Gösta Berling. Selma Lagerlöf

Gösta Berling - Selma Lagerlöf


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weinen konnte, wo doch das, was weit mehr war, seine schöne Tochter selbst, verloren war, und da hatte er sie mit geballten Fäusten vor sich her durch das ganze Haus getrieben, in die Küche hinaus, bis in die Speisekammer.

      Weiter konnte er nicht kommen, und er hatte sich damit begnügt, sie dort zusammengekauert hinter der Treppe sitzen zu sehen, harte Schläge, ja vielleicht gar den Tod erwartend. Dort ließ er sie sitzen, die Tür aber schloß er ab und steckte den Schlüssel in die Tasche. Da konnte sie bleiben, bis die Auktion vorüber war. Verhungern konnte sie nicht, und seine Ohren hatten Ruhe vor ihren Klagen.

      Da saß sie nun als Gefangene in ihrer eigenen Speisekammer, als Gösta durch den Gang in die Küche kam. Dort erblickte er Frau Gustavas Gesicht an einem kleinen Fenster ganz oben an der Wand; sie war da hinaufgekrochen und guckte aus ihrem Gefängnis heraus.

      »Er hat mich hier eingesperrt«, antwortete sie.

      »Der Gutsherr?«

      »Ja – ich glaubte, er würde mich ganz totschlagen. Ach, Gösta, hole doch den Schlüssel, der in der Saaltür steckt, und schließe die Speisekammertür auf, damit ich hinauskommen kann. Der Schlüssel schließt hier.«

      Gösta tat, wie ihm geheißen, und wenige Minuten später stand die kleine Frau in der Küche, die ganz menschenleer war.

       »Tante hätte eins der Mädchen mit dem Saalschlüssel aufschließen lassen sollen«, sagte Gösta.

      »Glaubst du, daß ich die den Kniff lehren will? Dann hätte ich ja nie mehr Frieden in meiner Speisekammer. Und übrigens habe ich die Zeit benutzt, um die oberen Borde aufzuräumen. Das tat groß not! Ich begreife nicht, wie ich es so habe ansammeln lassen können.«

      »Tante hat so viel zu tun«, sagte Gösta entschuldigend.

      »Ja, das kannst du glauben. Wenn ich selber nicht überall mit dabei bin, so kommt weder die Spindel noch der Rocken ordentlich in Gang. Und wenn ...«

      Hier hielt sie plötzlich inne und trocknete eine Träne aus dem Auge.

      »Ach, du lieber Gott,« seufzte sie, »hier stehe ich und rede und bekomme wohl nie wieder etwas, wofür ich sorgen kann. Er verkauft ja alles, was wir besitzen und haben.«

      »Ja, das ist ein großer Jammer«, sagte Gösta.

      »Du weißt, der große Spiegel unten im Saal. Das war so ein Prachtstück, denn das ganze Glas war aus einem Stück, und an der Vergoldung war auch nicht ein Fleck. Ich habe ihn von meiner Mutter bekommen, und nun will er ihn verkaufen.«

      »Er ist ja verrückt!«

      »Ja, das kannst du wohl sagen. Verrückt ist er. Er hört wahrhaftig nicht eher auf, als bis wir auf die Landstraße geworfen sind und betteln müssen, so wie die Majorin.«

      »So weit wird es wohl nicht kommen«, meinte Gösta.

      »Ja, Gösta! Als die Majorin von Ekeby fortging, prophezeite sie uns Unglück, und nun kommt es. Sie würde es nie zugegeben haben, daß er Björne verkaufte. Und stell dir nur vor, sein eigenes Porzellan, die alten Tassen aus seiner eigenen Familie, die verkauft er. Darin hätte sich die Majorin nie gefunden.«

      »Aber was hat er nur einmal?« fragte Gösta.

      »Ach, es ist nichts weiter, als daß Marianne nicht wieder nach Hause gekommen ist. Er hat darauf gewartet und gewartet. Die ganzen Tage ist er in der Allee auf und nieder gegangen und hat auf sie gewartet. Er sehnt sich so nach ihr, daß ich glaube, er hat den Verstand darüber verloren; aber ich darf ja nichts sagen.«

      »Marianne glaubt, daß er ihr zürnt.«

      »Das glaubt sie nicht. Sie kennt ihn; aber sie ist stolz und will den ersten Schritt nicht tun. Sie sind störrisch und hart – alle beide, und über mich geht es her, ich sitze zwischen zwei harten Steinen.«

      »Tante weiß wohl, daß Marianne sich mit mir verheiraten will?«

      »Ach, Gösta, das tut sie niemals. Sie sagt das nur, um dich zu necken. Sie ist viel zu sehr verwöhnt, um sich mit einem armen Mann zu verheiraten, und auch viel zu stolz. Geh du nach Hause und sage ihr, wenn sie nicht bald kommt, so geht ihr ganzes Erbe vor die Hunde. Er läßt das Ganze fort, ohne das Geringste dafür zu bekommen.«

      Gösta ward böse auf sie. Dort saß sie auf einem großen Küchentisch und hatte für nichts Sinn als für ihre Spiegel und ihr Porzellan.

      »Tante sollte sich schämen!« rief er aus. »Erst stoßt Ihr Eure Tochter in den Schnee hinaus, und dann glaubt Ihr, daß sie nur aus lauter Schlechtigkeit nicht wiederkommt. Und Ihr traut ihr zu, daß sie den verläßt, den sie liebhat, nur um nicht erblos gemacht zu werden!«

       »Lieber Gösta! Werde du nun nicht auch noch böse. Ich weiß ja gar nicht, was ich sage. Ich versuchte, Mariannen die Tür zu öffnen, er aber zerrte mich fort. Hier im Hause heißt es stets, daß ich nichts verstehe. Ich gönne dir Marianne von Herzen, wenn du sie glücklich machen kannst. Es ist kein leichtes Ding, eine Frau glücklich zu machen, Gösta.«

      Gösta sah sie an. Wie konnte er böse mit einem Menschen wie Frau Gustava sprechen! Eingeschüchtert und abgehetzt war sie, aber sie hatte ein so gutes Herz.

      »Tante fragt nicht, wie es Mariannen geht«, sagte er leise.

      Da brach sie in Tränen aus. »Wirst du nicht böse, wenn ich dich frage?« sagte sie. »Ich habe mich die ganze Zeit danach gesehnt, dich zu fragen. Ich weiß ja nichts weiter von ihr, als daß sie lebt. Nicht einen Gruß habe ich die ganze Zeit hindurch von ihr bekommen, nicht einmal, als ich ihr ihre Sachen sandte, und da dachte ich, du und sie, ihr wolltet mich nichts von ihr hören lassen.«

      Gösta konnte es nicht länger aushalten. Er war ein wilder, toller Mensch – zuweilen mußte der Herr seine Wölfe hinter ihm drein senden, um ihn zum Gehorsam zu zwingen – aber die Tränen dieser alten Frau waren für ihn schlimmer als das Geheul der Wölfe. Er erzählte ihr die ganze Wahrheit.

      »Marianne ist die ganze Zeit hindurch krank gewesen«, sagte er. »Sie hat die Pocken gehabt. Heute sollte sie zum erstenmal auf das Sofa gebettet werden. Ich habe sie seit jener ersten Nacht nicht gesehen.«

      Mit einem Sprung stand Frau Gustava auf ihren Füßen. Sie ließ Gösta stehen und lief, ohne ein Wort zu sagen, zu ihrem Mann hinein.

       Die Leute im Auktionssaal sahen sie erregt auf ihn zu laufen und ihm etwas ins Ohr flüstern. Sie sahen, daß sein Gesicht noch röter wurde und daß die Hand, die auf dem Hahn ruhte, diesen herumdrehte, so daß der Branntwein auf den Boden floß.

      Das sahen alle – Frau Gustava war mit so wichtigen Nachrichten gekommen, daß die Auktion eine Stockung erlitt. Der Hammer des Auktionators fiel nicht, die Federn der Schreiber kratzten nicht mehr auf dem Papier, kein Gebot ward hörbar.

      Melchior Sinclaire fuhr aus seinen Grübeleien auf.

      »Nun,« rief er, »wirds bald?«

      Und die Auktion war wieder im vollen Gange.

      Gösta saß und wartete in der Küche, und Frau Gustava kam weinend zu ihm hinaus.

      »Es half nichts«, sagte sie. »Ich dachte, er würde innehalten, wenn er erführe, daß Marianne krank gewesen ist, aber nun läßt er sie fortfahren. Er würde schon aufhören, wenn er sich nicht schämte.«

      Gösta zuckte die Achseln und verabschiedete sich von ihr. Auf der Diele begegnete er Sintram.

      »Eine verteufelt amüsante Geschichte!« rief Sintram und rieb sich die Hände. »Du bist ein Meister, Gösta! Was du doch alles zustande bringen kannst!«

      »Es


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