Dich habe ich mir nicht gewünscht. Tara McKay

Dich habe ich mir nicht gewünscht - Tara McKay


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fahren in spätestens zwei Wochen nach Bologna zurück. Warum sollte Mamma hier eine Trattoria eröffnen?“

      „Weil“, sagt Nathan mit der Logik eines Vierjährigen und verschränkt die Arme vor der Brust.

      Dad und ich wechseln einen Blick. Dads besagt eindeutig, dass dies nun der Moment ist, wo ich Emma reinen Wein einschenken soll. Meiner besagt vermutlich eindeutig, dass ich einen Riesenbammel davor habe, mich mit meiner pubertierenden Tochter anzulegen. Es ist nicht so, dass ich meinen Kindern nicht Kontra geben könnte. Aber ich bin in unserer Familie nun mal seit Emmas Geburt – ach was sage ich, seit ihrer Empfängnis – der Sündenbock und die Situation gerade macht es nicht besser. Nun wirkt es so, als wolle ich nur hier bleiben, um Mums Restaurant weiterzuführen.

      Los, Anna, sei tapfer, sporne ich mich selbst an und setze mich unmerklich ein wenig aufrechter auf meinen Stuhl.

      „Es gibt etwas, was ich euch sagen muss“, fange ich schließlich an, dabei nehme ich sowohl Emma, als auch Nathan ins Visier. „Wir werden hier in Sheemore bleiben.“

      Emma wird bleich, während Nathan von seinem Stuhl springt und seinem Grandpa um den Hals fällt vor Freude.

      „Certamente no!“, fährt mich Emma an und hebt die Handflächen, was nichts anderes bedeutet als ‚Sicher nicht!‘. Dem Ganzen folgt noch ein Schwall italienischer Schimpfwörter, die sogar mir als Erwachsene die Schamesröte ins Gesicht treiben.

      „Non esagerare!“, rufe ich sie lauter als beabsichtigt zur Räson. Automatisch verfalle ich ins Italienische und fange wild zu gestikulieren an, wie es in Italien so üblich ist.

      „Lasciami in pace!“ Wütend steht Emma auf, stemmt ihre Hände auf der Tischplatte ab und funkelt mich an.

      Dad und Nathan beobachten unseren Schlagabtausch wie Zuschauer bei einem Tischtennismatch. Nathans besorgter Gesichtsausdruck bringt mich schlagartig wieder auf den Teppich zurück. Was ich sicher nicht will, ist meinem kleinen Sohn Angst machen.

      „Du möchtest in Ruhe gelassen werden? Gut“, antworte ich Emma frostig. „Geh‘ in dein Zimmer und denk‘ darüber nach, wie du mit mir redest.“

      „In mein Zimmer gehe ich gerne, da muss ich dich wenigstens nicht sehen. Das andere werde ich aber ganz sicher nicht tun. Wenn du meinst, Nathan und mich in ein anderes Land verschleppen zu müssen, werde ich jetzt mit Papa telefonieren.“

      „Tu, was du nicht lassen kannst.“

      Mein Herz rast zwar wie ein Formel1-Wagen, aber ich bringe es dennoch fertig völlig gelassen zu klingen. Eigentlich passt es mir nicht, dass sich Emma bei Matteo ausheult, der ja bekanntermaßen auch der Meinung ist, dass ich völlig überreagiere. Aber das muss meine aufmüpfige Tochter nicht merken. Ich erwidere ihren trotzigen Blick, als sie ihren Stuhl zurückstößt und dann hoch erhobenen Hauptes verschwindet. Als ihre Tür im oberen Stockwerk geräuschvoll ins Schloss fällt, atme ich so tief aus, dass mir ein regelrechter Stoßseufzer entfährt.

      „Das Temperament muss sie von dir haben. In dem Alter dachte ich auch oft ‚Gnade mir Gott‘, wenn du einen deiner Anfälle hattest“, meint Dad achselzuckend, dann wendet er sich an seinen Enkelsohn und stupst ihm liebevoll gegen die kleine Nase: „Wie wäre es, wenn wir mit deiner Mamma in die Stadt fahren und uns das Restaurant von deiner Nonna Paola von innen ansehen? Dann kann sie immer noch entscheiden, ob sie es haben will.“

      Ich sehe Dad entgeistert an, der diesen Moment sichtlich genießt.

      „Das ist es doch, was du mich die ganze Zeit fragen willst, oder?“

      „Ja, aber…“

      „Da du dich entschlossen hast hier zu bleiben, sehe ich nicht ein, wieso ich dir das Da Paola nicht überlassen sollte. Kochen kannst du ja.“

      Sein Blick fällt bedeutungsschwer auf die leeren Teller, den Sugo aus Tomaten, Kräutern und Olivenöl haben alle sogar mit etwas Weißbrot aufgetunkt.

      „Da habe ich ja wenigstens etwas von Mum geerbt.“

      Dad grummelt irgendeine Zustimmung, während er mit Nathan in den Flur geht, um ihm Schuhe und Jacke anzuziehen.

      Mich überläuft ein Prickeln, das mich Schaudern lässt. Einerseits, weil ich es kaum glauben kann, dass Dad mir das Restaurant überlässt und ich bald wieder eine Perspektive für mein Leben haben werde. Andererseits aber auch, weil ich Angst vor dieser großen Aufgabe habe – und den übergroß erscheinenden Fußstapfen, in die ich treten werde.

      Der Schlüssel klackt verheißungsvoll im Schloss, als Dad die kleine graue Tür aufsperrt, die in den dunklen Hausflur führt, von dem aus man sowohl zum Restaurant kommt, als auch die Treppe hinauf zu einer großen Wohnung, die zum Haus gehört.

      Meine Eltern haben das Haus gekauft, als ich noch ziemlich klein war und meine Mum die Idee hatte, ein italienisches Restaurant in Sheemore zu eröffnen. Die Wohnung ist seit Jahrzehnten an eine Familie vermietet, deren Name mir gerade nicht einfallen will.

      Dad geht mit Nathan voraus und entsperrt die Tür, von der aus man direkt in den Vorratsraum der Küche liefern kann. Ich bleibe stehen und nehme alles in mir auf. Ich war so viele Male hier, aber jetzt – ohne Mum – fühlt es sich komisch an. Noch mehr, als ich hinter Dad und Nathan her tappe und die leere Küche betrete, die allerdings so aussieht, als wäre sie jederzeit bereit wieder in Betrieb genommen zu werden. Töpfe und Pfannen sind auf Hochglanz poliert in den Regalen, Teller stehen gestapelt da, als würden sie jeden Moment mit köstlichen Speisen beladen. Nirgendwo liegt auch nur das kleinste Körnchen Staub.

      Ich höre mit halbem Ohr wie Dad seinem Enkelsohn erklärt, wie seine Nonna hier gearbeitet hat und wie wunderbar sie kochen konnte. Auch wenn er Schottland nicht gerne verlassen wollte, die italienische Küche hat es ihm trotzdem angetan. Eine nette Alternative zu dem Haggis, das er im Fairytale gerne bestellt. Meine Mum hat sich stets geweigert so etwas zu kochen, selbst wenn sie es durchaus hätte lernen können. Sie behauptete stets, so etwas käme in Italien niemals auf den Tisch. Was, wie ich nun weiß, so nicht stimmt. Innereien werden in Italien sehr wohl serviert und Matteos Mutter macht mit Vorliebe einen Mix aus verschiedenen Innereien mit einer Soße aus Tomate und Minze. Wie Dad wohl reagieren würde, wenn ich ihm ‚Trippa alla romana‘ servieren würde? Wie ich ihn kenne, würde er sich kringelig lachen, weil Mum ihn an der Nase herumgeführt hat. Ich nehme mir fest vor, es mal zu versuchen. Schon allein, um meinen Vater zum Lachen zu bringen.

      „Komm, Mamma!“ Nathan zieht ungeduldig an meiner Hand, damit ich ihm und seinem Großvater folge.

      So modern und funktional die Küche auch sein mag, das Restaurant selbst wirkt wie aus einer anderen Zeit. Würde es in Italien stehen, würde man auf Tripadvisor vermutlich lesen können: ‚Restaurant mit Lokalkolorit‘. Doch hier wirkt es einfach nur, als hätte jemand eine original italienische Trattoria gepackt und in eine schottische Kleinstadt gestellt. Nur, dass selbst in Italien die gehobenen Restaurants nicht mehr so aussehen, wie es noch Anfang der 90er-Jahre der Fall war, als Mum das Da Paola eröffnete.

      Ich sehe, wie Dad förmlich in sich zusammenfällt, während er sich umsieht. Wie von selbst suche ich seine Nähe und greife nach seiner Hand, um sie aufmunternd zu drücken.

      „Es ist, als ob Mum jeden Moment auftauchen würde“, sagt er leise.

      Was natürlich daran liegen könnte, dass alle Tische aufgedeckt sind. Ebenso wie die Küche ist der Restaurantbereich betriebsbereit. Mich erschreckt der Anblick eher.

      „Wer hält das Restaurant so sauber und deckt hier ein?“, frage ich ungläubig.

      „Ich. Wer sonst?“ Dad klingt ganz normal, als er das sagt. Nicht so, als wenn das ein wenig sonderbar wäre.

      „Aber… Warum?“

      Ich lasse seine Hand los, um im Lokal umherzustreifen. Nathan ist schon in der Ecke verschwunden, wo eine große Kiste mit Spielsachen steht. Mum wollte immer, dass Kinder sich besonders willkommen im Da Paola fühlen.

      „Mir war es eben wichtig“, antwortet


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