Dich habe ich mir nicht gewünscht. Tara McKay

Dich habe ich mir nicht gewünscht - Tara McKay


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immer noch blass aus.

      „Weißt du was? Ich mache dir einen echten italienischen Espresso. Dann geht es dir gleich besser.“

      „Tut mir leid, ich habe keine Espressomaschine.“

      „Aber ich“, erwidere ich lächelnd. Ich bete, dass Dad die Espressobohnen ebenso aufgehoben hat wie alles andere, aber ich glaube, darüber muss ich mir wirklich keine Sorgen machen. Und wenn sie noch verpackt sind, dürften sie auch noch völlig in Ordnung sein.

      „Ich bin nicht so angezogen, dass ich das Haus verlassen könnte“, meint Nick und sieht an seinem Schlabberlook hinunter.

      Er sieht nicht mal in T-Shirt und Jogginghose schmuddelig aus, wie das vielleicht bei anderen Männern der Fall wäre. Seine Bartstoppeln wirken fast schon gewollt sexy.

      „Es fehlen nur noch Turnschuhe und du siehst so aus, als würdest du zum Joggen gehen.“

      „Oh je“, lacht Nick und hält sich den Kopf. „An so etwas möchte ich nicht mal denken, obwohl ich wirklich gerne Sport mache. Aber das muss bis mindestens heute Abend warten, wenn nicht bis morgen.“

      „Naja, ganz davon ab, dass du einigermaßen präsentabel aussiehst, musst du das Haus gar nicht verlassen. Mein Restaurant ist genau unter deiner Wohnung. Wie wäre es also mit einem Espresso?“

      „Klingt verlockend.“ Er kratzt sich nachdenklich am Kopf und nickt dann.

      „Ich gehe schon mal vor und sehe zu, dass ich die Maschine angeschmissen bekomme. Du kannst nachkommen, die Türe zur Küche lasse ich offen.“

      Gut gelaunt verlasse ich Nicks Wohnung und hüpfe die Treppe hinunter. Es kann nicht schaden, sich mit dem örtlichen Bankfilialleiter anzufreunden, finde ich.

      Wie ich mir bereits dachte, hat Dad die Espressobohnen nicht weggeworfen. Wie so ziemlich gar nichts, außer den wirklich verderblichen Sachen.

      Das Letztere erleichtert mich dann doch ungemein. Ich weiß nicht, ob ich es so erhebend gefunden hätte, jahrelang dort lagernde Salami im Kühlschrank zu finden, die vermutlich schon von alleine hätte laufen können oder Mozzarella mit einem zentimeterdicken Pelz, der dem Wintermantel einer russischen Millionärsgattin Konkurrenz machen könnte.

      Als ich die professionelle Espressomaschine einschalte, die silberglänzend hinter dem Tresen steht, bete ich darum, dass sie funktioniert. Mit gekreuzten Fingern beobachte ich, wie sie sich blinkend aufheizt und seufze dankbar, als auch die Mahlmaschine ihren Dienst tut. Mum legte stets Wert auf eine gute, echt italienische Espressomaschine und darauf, die Bohnen extra zu mahlen. Von Kombigeräten hielt sie noch nie etwas und ich muss ihr beipflichten. Dads Filterkaffee mag gut sein, aber es geht nichts über einen frisch gemahlenen und mit einer guten Maschine gebrühten Espresso.

      Nicht darüber nachdenken, dass Matteo vermutlich unsere sündhaft teure Maschine längst versetzt hat, denke ich noch, da höre ich, wie die Tür zum Vorratsraum ins Schloss fällt.

      „Ich bin hier vorne, im Restaurantbereich“, rufe ich laut und streiche eine platinblonde Strähne zurück, die ich mir sorgfältig hinters Ohr klemme.

      „Oh. Mein. Gott.“ Nick kommt aus der Schwingtüre, die in die Küche führt, und sieht mich an, als wäre ich Miraculix und würde gerade den Zaubertrank brauen. „Das ist ein Geruch, den in Sheemore zu finden ich niemals gedacht hätte.“

      Zufrieden grinse ich in mich hinein und strecke ihm eine Tasse Espresso entgegen. Ich bin Dad wirklich dankbar, dass er alles so gut in Schuss gehalten hat, sodass ich die Tassen nicht mal entstauben musste. Jetzt kann ich meinen potentiellen zukünftigen Geldgeber mit dem dringend benötigten Koffein ein wenig für mich einnehmen.

      „Für gewöhnlich findest du diesen Geruch in Sheemore auch nicht. Nicht mehr, seit dieses Restaurant geschlossen wurde.“

      „Dein Vater hat mir erzählt, dass deiner Mutter das Restaurant gehörte und sie vor über einem Jahr starb. Mein Beileid, übrigens.“

      „Oh, schon gut“, winke ich ab, aber seine Worte versetzen mir einen Stich. „Hier im Da Paola fühlt es sich so an, als wäre sie noch da. Ihr Geist ist allgegenwärtig.“

      „Feen, Geister… Was kommt als nächstes?“

      Ich zucke die Achseln.

      „In Sheemore glauben wir an alles Mögliche. Solltest du als Schotte nicht ein wenig aufgeschlossener für Mystisches sein? Ich meine, was ist mit all den Burgen, auf denen es spukt? Nessie, die Steinkreise…“

      „Ich als Schotte sollte das wohl.“ Genüsslich nimmt Nick einen Schluck Espresso und schließt die Augen. Als er sie wieder öffnet, haben sie wieder etwas von ihrem alten Glanz. „Aber ich als nüchterner Banker und armer schottischer Junge, der im Exil in Manchester aufgewachsen ist, bin da wohl etwas anders veranlagt. Aber das hatten wir ja schon.“

      „Mag sein.“ Ich überlege kurz. „Als ich in Italien gelebt habe, waren mir all diese Dinge auch fern, aber kaum bin ich wieder hier, hat mich die Mystik der schottischen Sagen und Märchen wieder.“

      „Wie lange hast du in Italien gelebt?“

      „Zu lange, wenn du mich fragst. Ich bin gerade erst wieder hier gelandet.“ Ich sehe meine Chance gekommen, nun über meinen möglichen Neuanfang zu sprechen. „Ich möchte das Restaurant meiner Mutter wieder eröffnen und wie ich ja bereits sagte, wird mir mein Vater dieses Haus überschreiben.“

      „Mit diesem Espresso wird das ein einschlagender Erfolg“, prophezeit Nick und trinkt aus.

      „Noch einen?“, frage ich schnell.

      „Gerne. Ich könnte mich daran gewöhnen. Das heißt, ich werde mich daran gewöhnen, denn ich habe nun eine echte italienische Trattoria unter meiner Wohnung.“

      „Nun, vielleicht… Denn es gibt da noch ein paar Ungereimtheiten mit der Finanzierung.“

      Rasch drehe ich mich zur Espressomaschine um, damit Nick nicht sieht, dass ich rot werde. Es ist nicht so, dass ich ihn nur auf einen Kaffee einlade, um die Finanzierung zu bekommen, aber mir ist sehr wohl bewusst, dass es so rüberkommen könnte.

      „Finanzierung, hm?“

      Zischend und dampfend läuft der Espresso in die kleine Tasse und ich beobachte ihn dabei, als würde es nichts Wichtigeres auf der Welt geben. Ich habe Nick heute aufgesucht, um über die Finanzierung zu sprechen und ich habe ihn hierher gebracht, damit er das Potential des Da Paola erkennt, aber jetzt fühle ich mich deswegen irgendwie mies.

      „Ist das der Grund, weshalb ich hier einen Gratisespresso nach dem Anderen genieße?“

      Ich drehe mich ein wenig zu schnell um, die Tasse fliegt in einem Rutsch von der Untertasse und segelt dann fast in Zeitlupe auf Nick zu. Mir entfährt ein Schrei des Entsetzens, während er von dem Original-90er-Jahre-Rattan-Hocker rutscht und einen Satz nach hinten macht. Mit einem dumpfen Geräusch kommt die Tasse auf dem Hocker auf und ergießt die heiße, schwarze Flüssigkeit darüber.

      „Entschuldige!“ Ich schlage eine Hand vor den Mund und starre auf den tropfenden Barhocker.

      „Wofür?“, fragt Nick und vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, aber seine Stimme klingt ein wenig kühl. „Für die Attacke oder den Bestechungsversuch?“

      „Oh Gott, nein, das war kein Bestechungsversuch“, bringe ich zu meiner Verteidigung hervor, aber es hört sich nicht mal für mich besonders aufrichtig an.

      „Schon gut“, erwidert er, sieht mich an und ich finde, dass er jetzt wirklich verletzt aussieht. „Komm einfach am Montag bei mir in der Bank vorbei und wir machen einen Termin aus. Dann können wir in Ruhe über das sprechen, was du von mir willst.“

      „Danke“, presse ich noch hervor, aber da hat sich Nick schon umgedreht und ist durch die Schwingtür in der Küche verschwunden.

      Als Teenager war ich Profi darin, Jungs für meine Zwecke zu manipulieren. Heute fühle ich mich einfach nur noch


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