Dorin, der Erdwichtel. Stefan Wichmann

Dorin, der Erdwichtel - Stefan Wichmann


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und aufpasste, dass nicht allzu viel von der Rinde abbrach. Passierte es doch, dann stach er mit einem Holzstöckchen durch die Kleidung in den betreffenden Hintern. Dies war nicht immer von Erfolg gekrönt, denn je nachdem wie dick der Wichtel angezogen war, trug er noch einen Winterumhang oder bereits ein dünneres Blätterhemd. Auch wenn die Älteren eher froren, so kleideten sie sich immer noch gerne so, wie ihre unmittelbare Umgebung es ihnen vormachte. Hier ahmten sie selbst die Natur nach. Dorin war nah genug herangekommen, um die Worte klar hören zu können. Ein Stein drückte ihn, doch er verharrte in der unglücklichen Position und lauschte angestrengt den Worten.

      „Der Gang ist lang und dunkel ...“, hörte er Lenguja leise erzählen. Dorin konnte die Position nicht halten. Zu unbequem war seine Lage. Er wagte es, sich erneut zu rühren. Langsam schob er sich noch näher heran. Als wieder ein Knacken eines Astes das Gespräch kurz zum Verstummen brachte, schob sich Dorin langsam von dem Feuer zurück.

      „Das war nur das Holz im Lagerfeuer“, hörte er Lenguja kichern.

      „Sei doch nicht so nervös, wenn ich von den alten Dingen erzähle!“ Dorin verharrte wieder regungslos in seiner Position. Sollte er noch länger zuhören? Wenn nur die Frösche wieder quaken, oder wenigstens die Grillen zirpen würden! Er blickte sich um und sah Udoni, die immer noch mit verschränkten Armen zu ihm hinüberstarrte. Zum Glück war sie ein Wassergeist und kein Wichtel, sonst hätte sie sich eher noch einen Spaß mit Dorin erlaubt und ihn womöglich verraten! Kein Geräusch half ihm. Und bei Udoni hatte er sich ja auch noch nicht entschuldigt, so dass sie gar nicht daran dachte, ihm zu helfen. So wagte er sich nur sehr langsam zurück zu seiner schützenden Behausung.

      „Also, der Gang ist dunkel und der Weg ist sehr schmal ...“

      Das interessierte ihn natürlich nicht. Er würde schon sehen, wie der Gang ausschaut, wenn er ihn erst einmal gefunden hatte. Wieder schob sich Dorin vorsichtig ein Stück zurück. Er wusste, dass ein erneutes Geräusch unweigerlich zu seiner Entdeckung führen würde. Mit Schaudern dachte er an seine letzte Bestrafung durch seine Eltern:

       „Wer Zeit hat, Unfug zu treiben, der hat auch Zeit mitzuarbeiten“, hatten sie gesagt. Tagelang hatte er Wasser von einem nahen Tümpel geholt und an Fellen geschabt, um diese haltbar zu machen. Mittlerweile konnte er die Worte nicht mehr verstehen, die am Lagerfeuer gesprochen wurden:

      „... doch wer einen Feuerstein in dem dunklen Gang benutzt, um sich den Weg zu beleuchten, wird riskieren, dass ein Feuergeist die Gase entzündet und der Gang einstürzt!“

      Eine ärgerliche Stimme mischte sich ein:

       „Rede doch nicht so einen Quatsch! – Feuergeist! Das sind Gase, die sich entzünden!“ Jetzt stritten die Alten am Lagerfeuer über die richtige Art, einen Weg zu beleuchten. Dorin hatte mittlerweile sein Bett erreicht und schlief sofort ein ohne sich den Staub abzuklopfen.

      5. Der Plan

      Sunny wachte wie immer mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Sie räkelte sich, sprang auf und küsste erst ihre Mutter, dann ihre Oma auf die Wange.

      „Soll ich Wasser holen?“, fragte sie und lief schon los.

      Es ging ihr eigentlich nicht darum Wasser zu holen, sondern darum zu sehen, ob ihre Freunde Dorin und Skalli schon wach waren. Sie sprang mit einem Blatt, dass sie im Laufen zu einem Trichter formte in Richtung des Tümpels. Ein Blatt war viel leichter als diese schweren Eimer und so konnte sie die benötigte Wassermenge viel leichter tragen. Nahe des Tümpels hörte sie schon die Stimmen der Jungen. Sie verharrte im Schritt und schlich sich an.

      ‚Ein kleiner Streich am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen‘, dachte sie vergnügt. Sie sah sich um, sah eine kleine Nieswurzpflanze und nahm sich unter Protest einer Elfe ein kleines Stück Wurzel. Sie zerrieb es sorgfältig zu Pulver. Sie lächelte, als sie an die Wirkung dachte. Wer auch immer das Pulver einatmen würde, musste so heftig niesen, dass seine Füße fast vom Boden abhoben. Sie wusste, wen es gleich treffen würde. Behutsam schüttete sie das Pulver in ihren Trichter und blies heftig in das zusammengerollte Blattende. Das Pulver flog erst in Richtung der Jungen, driftete dann durch einen plötzlichen Windstoß ab! Mit Schrecken sah sie, dass es jetzt in eine falsche Richtung flog und, offensichtlich durch einen weiteren Windstoß getrieben, Richtung Dorfplatz trieb. Dort stand Grumdin, der Dorfälteste. Sie duckte sich verärgert. Schon nieste er und grummelte verärgert. Doch ehe sie sich entscheiden konnte, ob sie über ihren gelungenen Streich lachen sollte oder sich darüber ärgern, dass es den Falschen getroffen hatte, hörte sie die aufgeregte Stimme von Dorin:

      „Stell dir vor: Lenguja selbst hat von dem Gang erzählt! Der alte Schamane!“

      Skalli starrte Dorin an.

       „Lenguja? Der sitzt doch sonst eher in seinem Zelt zwischen seinen Töpfen und Kräutern.“

      Sogar über die Entfernung hinweg sah Sunny, wie seine Augen aufblitzten.

       „Das muss ich Sunny erzählen!“

      Dorin tippte sich an den Kopf.

       „Bist du irre? Du willst doch nur wieder Eindruck schinden bei der grünäugigen ...“

      Skalli stürzte sich auf Dorin und hielt ihm den Mund zu. Dorin ließ sich das natürlich nicht gefallen und so rangen die Beiden auf dem staubigen Boden miteinander.

      „Du bist doch selbst in sie verschossen“, keuchte Skalli, ließ sich auf den Rücken fallen und atmete gierig die Luft ein. Auch Dorin ließ sich jetzt auf den Rücken fallen, verschränkte die Arme unter seinem Kopf und starrte in den blauen Himmel.

       „Mensch, Alter“, sagte er,

       „sie ist einfach ... so ... so ... in Ordnung!“

      Skalli setzte sich auf und starrte zu Dorin.

      „Sie ist ein echt feiner Kerl“, bestätigte er.

       „Ich glaube, ich würde alles für sie tun.“

      Dorin’s bernsteinfarbene Augen fixierten ihn.

       „Würdest du unsere Freundschaft für sie opfern?“

      Skalli's Kopf ruckte hoch.

       „Himmel, nein“, rief er.

       „Das ist doch etwas ganz anderes!“

      Dorin setzte sich auf.

       „Ja, ich mag sie auch gern. Eines Tages werden wir uns wegen ihr streiten.“

      Skalli schüttelte den Kopf.

       „Es ist ihre Entscheidung. Sie wird bestimmen, was geschieht.“

      Sunny bemerkte eine Bewegung rechts von sich und erkannte Lenguja. Der hockte auf den Fersen und schaute lächelnd zum Dorfältesten hinüber. Sunny’s Herz pochte. Hatte er etwa ihren missglückten Streich mitbekommen? Sie konnte sich nicht länger zurückhalten, musste etwas tun, um nicht Lenguja womöglich Rede und Antwort stehen zu müssen. Ihre Stimme ließ die Beiden zusammenfahren:

       „Wer wird bestimmen, was geschieht?“

      Dorin und Skalli sprangen auf die Füße. Skalli wurde rot.

      „Ich habe gestern die Alten am Lagerfeuer belauscht und du wirst entscheiden, ob wir es wagen werden“, rief Dorin hastig und setzte listig hinterher:

       „Ab wo hast du meine Neuigkeiten mitgehört?“

      Sie lächelte, als sie seine List erkannte. Würde sie jetzt zuviel sagen, wüssten beide, dass sie nicht nur das Ende ihres Gespräches mitbekommen hatte. Lieber beschloss sie, für sich zu behalten, dass sie das ganze Gespräch mitverfolgt hatte. Sie wollte ihn nicht bloßstellen. Skalli's roter Kopf hatte sich wieder zur normalen bräunlichen Hautfarbe zurückverwandelt, nur die Ohren leuchteten noch rot vor Aufregung und Sunny lachte.

       „Ich habe gar nichts gehört“, log sie.

      Sie hasste es zu lügen, aber in diesem Fall hielt sie es für angebracht, um ihn nicht erneut in Verlegenheit zu bringen.

      Skalli


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