Blutspur in die Vergangenheit. Robert Zirlewagen
Aber momentan haben wir eigentlich noch nicht mal diesen Strohhaufen. Oder aber……..“ mit der Unterbrechung blickte er Samantha eine gefühlte Ewigkeit tief in die Augen.
„Oder aber, wir haben heute den Heuhaufen gefunden.“ Er stand auf und verließ, ohne sich zu verabschieden, das Büro. Es war sicher keine bös gemeinte Geste von ihm. Man bekam eher das Gefühl, dass ihn der Gedankenwirrwarr so durchs Leben stolpern ließ.
Was er mit dem letzten Satz meinte, konnte sie nicht richtig deuten. Jedenfalls gelang es ihm damit Unsicherheit zu verstreuen. Es erweckte sogar den Anschein, als suche er einen Zusammenhang zwischen den Morden und Samantha, was nach der Mail, von der er eigentlich nichts wissen konnte, vielleicht nicht unbedingt von der Hand zu weisen wäre. Warum sie ihm nichts davon gesagt hatte, war ihr im Moment auch nicht klar. Es war einfach so ein Gefühl, dass es noch zu früh wäre, diese Nachricht ins Spiel zu bringen.
Nun versuchte Sam aber erst mal übers Internet alles zusammenzutragen, was die Öffentlichkeit über den Fall schon wissen durfte.
Bevor sie kurz nach 18 Uhr das Büro verließ, beantwortete sie noch ihre Mail:
>Danke für die Warnung! Aber warum ausgerechnet ich?<
Sollte es sich tatsächlich um den Handymörder handeln, was sie immer noch nicht glaubte, dann konnte sie es nur über den Mailverkehr herausfinden. Sie wollte allerdings nicht auf das Geschenk eingehen, sondern versuchte die Mail als Warnung aufzufassen. Würde er vielleicht auf diese Anspielung reagieren und ihren Irrtum zurechtrücken?
Von den Kollegen am Eingang verabschiedet, ging sie hinaus in den Hof. Die Sonne brannte noch mit genug Kraft auf die Erde und rief Samantha eine Einladung zum Schwimmen zu.
„Du schuldest mir noch einen Drink!“ Diese Worte kamen allerdings nicht vom gelben Ball am Himmel, sondern von Katrin. Sie stand an der Ecke und blickte über das Geländer hinunter auf die Hauptstraße.
„Hast du etwa auf mich gewartet?“ Da sie viel zu stark mit sich selbst und den Recherchen über diesen Handymörder beschäftigt war, hatte sie die jüngere Kollegin fast vergessen.
„Na, dann mal los. Wo wollen wir unseren Feierabend-Drink einnehmen?“
Katrin zuckte mit den Schultern: „Hast du überhaupt noch Lust und Zeit?“
Sam nickte: „Eigentlich habe ich gerade überlegt, noch eine Runde im Titisee zu schwimmen. Wenn wir also mit dem Bike ins Strandbad fahren, dort den See einmal komplett durchqueren, dann könnten wir den inneren Feuchtigkeitshaushalt auf dem Rückweg wieder ausgleichen.“
Katrin strahlte erleichtert, als ihr dieser Vorschlag euphorisch unterbreitet wurde: „In 25 Minuten bei dir?“ Sie klatschten ab und Sam schlenderte an den parkenden Autos vorbei zur Hauptstraße. Unten warf sie einen Blick durch das Fenster der Pizzeria, in der noch nicht viel los war, und querte dann den Zebrastreifen. Heute konnte auf dem Heimweg die Fünfminutenmarke knapp unterboten werden.
Sie zog den Bikini gleich unter ihr Rad-Dress, holte das Mountainbike aus dem Keller und wartete dann vor dem Haupteingang des unter ihrer Wohnung liegenden Geschäfts auf die Kollegin. Katrin kam nicht weniger sportlich daher und zog Sam auch gleich im Windschatten mit.
Es ging die lange Gutachstrasse entlang, welche ganz am Schluss in die Hauptstraße führte. Dort dann gleich durch den Kreisverkehr und schon ging es an den Supermärkten vorbei Richtung Titisee. Auf den letzten drei Kilometern führte ein Radweg neben der Kreisstraße entlang, durch die typisch grüne und hügelige Hochschwarzwaldgegend. Das große Freizeitbad, bei welchem an solch schönen Tagen eh nicht viel los war, ließen sie links liegen und erreichten wenig später das Strandbad. Katrin schloss beide Räder zusammen am Ständer fest und folgte dann dem Boss in die kleine parkähnliche Anlage.
Das Bad, am Ortsende von Titisee und vor dem Aufstieg zum Feldberg gelegen, bot an diesem Abend auf der Wiese viel Platz. Die Familien packten gerade zusammen und die Urlauber machten sich ebenfalls Richtung Abendessen auf. Die übrig gebliebenen starken Jungs, gafften den Grazien hinterher, trauten sich aber sichtlich nicht zu pfeifen.
Katrins durchtrainierter Körper schien außer Muskeln nichts zu kennen. Wogegen Sam als Vorbild für eine Brust-OP Modell stehen könnte.
„Sind die echt?“ Da war auch schon die etwas bewundernde oder vielleicht auch provozierende Frage der jungen Kollegin.
„Na klar. Oder denkst du etwa, ich würde für so einen Scheiß Geld ausgeben?“
„Das kann man gut behaupten, wenn man es nicht braucht.“ Samantha musterte jetzt ihre Kollegin einmal genauer, während sie mit Gänsehaut das doch schon sehr frische Wasser betrat.
„Du willst mir aber nicht sagen, dass du meinst, du bräuchtest Unterstützung durch Silikon?“ Jetzt mussten beide lachen.
„Natürlich nicht. Obwohl ich schon Zeiten und Freunde hatte, die auf eine etwas größere Oberweite standen. Diese wäre mir allerdings beim Modeln eher negativ in die Quere gekommen. Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber dort bezeichnet man meine bestehende Handvoll schon als zu üppig.“
Da musste Sam grinsen: „Schon klar. Ich habe ebenfalls, allerdings schon mit vierzehn, gemodelt. Zu der Zeit waren meine Maße noch perfekt. Welche Angebote mir dann zwei Jahre später, als die Formen ausgebildet waren, ins Haus flatterten, brauche ich dir als Expertin ja wohl nicht weiter erläutern.“
Sie waren während ihres Frauengetratsches bereits schon gut zweihundert Meter in den See hinein geschwommen. Beide hatten eine gute Brusttechnik, weshalb das gemeinsam flotte Vorankommen auch während der Unterhaltung Programm war. Sam war irgendwie begeistert, endlich eine Freundin gefunden zu haben, welche auch noch ihre sportlichen Ambitionen teilte.
Sam: „Was machst du sonst noch so, außer Radfahren und Schwimmen?“
„Ich bin eigentlich ein kleiner Sportjunkie. Im Winter gehe ich gerne Ski fahren, sowohl Langlauf wie auch Abfahrt. Wenn es das Wetter und die Bedingungen zulassen, gehe ich auch gerne mal Schneeschuh wandern. Der Feldberg eignet sich hierfür wirklich perfekt. Ja, und im Sommer nehme ich ab und zu an einem Triathlon oder Bike-Marathon teil. Wettkämpfe gibt es hier überall in der Gegend. Wenn du Lust hast, nehme ich dich gerne mal mit.“
Sam antwortete, mit verzogener Grimasse: „Ich weiß nicht so recht, ob mir der Aufwand um das ganze Training das wert ist.“
Doch Katrin ließ sich nicht von ihrem Plan abbringen: „Vorschlag! Wir schwimmen um die Wette zurück. Wenn du gewinnst, dann lass ich dich mit dieser Idee in Ruhe. Sollte ich aber gewinnen, bekommst du morgen den Termin für den nächsten Minitriathlon am Titisee.“
Sam hatte bereits gewendet und sich mit Kraulen den ersten Vorsprung herausgeschwommen. Es war jedoch ein weiter Weg bis zum Strandbad zurück und sie hoffte einfach, dass Katrins stärkere Disziplin die Brusttechnik vom Hinweg war. Der Plan schien anfänglich aufzugehen, denn die Kollegin zog einfach nicht gleich. Erst fünfzig Meter vor dem Ziel erreichte Katrin die gleiche Höhe und war sogar noch in der Lage, das Tempo zu erhöhen.
Samantha war keine schlechte Schwimmerin und hatte in der Jugend einige Pokale eingefahren. Doch die Technik und der Elan der aktuellen Kontrahentin waren schon sehr beeindruckend. Nicht zu vergessen war da noch Samanthas Konditionsdefizit.
Katrin tratschte kräftig weiter, während sie locker aus dem See stieg, wogegen ihre Vorgesetzte schon fast ein Sauerstoffzelt benötigte.
Katrin: „Bei deinem Stil und der Kondition sollten wir wohl gleich den nächsten Wettkampf ins Auge fassen.“
„Ich denke ……..“ Sam musste erst mal Luft holen, „dass ich dich mit einer guten Bewertung für die nächste“ - wieder ein langes Luftholen - „Beförderung, nicht wirklich von diesem Plan abbringen kann?“
Die Antwort kam postwendend: „Wie wäre es mit einem Wettkampf? Wenn du……,“
doch Samantha schüttelte den Kopf: „Lass gut sein. Wenn wir diese Wettkampfspielchen auf anstehende Beförderungen umlegen, dann wirst du mich