergessen hat. Hört Jasper" — er führte den Andern ein wenig auf die Seite, als man gerade den Indianer in das Wasser springen hörte: „hört, Junge; Chingachgook ist kein Christ, kein weißer Mann, wie wir, sondern ein Mohikanischer Häuptling, der seine eigenen Gaben hat, und den Ueberlieferungen folgt, welche ihm die Richtschnur seiner Handlungen vorschreiben: und wer sich zu Männern gesellt, die nicht so ganz von seiner Art sind, thut gut, sie der Leitung ihrer Natur und Gewohnheit zu überlassen. Ein Soldat des König? flucht und trinkt, und es wird von geringem Erfolg sein, es ihm abgewöhnen zu wollen; ein Gentleman liebt seine Leckerbissen, eine Dame ihren Federschmuck, und es fruchtet nicht viel, sich dagegen anzustemmen. Dazu sind Natur und Gaben eines Indianers weit tiefer gewurzelt , als diese Gewohnheiten, und ich zweifle deshalb nicht, daß sie ihm von dem Herrn zu einem weisen Zweck bescheert wurden, obgleich weder Ihr noch ich seinen Ratschlüssen zu folgen vermögen."

      „Was soll das bedeuten? — Seht, der Delaware schwimmt auf den Körper zu, der dort an dem Felsen hängt. Warum begibt er sich in diese Gefahr?"

      „Um der Ehre und des Ruhmes willen; wie die großen Herren ihre ruhige Heimath jenseits des Meeres verlassen, wo, wie sie sagen, das Herz ihnen nichts zu wünschen übrig ließ — das heißt solche Herzen, die mit den Lichtungen zufrieden sein können — und hierher kommen, um von der Jagd zu leben und gegen die Franzosen zu kämpfen."

      „Ich verstehe Euch, Euer Freund ist hingegangen, um sich des Skalps zu versichern."

      „'s ist seine Gabe, und er mag sich derselben freuen. Wir sind weiße Männer und können einen todten Feind nicht verstümmeln. Aber in den Augen einer Rothhaut erscheint dieß als ehrenhaft. Es mag Euch sonderbar vorkommen, Eau-douce, aber ich habe weiße Männer von großem Namen und Charakter ebenso merkwürdige Ideen von Ehre kundgeben sehen."

      „Ein Wilder bleibt ein Wilder, Pfadfinder, mag er in was immer für einer Gesellschaft leben."

      „Wir haben da gut reden, Junge, aber die Ehre des Weißen steht gleichfalls nicht immer im Einklang mit der Vernunft und dem Willen Gottes. Ich habe in den stillen Wäldern draußen manchen Tag in Gedanken über diese Gegenstände zugebracht, und bin nun zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Vorsehung, welche alle Dinge regelt, keine Gaben ohne weisen und vernünftigen Zweck verurtheilt. Wären Indianer zu Nichts nütze, so wären keine geschaffen worden, und ich glaube, daß am Ende auch die Stämme der Mingo's zu irgend einem vernünftigen und eigenthümlichen Zwecke vorhanden sind, obgleich ich bekenne, daß die Erkenntniß desselben über meine Einsicht geht."

      „Der Serpent setzt sich bei diesem Skalpholen der größten Gefahr aus. Er kann uns den Tag verlieren."

      „Wie er es betrachtet, nicht, Jasper. Dieser einzige Skalp gereicht ihm, nach seinen Begriffen vom Krieg, zu einer größeren Ehre, als ein ganzes Feld voll Erschlagener, welche ihre Haare auf dem Kopf haben. Da hat der seine junge Kapitän vom Sechzigsten bei dem letzten Gefecht, das wir mit den Franzosen hatten, sein Leben dem Versuch geopfert, einen feindlichen Dreipfünder zu nehmen, wobei er sich auch Ehre zu erwerben hoffte; dann habe ich noch einen jungen Fähndrich gekannt, der sich in seine Fahne wickelte, um darin den blutigen Todesschlaf zu schlafen. Mochte er sich wohl einbilden, daß er so sanfter ruhe, als auf einer Büffelshaut?"

      „Ja, es ist ein anerkanntes Verdienst, seine Flagge nicht nieder zu halten."

      „Und dieß sind Chingachgooks Fahnen — er wird sie aufbewahren, um sie seinen Kindeskindern zu zeigen." — Hier unterbrach sich Pfadfinder, schüttelte melancholisch den Kopf und fuhr fort. „Was sage ich! Kein Sprößling ist dem alten Mohikanischen Stamme geblieben. Er hat keine Kinder, die er mit seinen Siegeszeichen erfreuen könnte; keinen Stamm, der seine Thaten preist. Er ist ein einsamer Mann in dieser Welt, und doch hält er treu an seiner Erziehung und seinen Gaben! Es liegt etwas Ehrenwerthes und Achtbares hierin, Jasper, Ihr müßt es zugeben; ja, es liegt etwas Würdiges darin."

      Hier erhob sich unter den Irokesen ein gewaltiges Geschrei, welchem schnell das Knallen ihrer Büchsen folgte. Die Feinde wurden in ihrem Bemühen, den Delawaren von seinem Opfer zurückzutreiben, so hitzig, daß ein Dutzend derselben in das Wasser stürzten, und Einige fast auf hundert Fuß in der schäumenden Strömung vordrangen, als ob sie wirklich an einen ernstlichen Ausfall dächten. Aber Chingachgook machte ruhig weiter, da er von den Geschossen unverletzt geblieben war, und beendete seine Aufgabe mit der Gewandtheit einer langen Uebung. Dann schwang er sein triefendes Siegeszeichen in der Luft und ließ seinen Schlachtruf in den furchtbarsten Intonationen erschallen. Eine Minute lang ertönten nun die Hallen des schweigenden Waldes und der tiefe, von dem Laufe des Stromes gebildete Einschnitt von einem schrecklichen Geschrei wieder, so daß Mabel in ununterdrückbarer Furcht ihr Haupt sinken ließ, während ihr Onkel einen Augenblick ernstlich auf Flucht bedacht war.

      „Das übersteigt Alles, was ich je von diesen Elenden gehört habe," rief Jasper voll Entsetzen und Abscheu, indem er sich die Ohren zuhielt.

      „'s ist ihre Musik, Junge; ihre Trommeln und Pfeifen; ihre Trompeten und Zinken. Es ist kein Zweifel, daß sie diese Töne lieben, denn sie erregen in ihnen ungestüme Gefühle und das Verlangen nach Blut," erwiederte Pfadfinder in vollkommener Ruhe. „Ich hielt sie für schrecklicher, als ich noch ein junger Bursche war; jetzt aber sind sie meinen Ohren nicht mehr, als das Pfeifen des Windfängers oder der Gesang des Spottvogels, und stünde dieses kreischende Gewürm von den Fällen an bis zur Garnison, Einer an dem Andern, so würde es jetzt keinen Eindruck mehr auf meine Nerven machen. Ich sage das nicht aus Prahlerei, Jasper; denn der Mann, der die Feigheit durch die Ohren eindringen läßt, hat jedenfalls ein schwaches Herz. Töne und Geschrei sind mehr geeignet, Weiber und Kinder zu beunruhigen, als einen Mann, der gewohnt ist, die Wälder zu durchspähen, oder dem Feinde in's Angesicht zu schauen. Ich hoffe, der Serpent ist nun zufrieden gestellt, denn da kommt er mit dem Skalp an seinem Gürtel.“

      Jasper wandte voll Abscheu über das letzte Beginnen des Delawaren sein Gesicht ab, als dieser an's Land stieg. Pfadfinder aber betrachtete seinen Freund mit der philosophischen Gleichgültigkeit eines Mannes, dessen Geist sich gewöhnt hat, auf alle ihm außer wesentlich scheinenden Dinge ohne Vorurtheil zu blicken. Als der Delaware sich tiefer in das Gebüsch begab, um seinen ärmlichen Kattunanzug auszuringen und seine Büchse für den Dienst in Stand zu setzen, warf er einen triumphirenden Blick auf seine Gefährten, nach welchem jedoch alle auf seine vermeintliche Heldenthat Bezug habenden Gefühlsäußerungen verschwanden.

      „Jasper," begann nun der Wegweiser, „geht zu Meister Caps Station hinunter, und ersucht ihn, sich mit uns zu vereinigen. Wir haben nur wenig Zeit zur Berathung und müssen daher schnell unsern Plan entwerfen; denn es wird nicht lange anstehen, bis diese Mingo's neues Unheil spinnen."

      Der junge Mann gehorchte, und in wenigen Minuten waren die Viere in der Nähe des Ufers versammelt, um über ihre nächsten Bewegungen Rath zu schlagen, wobei sie sich jedoch vorsichtig verbargen und ein wachsames Auge auf das Beginnen ihrer Feinde hielten.

      Mittlerweile hatte sich der Tag zu seinem Ende geneigt und weilte noch einige Minuten zwischen dem scheidenden Lichte und einer Dunkelheit, welche tiefer als gewöhnlich zu werden versprach. Die Sonne war bereits hinter den Horizont gesunken, und die Dämmerung ging schon in das Dunkel der tiefen Nacht über. Die meiste Hoffnung unserer Gesellschaft hing an diesem begünstigenden Umstand, obgleich er auch nicht alle Gefahr beseitigte, denn wiewohl er ihrer Flucht Vorschub that, so verhehlte er auch zugleich die Bewegungen ihrer verschmitzten Feinde.

      „Männer,"


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