Der Pfadfinder. James Fenimore Cooper
der Pfadfinder diese Worte sprach, betrachteten sich die beiden Indianer eine Weile mit festen Blicken. Dann trat der Tuscarora näher und redete den Andern anscheinend mit freundlichen Worten an.
„Ich sehe," fuhr der Pfadfinder fort, "die Begrüßung zweier Rothhäute in den Wäldern so gerne, Meister Cap, als Ihr den Gruß freundlicher Schiffe auf dem Ocean. Aber weil wir gerade vom Wasser sprechen — es erinnert mich dies an meinen jungen Freund da, den Jasper Western, der einiges von solchen Dingen verstehen muß, da er seine Tage auf dem Ontario zugebracht hat."
„Freut mich, Euch zu sehen, Freund," sagte Cap, indem er dem jungen Süßwassersegler herzlich die Hand drückte, „aber Ihr mögt wohl noch Manches zu lernen haben in der Schule, in die man Euch schickte. Dieß ist meine Nichte, Mabel. Ich nenne sie Magnet, aus einem Grunde, von dem sie sich nichts träumen läßt, obgleich Ihr vielleicht Erziehung genug habt, es zu errathen; denn ich vermuthe, daß Ihr doch einigen Anspruch darauf macht, einen Compaß zu verstehen."
„Der Grund ist leicht aufzufinden," sagte der junge Mann, indem er dabei unwillkürlich sein scharfes, dunkles Auge auf das erröthende Antlitz des Mädchens richtete, „und ich fühle sicher, daß der Schiffer, der mit Eurem Magnet steuert, nie ein falsches Land anthun wird."
„Ah, Ihr bedient Euch einiger unserer Kunstausdrücke, und mit Verstand und Anstand, wie ich merke, obschon ich fürchte, daß Ihr mehr grünes als blaues Wasser gesehen habt."
„Es darf nicht überraschen, daß wir einige Phrasen, die auf das Land Bezug haben, kennen, da wir es selten länger als auf vier und zwanzig Stunden aus dem Gesicht verlieren."
„Das ist Schade, Junge, recht Schade. Ein ganz kleines Stück Land muß weit reichen für einen Seefahrer, und wahrlich, ich glaube, Meister Western, es ist mehr oder weniger Land rund um Euern See herum."
„Und ist nicht mehr oder weniger Land um den Ocean herum, Onkel?" erwiederte Magnet schnell, denn sie fürchtete eine unzeitige Entwicklung des dem alten Seemann eigenthümlichen Dogmatismus, wenn man es nicht lieber Pedanterie nennen will.
„Nein, Kind, es ist mehr oder weniger Meer um das Land herum; das ist's, was ich dem Ufervolk sagen will, junger Bursche. Man lebt, so gut es gehen will, mitten im Meere, ohne es zu wissen, eigentlich nur geduldet, möchte ich sagen, denn das Wasser ist mächtiger und in viel größerer Masse vorhanden. Allein 's ist des Dünkels kein Ende auf dieser Welt. Ein Kerl, der nie Salzwasser sah, bildet sich oft ein, er wisse mehr als Einer, der das Cap Horn umsegelt hat. Nein, nein, die Erde ist weiter nichts als eine ziemlich große Insel, und alles Uebrige, kann man mit Wahrheit sagen, ist Wasser."
Der junge Western hatte einen großen Respekt vor den Seeleuten des Oceans, nach welchem er sich oft gesehnt; aber er hegte auch eine natürliche Verehrung gegen die breite Fläche, auf der er sein Leben zugebracht hatte, und die in seinen Augen ihre eigenen Reize besaß.
„Was Ihr sagt," antwortete er bescheiden, „mag, was das atlantische Meer anbelangt, wahr sein; aber wir, hier oben, um den Ontario, verehren das Land."
„Das macht, weil Ihr überall vom Land eingeschlossen seid," erwiederte Cap mit herzlichem Lachen; „aber dort ist der Pfadfinder, wie man ihn nennt, mit einigen dampfenden Schüsseln, der uns einlädt, am Mahle Theil zu nehmen, und ich will nur gestehen, daß einem auf dem Meere ein Wildbraten nicht zu Gesicht kommt. Meister Western, Höflichkeit gegen Mädchen kommt in Euren Jahren so leicht als das Schlaffwerden der Flaggenfall-Taue, und wenn Ihr ein Auge haben wollt auf ihre Bequemlichkeit, während ich mich mit dem Pfadfinder und Euren indianischen Freunden zum Mahle vereinige, so zweifle ich nicht, daß sie es Euch gedenken wird."
Meister Cap hatte mehr gesprochen, als zu dieser Zeit klug war. Jasper Western achtete sorgsam auf Mabels Bedürfnisse, und lange gedachte sie dem jungen Seemann die zarte und männliche Aufmerksamkeit, die er ihr bei Gelegenheit dieses ersten Zusammentreffens bewiesen hatte. Er bereitete ihr auf einem Baumstrunk einen Sitz, besorgte ihr ein köstliches Wildpretstückchen, holte Wasser von der Quelle, und da er ihr ganz nahe gegenüber saß, so gewann er durch die höfliche aber freie Manier, mit der er seine Sorgfalt an den Tag legte, einen festen Weg zu ihrer Achtung. Frauen wünschen immer Huldigung zu empfangen, aber nie ist sie ihnen so angenehm und schmeichelhaft, als wenn sie den Ausdruck einer männlichen Höflichkeit trägt, und von einem jugendlichen Altersgenossen dargebracht wird. Der junge Western war, wie die Meisten , welche ihre Zeit fern von der Gesellschaft des sanfteren Geschlechts zugebracht haben, ernst, einfach und zart in seinen Aufmerksamkeiten, die einen reichen Ersatz für alle die conventionellen Verfeinerungen gewährten, welche Mabel vielleicht nicht einmal vermißte. Doch wir wollen die beiden unerfahrenen, arglosen jungen Leute ihren Gefühlen überlassen, durch die sie sich gegenwärtig wohl eher als durch Worte, den Ausdruck der Gedanken, befreunden konnten, und kehren zu der Gruppe zurück, in welcher der Onkel, mit der anmaßenden Vertraulichkeit, welche ihn nie verließ, bereits eine Hauptperson geworden war.
Die Gesellschaft hatte sich um eine zum gemeinschaftlichen Gebrauche aufgestellte Schüssel mit Wildpretstücken niedergelassen, und natürlich trug die Unterhaltung das charakteristische Gepräge der dabei betheiligten Individuen. Die Indianer waren still und emsig: der Wildpret-Appetit der ureingebornen Amerikaner schien unstillbar. Die zwei weißen Männer waren mittheilend und gesprächig, geschwätzig sogar, und Beide starrsinnig in ihrer Weise. Da jedoch die Unterhaltung, welche sie führten, den Lesern mit manchen Thatsachen bekannt machen kann, welche zum besseren Verständniß der nachfolgenden Erzählung beitragen, so wird es geeignet sein, dieselbe nicht zu übergehen.
„Ich zweifle nicht, Meister Pfadfinder," begann Cap, als der Hunger des Reisenden so weit beschwichtigt war, daß er nun anfing, sich unter den übrigen nur die saftigeren Stückchen auszulesen, „daß ein Leben wie das Eurige viel Befriedigung gewähren muß. Es hat einiges von den Wechseln und Zufällen, welche der Seemann liebt, und wenn bei uns Alles Wasser ist, so ist bei Euch Alles Land."
„Ha, wir haben auch Wasser auf unsern Reisen und Märschen," erwiederte sein weißer Gesellschafter. „Wir Gränzleute handhaben das Ruder und die Fischgabel fast eben so oft als die Büchse und das Waidmesser."
„Ah, aber handhabt ihr auch die Brasse und die Bugleine, das Steuerrad und die Leitleine, die Reffseising und das Windreep? Das Ruder ist ein gutes Ding, ohne Zweifel, für ein Canoe; aber wozu kann man es in einem Schiff brauchen?"
„Ich respektire jeden in seinem Beruf, und ich kann wohl glauben, daß alle die Dinge, die Ihr da erwähnt habt, zu etwas nütze sind. Ein Mann, der, wie ich, mit so vielen Stämmen gelebt hat, weiß wohl einen Unterschied zu machen unter den Gebräuchen.
Der Mingo malt seine Haut anders als der Delaware, und wer einen Krieger in dem Anzug einer Squaw zu sehen hofft, wird sich wohl täuschen. Ich bin zwar noch nicht besonders alt, aber ich habe in den Wäldern gelebt und mir einige Vertrautheit mit der Menschennatur erworben. Auf das Wissen derer, die in den Städten wohnen, habe ich nie viel gehalten, denn ich habe von dorther noch keinen gesehen, der ein Auge für eine Büchse oder eine Fährte gehabt hätte."
„Das ist bis auf's Garn meine Art zu räsonniren, Meister Pfadfinder. Durch die Straßen laufen, Sonntags in die Kirche gehen und eine Predigt anhören, das hat nie aus einem menschlichen Wesen einen Mann gemacht. Aber sendet den Knaben hinaus auf den weiten Ocean, wenn Ihr seine Augen öffnen wollt; laßt ihn fremde Völker, oder, wie ich es nenne, das Angesicht der Natur sehen, wenn Ihr wollt, daß er seinen Charakter kennen lernen soll. Da ist nun mein Schwager, der Sergeant: er ist in seiner Weise ein so guter Bursche, als nur je einer Zwieback gebrochen hat; aber was ist er im Ganzen? — nichts, als ein Soldat, — ein Sergeant zwar: aber das ist doch nur so eine Soldatenart, wie Ihr wohl wißt. Als er die arme Bridget, meine Schwester, heirathen wollte, sagte ich dem Mädchen, was er sei, wie er von seinen Pflichten in Anspruch genommen werde, und was sie von einem solchen Ehemann zu hoffen habe; aber Ihr wißt ja, wie es ist mit den Mädchen, wenn eine Liebschaft ihren Verstand in die Klemme bringt. Es ist wahr, der Sergeant ist in seinem Beruf gestiegen, und man sagt, daß er ein bedeutender Mann im Fort sei; aber sein armes Weib hat's nicht erlebt, all das zu sehen, denn es ist nun schon an vierzehn Jahre, daß sie todt ist."
„Des Soldaten Beruf ist ein ehrenwerther