Der Pfadfinder. James Fenimore Cooper
ich, daß der Sergeant ein eben so gutes Gewissen hat, als er einen wackeren Charakter besitzt. Ich schlief nie süßer, als wenn ich einen Kampf mit den Mingo's ausgefochten hatte, obgleich ich es mir zum Grundsatz gemacht habe, stets wie ein weißer Mann, und nie wie ein Indianer zu kämpfen. Der Serpent da hat seine Gewohnheiten, und ich die meinigen; und doch haben wir so manche Jahre mit einander Seite an Seite gefochten, ohne daß Einer dem Andern seine Weise verdachte. Ich erzähle ihm, daß es, trotz seiner Traditionen, doch nur einen Himmel und eine Hölle gibt, obschon die Wege zu beiden vielfältig sind."
„Das ist vernünftig, und er muß Euch glauben, obschon ich denke, daß die Wege zur letzteren meist auf dem trockenen Lande liegen. Das Meer ist, wie meine arme Schwester zu sagen pflegte, ein Reinigungsort, und man ist außer den Wegen der Versuchung, wenn man außer der Sicht des Landes ist. Ich zweifle, ob man eben so viel zu Gunsten Eurer Seen da oben sagen kann."
„Ich will einräumen, daß Städte und Ansiedelungen zur Sünde verleiten können, aber unsere Seen sind von den Urwäldern begränzt, und man findet jeden Tag eine Aufforderung zur Verehrung Gottes in einem solchen Tempel. Freilich muß ich zugeben, daß die Menschen, auch in der Wildniß, nicht immer dieselben sind, denn der Unterschied eines Mingo und eines Delawaren liegt so auf flacher Hand, wie der des Mondes und der Sonne. Doch, ich bin froh, Freund Cap, daß wir uns getroffen haben, wäre es auch nur deßhalb, damit Ihr dem Big Serpent erzählen könnt, daß es auch Seen gibt, in welchen salziges Wasser ist. Wir sind, seit wir uns kennen, stets ziemlich eines Sinnes gewesen, und wenn der Mohikan nur halb so viel Vertrauen zu mir hätte, als ich zu ihm, so müßte er mir Alles glauben, was ich ihm von den Gewohnheiten und Naturgesehen der Weißen erzählt habe. Aber es hat mir immer geschienen, als ob keine der Rothhäute den Erzählungen von den großen Salzseen und den aufwärts gehenden Strömungen der Flüsse einen so offenen Glauben schenkt, wie es ein ehrlicher Mann wohl haben möchte."
„Das kommt daher," antwortete Cap mit einem herablassenden Nicken, „daß Ihr in diesen Dingen verkehrter Weise das Pferd beim Schwanz aufgezäumt habt. Ihr habt Euch Eure Seen und Stromschnellen als das Schiff, und das Meer mit seiner Ebbe und Flut als ein Boot gedacht. Weder Arrowhead noch der Serpent hat Ursache, das, was Ihr bezüglich der beiden genannten Punkte gesagt habt, zu bezweifeln. Ich muß übrigens gestehen, daß es mir Schwierigkeit macht, die Erzählung von den Binnenmeeren so geradezu hinunter zu schlucken, und noch mehr, daß es hier eine See mit frischem Wasser geben soll. Ich habe deßhalb meine Reise eben so gut in der Absicht unternommen, meine eigenen Augen und meinen Gaumen von der Wahrheit dieser Dinge zu überzeugen, als um dem Sergeanten und Magnet gefällig zu sein, obgleich der Erste meiner Schwester Mann war, und die Letztere mir wie ein eigenes Kind am Herzen liegt."
„Ihr habt Unrecht, sehr Unrecht, Freund Cap, daß Ihr in irgend einer Sache der Macht Gottes mißtraut," entgegnete der Pfadfinder ernst. „Die, welche in den Ansiedelungen und Städten wohnen, mögen wohl zu beschränkten und irrigen Meinungen über die Macht seiner Hand kommen; wir aber, die wir unsere Zeit so zu sagen, in Seiner wahren Gegenwart zubringen, sehen die Sachen anders — ich meine nämlich die Weißen. Eine Rothhaut hat wieder ihre eigenen Begriffe, und es ist recht, daß es so ist; wenn sie auch nicht ganz so sind, wie die eines Weißen, so darf uns das nicht bekümmern. Es sind Dinge, welche in die weise Ordnung der göttlichen Vorsehung gehören, und zu diesen sind auch jene Süß- und Salzwasserseen zu rechnen. Ich maße mir nicht an, sie erklären zu wollen, aber ich denke, es ist Schuldigkeit eines Jeden, daran zu glauben. Was mich anbelangt, so bin ich Einer von denen, welche denken, daß dieselbe Hand, welche das Süßwasser gemacht hat, auch Salzwasser schaffen kann."
„Halt da, Meister Pfadfinder," unterbrach ihn Cap, nicht ohne einige Hitze, „auf dem Wege eines gebührlichen und männlichen Glaubens werde ich keinem den Rücken kehren, so lange ich flott bin. Obgleich ich mehr daran gewöhnt bin, auf dem Verdecke alles rein zu halten, und ein schönes Segel zu zeigen, als zu beten, wenn der Orkan kommt, so weiß ich wohl, daß wir zur Zeit nur hilflose Sterbliche sind, und ich hoffe, ich zolle Verehrung, wo ich Verehrung schuldig bin. Was ich sagen zu müssen meinte — und das läßt sich besser andeuten als sagen, — war nichts weiteres, als der einfache Wink, daß ich, der ich gewöhnt bin, in großen Behältern salziges Wasser zu sehen, es vorziehe, dasselbe vorher zu kosten, ehe ich glauben kann, daß es frisch ist."
„Gott hat dem Hirsch die Salzlicke gegeben, und dem Menschen, sei er eine Rothhaut oder ein Weißer, die köstliche Quelle, um an ihr seinen Durst zu stillen. Es ist daher unvernünftig, zu denken, daß er dem Westen nicht habe Seen von frischem, und dem Osten Seen von unreinem Wasser geben können."
Cap war, trotz seiner anmaßenden Starrköpfigkeit, durch den einfachen Ernst des Pfadfinders eingeschüchtert, obgleich ihm der Gedanke, eine Sache zu glauben, deren Unmöglichkeit er Jahre lang behauptet hatte, nicht behagte. Da er jedoch nicht geneigt war, seine Meinung aufzugeben, und zugleich gegen eine so ungewohnte Argumentation, welche obendrein die Macht der Wahrheit, des Glaubens und der Wahrscheinlichkeit für sich hatte, nichts auszurichten vermochte, so war er froh, sich aus dieser Sache durch eine Ausflucht retten zu können.
„Nun, nun, Freund Pfadfinder," sagte er, „wir wollen die Sache bewenden lassen, und da der Sergeant Euch uns als Lootsen für den fraglichen See geschickt hat, so können wir ja das Wasser untersuchen, wenn wir hinkommen. Merkt Euch übrigens meine Worte — ich sage nicht, daß es nicht auch frisches Wasser auf der Oberfläche geben könne; sogar der atlantische Ocean hat bisweilen solches in der Nähe der Mündungen großer Flüsse; aber verlaßt Euch darauf, ich will Euch eine Methode zeigen, das Wasser, und wenn es manche Faden tief ist, zu kosten, von der Ihr Euch nichts träumen werdet; und dann werden wir mehr davon erfahren."
Der Führer schien zufrieden, die Sache beruhen zu lassen, und der Gegenstand der Unterhaltung wechselte.
„Wir bilden uns nicht zu viel auf unsere Gaben ein," bemerkte der Pfadfinder nach einer kurzen Pause, „und wissen wohl, daß diejenigen, welche in den Städten leben oder in der Nähe des Meeres" —
„Auf dem Meere," unterbrach ihn Cap.
„Auf dem Meere also, wenn Ihr so wollt — manche Gelegenheiten haben, welche uns hier in unserer Wildniß nicht aufstoßen. Genug, wir kennen unsern Beruf, betrachten ihn als unsere natürliche Bestimmung und sind nicht durch Eitelkeit und Ueppigkeit verkehrt. Meine Gaben beschränken sich auf den Gebrauch der Büchse und das Erkennen der Fährte zum Zwecke der Jagd und des Kundschaftens, und obgleich ich auch ein Ruder führen und die Gabel handhaben kann, so darf ich mir wenigstens nichts darauf einbilden. In dieser Beziehung ist der junge Jasper da, der sich mit des Sergeanten Tochter unterhält, ein ganz anderer Bursche, so daß man von ihm sagen kann, er athme Wasser, wie ein Fisch. Die Indianer und die Franzosen des nördlichen Seeufers nennen ihn wegen seinen Gaben Eau-douce. [Süßwasser.] Er versteht es aber besser, das Ruder und das Tau handzuhaben, als Feuer auf einer Fährte anzumachen."
„Im Grunde muß doch etwas an den Gaben sein, von denen Ihr sprecht," sagte Cap. „Ich gestehe, dieses Feuer hier hat mein ganzes Seemannswesen zu Schanden gemacht, Arrowhead sagte, der Rauch komme von einem Blaßgesichtsfeuer, und das nenne ich mir ein Stückchen Philosophie, welches dem Steuern an dem Rand einer Sandbank vorbei bei finstrer Nacht nichts nachgibt."
„Ist kein großes Geheimniß, ist kein großes Geheimniß," erwiederte der Pfadfinder mit lustigem Lachen, obgleich er aus gewohnter Vorsicht den allzulauten Ausbruch desselben unterdrückte. ,Nichts ist für uns, die wir unsere Zeit in der großen Schule der Vorsehung zubringen, leichter, als ihre Aufgaben zu lernen. Wir wären für die Fährte wie für das Geschäft eines Kundschafters so nutzlos, wie die Murmelthierlein, wenn wir uns nicht früh die Kenntniß solcher Kleinigkeiten zu verschaffen wüßten. Eau-douce, wie wir ihn nennen, ist ein so großer Freund des Wassers, daß er ein oder zwei feuchte Holzstücke für unser Feuer auslas, obschon vollkommen trockene neben den feuchten im Ueberfluß umherlagen, und Feuchtigkeit macht schwarzen Rauch, was meiner Meinung nach ihr Herren von der See auch wissen müßt, 's ist kein großes Geheimniß, 's ist kein großes Geheimniß, obschon für solche, welche nicht auf den Herrn und Seine mächtigen Wege mit Demuth und Dankbarkeit achten, alles geheimnißvoll ist."
„Arrowhead muß ein scharfes Auge haben, um einen so unbedeutenden Unterschied erkennen