Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig Bechstein
sehr armer Mann, hieß Klaus,
dem hatte Gott eine Fülle Reichtum beschert, der ihm
große Sorge machte, nämlich zwölf Kinder, und über
ein kleines so kam noch ein Kleines, das war das dreizehnte
Kind. Da wußte der arme Mann seiner Sorge
keinen Rat, wo er doch einen Paten hernehmen sollte,
denn seine ganze Sipp- und Magschaft hatte ihm
schon Kinder aus der Taufe gehoben, und er durfte
nicht hoffen, noch unter seinen Freunden eine mitleidige
Seele zu finden, die ihm sein jüngstgebornes
Kindlein hebe. Gedachte also an den ersten besten
wildfremden Menschen sich zu wenden, zumal manche
seiner Bekannten ihn in ähnlichen Fällen schon
mit vieler Hartherzigkeit abschläglich beschieden hatten.
Der arme Kindesvater ging also auf die Landstraße
hinaus, willens, dem ersten ihm Begegnenden die Patenstelle
seines Kindleins anzutragen. Und siehe, ihm
begegnete bald ein gar freundlicher Mann, stattlichen
Aussehens, wohlgestaltet, nicht alt nicht jung, mild
und gütig von Angesicht, und da kam es dem Armen
vor, als neigten sich vor jenem Manne die Bäume und
Blümlein und alle Gras- und Getreidehalme. Da
dünkte dem Klaus, das müsse der liebe Gott sein,
nahm seine schlechte Mütze ab, faltete die Hände und
betete ein Vater Unser. Und es war auch der liebe
Gott, der wußte, was Klaus wollte, ehe er noch bat,
und sprach: »Du suchst einen Paten für dein Kindlein!
Wohlan, ich will es dir heben, ich, der liebe Gott!«
»Du bist allzugütig, lieber Gott!« antwortete Klaus
verzagt. »Aber ich danke dir; du gibst denen, welche
haben, einem Güter, dem andern Kinder, so fehlt es
oft beiden am Besten, und der Reiche schwelgt, der
Arme hungert!« Auf diese Rede wandte sich der Herr
und ward nicht mehr gesehen. Klaus ging weiter, und
wie er eine Strecke gegangen war, kam ein Kerl auf
ihn zu, der sah nicht nur aus, wie der Teufel, sondern
war's auch, und fragte Klaus, wen er suche? – Er
suche einen Paten für sein Kindlein. – »Ei da nimm
mich, ich mach es reich!« – »Wer bist du!« fragte
Klaus. »Ich bin der Teufel« – »Das wär der Teufel!«
rief Klaus, und maß den Mann vom Horn bis zum
Pferdefuß. Dann sagte er: »Mit Verlaub, geh heim zu
dir und zu deiner Großmutter; dich mag ich nicht zum
Gevatter, du bist der Allerböseste! Gott sei bei uns!«
Da drehte sich der Teufel herum, zeigte dem Klaus
eine abscheuliche Fratze, füllte die Luft mit Schwefelgestank
und fuhr von dannen. Hierauf begegnete dem
Kindesvater abermals ein Mann, der war spindeldürr,
wie eine Hopfenstange, so dürr, daß er klapperte; der
fragte auch: »Wen suchst du?« und bot sich zum
Paten des Kindes an. »Wer bist du?« fragte Klaus.
»Ich bin der Tod!« sprach jener mit ganz heiserer
Summe. – Da war der Klaus zum Tod erschrocken,
doch faßte er sich Mut, dachte: bei dem wär mein
dreizehntes Söhnlein am besten aufgehoben, und
sprach: »du bist der Rechte! Arm oder reich, du
machst es gleich. Topp! Du sollst mein Gevattersmann
sein! Stell dich nur ein zu rechter Zeit, am
Sonntag soll die Taufe sein.«
Und am Sonntag kam richtig der Tod, und ward ein
ordentlicher Dot, das ist Taufpat des Kleinen, und der
Junge wuchs und gedieh ganz fröhlich. Als er nun zu
den Jahren gekommen war, wo der Mensch etwas erlernen
muß, daß er künftighin sein Brot erwerbe, kam
zu der Zeit der Pate und hieß ihn mit sich gehen in
einen finsteren Wald. Da standen allerlei Kräuter, und
der Tod sprach: »Jetzt, mein Pat, sollt du dein Patengeschenk
von mir empfahen. Du sollt ein Doktor über
alle Doktoren werden durch das rechte wahre Heilkraut,
das ich dir jetzt in die Hand gebe. Doch merke,
was ich dir sage. Wenn man dich zu einem Kranken
beruft, so wirst du meine Gestalt jedesmal erblicken.
Stehe ich zu Häupten des Kranken, so darfst du
versichern, daß du ihn gesund machen wollest, und
ihn von dem Kraute eingeben; wenn er aber Erde
kauen muß, so stehe ich zu des Kranken Füßen; dann
sage nur: Hier kann kein Arzt der Welt helfen und
auch ich nicht. Und brauche ja nicht das Heilkraut
gegen meinen mächtigen Willen, so würde es dir übel
ergehen!«
Damit ging der Tod von hinnen und der junge
Mensch auf die Wanderung und es dauerte gar nicht
lange, so ging der Ruf vor ihm her und der Ruhm,
dieser sei der größte Arzt auf Erden, denn er sahe es
gleich den Kranken an, ob sie leben oder sterben würden.
Und so war es auch. Wenn dieser Arzt den Tod
zu des Kranken Füßen erblickte, so seufzte er, und
sprach ein Gebet für die Seele des Abscheidenden; erblickte
er aber des Todes Gestalt zu Häupten, so gab
er ihm einige Tropfen, die er aus dem Heilkraut preßte,
und die Kranken genasen. Da mehrte sich sein
Ruhm von Tage zu Tage.
Nun geschah es, daß der Wunderarzt in ein Land
kam, dessen König schwer erkrankt darnieder lag,
und die Hofärzte gaben keine Hoffnung mehr seines
Aufkommens. Weil aber die Könige am wenigsten
gern sterben, so hoffte der alte König noch ein Wunder
zu erleben, nämlich daß der Wunderdoktor ihn gesund
mache, ließ diesen berufen und versprach ihm
den höchsten Lohn. Der König hatte aber eine Tochter,
die war so schön und so gut, wie ein Engel.
Als der Arzt in das Gemach des Königs kam, sah
er zwei Gestalten an dessen Lager stehen, zu Häupten
die schöne weinende Königstochter, und zu Füßen
den kalten Tod. Und die Königstochter flehte ihn so
rührend an, den geliebten Vater zu retten,