Dich habe ich mir nicht gewünscht. Tara McKay

Dich habe ich mir nicht gewünscht - Tara McKay


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von dem aus man eine hübsche Sicht auf eine kleine Grünfläche und die Kirche von Sheemore hat. Nicht, dass ich sonderlich religiös wäre, aber als Kind träumte ich immer davon, dort zu heiraten. Ich war ziemlich gut darin, mir meine Traumhochzeit auszumalen, mit Prinzessinnenkleid, meterlangem Schleier und allem Drum und Dran. Letztendlich wurde es dann eine sehr stille und heimliche Zeremonie im Rathaus von Rimini mit anschließendem Essen bei Matteos Eltern.

      Die Kirche von Sheemore ist schon sehr alt, ein mittelalterlicher Bau, der über die Jahre restauriert und erweitert wurde. Sie versprüht einen besonderen Charme, dem ich mich wohl als Kind schon nicht entziehen konnte. Meine Mum fand meine Träume von einer Märchenhochzeit immer wunderbar und manchmal saßen wir an eben diesem Tisch und fantasierten zusammen. Die Erinnerung tut weh und ich winde mich innerlich.

      „Es sieht aus, als würde das Restaurant nur darauf warten, dass Mum die Vordertür aufsperrt und die Gäste einlässt“, murmele ich vor mich hin.

      Dad tritt hinter mich und umfasst meine Schultern. Obwohl ich selbst nicht gerade klein bin, überragt er mich mit seiner hünenhaften Statur. Der perfekte Highlander wie er im Buche steht.

      „Es hat vielleicht nur auf dich gewartet“, meint er.

      „Nichtsdestotrotz muss einiges getan werden, wenn wir es wirklich wiedereröffnen wollen. Ich weiß, dass dir das Restaurant am Herzen liegt, so wie es ist. Aber die Einrichtung ist unmodern. Hier hat das vielleicht niemanden gestört, aber wenn wir Touristen im Sommer anlocken wollen, sollte das Interieur ein wenig ansprechender sein.“

      „Ansprechender?“, fragt Dad empört und lässt mich los, als wäre ich giftig.

      „Moderner?“, versuche ich es mit einem unverfänglicheren Wort.

      „Ich mag es so wie es ist.“

      „Ich auch. Mum hat es so gemacht. Aber du siehst doch ein, dass ich mit der Zeit gehen muss.“

      „Du musst ihm deinen Stempel aufdrücken“, sagt Dad nicht eben freundlich.

      „Das wollte ich damit nicht sagen.“ Ich zeige anklagend auf die abgeschabten Stuhlbeine. „Alles hier ist dreißig Jahre alt, Dad, und das sieht man auch. Selbst wenn Mum das Restaurant immer pfleglich behandelt hat und du jetzt regelmäßig für Sauberkeit gesorgt hast, wenn wir ein erfolgreiches Unternehmen führen wollen, sollten wir allmählich im Jahr 2018 ankommen.“

      „Ich habe noch nicht gesagt, dass du das Da Paola haben kannst“, grummelt Dad sein Kinn kratzend.

      „Limonade!“, kräht Nathan begeistert hinter dem Ausschank hervor, der wohl unbemerkt von uns hinter den Tresen geschlichen ist.

      Dad und ich wechseln einen entsetzten Blick. Wenn da tatsächlich noch Limonade ist, müsste sie rein theoretisch schon abgelaufen sein. Grundsätzlich ist das vermutlich nicht schlimm, aber ich möchte nicht, dass mein Sohn das trinkt. Dad wohl auch nicht.

      „Lass das stehen!“, rufe ich Nathan zu, während Dad hinter den Tresen sprintet und ihn auf den Arm nimmt.

      „Ich will aber Limonade!“, protestiert mein sonst recht umgängliches Kind.

      Matteo war immer dafür, dass die Kinder trinken dürfen, was sie wollen. Ich bin eher von der Wasserfraktion. Aber natürlich findet Nathan Limonade viel toller und jetzt, da er wohl quasi eine vor der Nase hatte, wird der Wunsch danach immer größer.

      „Limonade!“

      „Warum hast du das ganze Zeug nicht weggeschmissen?“, frage ich an Dad gewandt. „Nicht, weil mein Sohn jetzt danach kräht, das überhöre ich als erfahrene Mutter einfach. Sondern, weil dieses Restaurant, verdammt noch mal, ausgeräumt sein sollte, wenn es nicht mehr in Betrieb ist.“

      Mir steigt die Röte ins Gesicht. Ich bin wütend auf Dad. Auch wenn das Da Paola rein optisch scheinbar auf einen neuen Besitzer wartet, ist es doch nur sein purer Egoismus, dass es aussieht, als wäre es ein Schrein für Mum.

      „Ich konnte es nicht“, sagt Dad und sieht mich mit diesem verletzten Blick an wie ein geprügelter Hund.

      „Schon gut“, antworte ich müde. Ich tätschele seinen Arm, auf dem sich Nathan windet.

      „Soll ich ihm schnell bei Graham’s eine Limonade kaufen?“, fragt Dad unsicher.

      „Untersteh‘ dich!“

      Ich pflücke meinen Sohn vom Arm seines Großvaters, stelle ihn vor mir auf den Boden und knie mich zu ihm hinunter, damit wir auf Augenhöhe sind.

      „Silencio!“, sage ich streng und rede dabei Italienisch, denn so gerne ich auch mit meinen Kindern Englisch spreche, irgendwie klingt es nicht ganz so energisch. „Nathan, che stai?“

      Ziemlich unvermittelt fängt Nathan zu weinen an. Da er nur weinerlich wird beim Autofahren oder bei Hungerattacken, bringt mich das etwas aus der Fassung.

      „Ich will zu Papa“, schluchzt er dann auch noch.

      Normalerweise ist Emma das Papakind, während Nathan mit mir ganz zufrieden ist. Als er sich jetzt in meine Arme stürzt und dabei immer wieder wiederholt, dass er zu seinem Papa möchte, erwischt mich das schlechte Gewissen erneut eiskalt. Ich sehe zu meinem Dad hoch, der nur unbeholfen dasteht und auf uns hinuntersieht, als wären wir Aliens.

      Trösten war noch nie sein Spezialgebiet, aber er spürt wohl instinktiv meine Unsicherheit, denn er geht ebenfalls in die Knie und umarmt sowohl mich, als auch seinen Enkel und so hocken wir eine Weile da, bis Nathans Schluchzer langsam verebben. Verstohlen trockne ich mir selbst die Augen. Ich kann es nicht ertragen, wenn eines meiner Kinder unglücklich ist und für heute ist es definitiv zu viel. Erst die Auseinandersetzung mit Emma und jetzt das.

      „Und nun?“, frage ich meine zwei Männer. „Soll ich die Trattoria von Nonna doch nicht neu eröffnen? Denn wenn du nicht hinter einer Renovierung stehst, können wir es gleich vergessen.“

      Ich pikse Dad gegen die Brust, sodass er fast aus dem Gleichgewicht kommt. Er richtet sich auf und schwingt Nathan wieder auf seine mächtigen Arme, dann befördert er irgendwo aus den Untiefen seiner Hosentaschen ein großes kariertes Taschentuch hervor, mit dem er die Tränen des Kleinen trocknet.

      „Wenn uns Nattie hilft, werden wir es schon schaffen. Was meinst du dazu, Nattie?“

      Nathan wischt sich entschlossen mit dem Ärmel über die Augen, deren samtenes Braun nun von leichten roten Schlieren umrandet ist. Er nickt tapfer. Mein Herz zieht sich bei seinem Anblick zusammen. Es war dumm von mir, zu glauben, dass Nathan absolut und ausschließlich begeistert davon sein würde, hier in Sheemore zu bleiben, was mir sein Ausbruch eben auch eindeutig gezeigt hat. Dennoch nimmt er die Dinge, wie sie eben sind und ist nun Feuer und Flamme dafür, mit seinem Grandpa zusammenzuarbeiten. Gemeinsam überlegen sie bereits, in welcher Farbe sie die Wände streichen wollen. Bei dem Wort ‚Meerblau‘ möchte ich am liebsten eingreifen, überlege es mir aber schnell anders, schließlich will ich ihren Eifer nicht einbremsen – noch nicht. Irgendwann werde ich ihnen schonend beibringen, dass ‚Blau‘ nicht ganz der Farbton ist, der mir vorschwebt.

      „Aber eines solltest du vielleicht wissen, bevor du große Renovierungspläne schmiedest“, sagt Dad und sieht mich ein wenig betreten an.

      „Was denn?“, frage ich mit glänzenden Augen.

      Ich sehe schon die eleganten dunklen Tische vor mir mit den glänzenden Tischplatten und die an die Wand montierten Bänke mit den gestreiften Bezügen.

      „Ich habe kein Geld für eine aufwändige Renovierung. Seit ich nicht mehr arbeite, habe ich meine Mittel so eingeteilt, dass sie mir für meine Bedürfnisse und ein paar Extras ab und zu reichen, wenn ich nicht gerade hundert Jahre alt werde. Aber einen großen Teil hat die Zimmereinrichtung für die Kinder verschlungen. Vielleicht kann ich jetzt nur noch achtzig Jahre alt werden, ohne der Altersarmut anheim zu fallen“, scherzt er.

      Puh! Ich habe mir über Dads finanzielle Situation nur wenig Gedanken gemacht seit er mir sagte, dass er zurechtkäme. Jetzt schäme ich mich ein wenig dafür, denn


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