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Uwe Siebert
Die Wiedergeburt
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 2 – Im Schatten kalter Berge
Kapitel 3 – Die schwarze Sonne
Kapitel 4 – Der Ruf des Kriegers
Kapitel 5 – Kind der schwarzen Sonne
Kapitel 6 – Die Fänge der Bestie
Kapitel 7 – Die Ufer des Schicksals
Kapitel 8 – Der Tag der Bestie
Einleitendes Zitat
„Gesegnet sind die Starken,
denn sie werden die Erde besitzen.
Verflucht sind die Schwachen,
denn sie werden unterjocht werden.
Gesegnet sind die Mächtigen,
denn sie werden unter den Menschen verehrt werden.
Verflucht sind die Schwachen,
denn sie werden ausgelöscht werden.“
Ragnar Redbeard
Prolog
Langsam pirschten sich die Wölfe an die Überreste der Flüchtlingskarawane heran. Einst waren die Flüchtlinge von Westen aus aufgebrochen, um dem dort wütenden Krieg zu entgehen. Den Schlachtfeldern waren sie entkommen, nicht aber der Gewalt. Ihre Hoffnung auf ein Leben in Frieden war vergebens gewesen.
Nun lagen sie reglos auf dem gefrorenen Boden. Der Blick ihrer Augen war leer.
Schneeflocken sanken herab und begannen, die ersten Körper mit einem weißen Tuch zu bedecken.
Zwischen den Trümmern einer umgestürzten Kutsche bewegte sich plötzlich der Leib einer jungen Frau. Röchelnd atmete sie die eisige Luft ein, dann kroch sie über zerbrochene Holzlatten und unter der geborstenen Deichsel hindurch.
Nicht weit entfernt, erspähte sie, zwischen den Leichen zweier Maultiere, ein kleines Stoffbündel. Als sie es erreicht hatte, nahm sie es sacht in ihre Arme. Ein Gefühl von Erleichterung überkam sie, als das Schreien eines Säuglings zwischen den Stoffbahnen hervordrang.
Mit steifen Fingern streifte sie das Bündel auseinander. Augenblicklich bildete der warme Atem des Kindes kleine Wolken in der winterlichen Luft.
„Mein Sohn“, flüsterte sie, „den Göttern sei Dank, du bist unversehrt.“
Sanft strich sie ihm über die Wangen und drückte ihn an ihre Brust.
Die sich nähernden Wölfe machten ihr Angst. Sie konnte fühlen, wie ihr Leben aus dem Stich in ihrem Bauch herausblutete. Wenn sie erst aufgehört hatte zu atmen, würde ihr Kind zur Beute der Raubtiere werden.
Die Wölfe zerrten bereits an der Kleidung einiger toter Flüchtlinge. Bald würden sie sich nicht mehr nur mit kaltem Fleisch zufriedengeben.
In diesem Moment breitete sich ein Schatten über sie, und ihr war, als blickte sie in die Weiten eines sternenübersäten Himmels.
Ihr Blick begegnete schimmernden Augen, die denen eines Raubtieres nicht unähnlich waren, jedoch ihre Furcht verfliegen ließen. Der warme Atem desjenigen, den sie herbeigesehnt hatte, netzte ihr Gesicht.
Ein Wink von ihm genügte, und die Wölfe zogen sich zurück.
„Kümmere dich um meinen Sohn“, keuchte sie flehend. „Ich liebe ihn so sehr.“
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Eine tiefe Stimme fragte: „Wie ist sein Name?“
„Sein Name ist Larkyen!“
Mit letzter Kraft hob sie ihr Kind zum Nachthimmel, und zwei große Hände griffen nach ihm.
Dann sanken die Arme der Mutter herab, sie hörte auf zu atmen, und ihr Blick wurde leer.
Der Schatten verschwand, und mit ihm das Kind.
Die Wölfe begannen ihr blutiges Mahl fortzusetzen …
Kapitel 1 – Die weite Steppe
Der Nordwind trieb leichte Wellen über die Oberfläche des Kharasees, und sein Pfeifen übertönte das Geschnatter der Enten, die am Ufer entlang watschelten. Das Blut eines Mannes, dessen Leichnam mit Gesicht und Brust im zähen Schlamm lag und das klare Wasser rot färbte, störte sie nicht.
Von weit her mochte der Wind kommen, doch in der unendlichen Steppe verharrte er in allgegenwärtiger Erhabenheit. Er schien das Land Majunay, im Osten der Welt, Heimat zu nennen und mit zornigem Zepter zu beherrschen.
Wie vertraut war diese Umgebung noch gestern für den Nomaden Larkyen gewesen. Zu gern hatte er sich in den Weiten des Kharasees verloren, in dem sich an hellen Tagen der Himmel spiegelte und wie das Tor zu einer anderen Welt erschien.
Dieser Tag jedoch hatte alles verändert.
Larkyen kniete mit am Rücken gebundenen Händen auf dem kalten Boden. Die Kälte drang durch das Leder seiner Hose und die Fellstiefel, während der Schurwollstoff seines Hemdes noch immer schweißdurchtränkt war.
Das schulterlange dunkle Haar hing ihm in Strähnen über das Gesicht. Verzweifelt rüttelte er an seinen Fesseln, bis seine Handgelenke wund waren, doch die Stricke ließen sich weder lockern noch lösen.
Zwanzig Winter waren seit seiner Geburt vergangen, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als das Kämpfen erlernt zu haben. Als Krieger wäre er zumindest imstande gewesen, den Banditen, die ihn und die anderen dreißig Nomaden des Stammes der Yesugei überfallen hatten, Gegenwehr zu leisten.
Die kreisförmig angelegten Jurtenunterkünfte, die wie Pilze im Gras aufragten, waren schon von weitem unübersehbar gewesen und hatten die Banditen