Tamora - Bordell auf Rädern. Thomas Riedel

Tamora - Bordell auf Rädern - Thomas Riedel


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aufgegessenes Müsli – eigentlich nicht wirklich angerührt. Ich denke, ich sollte sie mal aus ihrer Traumwelt holen, um mit ihr in den Tag zu starten. Sie trat an den Schreibtisch heran und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Was meinst du, wollen wir gemeinsam frühstücken? Deine Protas werden das Problem ja vielleicht in der Zwischenzeit allein gelöst kriegen?!«, unterbrach sie grinsend die Gedanken ihrer Freundin.

      Tamora drehte sich zu ihr herum und sah sie mit einem leicht verklärten Blick an. Es war deutlich zu bemerken, dass sie ihre imaginäre Welt noch nicht ganz hinter sich gelassen hatte. Doch dann riss sie plötzlich die Augen auf. »Du bist ja schon wach!«, stellte sie erstaunt fest. Wie immer, wenn sie vertieft dem Schreiben nachging, hatte sie jegliches Zeitgefühl verloren.

      »Meine liebe Prinzessin, es ist zwei Uhr nachmittags. Ich glaube mehr Schönheitsschlaf braucht nicht mal ein Model, bevor es auf den großen Laufsteg muss. Du warst wieder zu sehr mit deinem Manuskript beschäftigt und hast die Zeit darüber vergessen«, erwiderte Violett augenzwinkernd.

      »Was denn, schon so spät? … Die Freundin meiner Hauptfigur macht mir aktuell einen Strich durch die Rechnung … Sie macht einfach nicht was sie soll! Aber ja, lass' uns zusammen etwas essen.«

      *

      Der Nachmittag verging wie im Flug. Sie aßen eine Kleinigkeit zusammen und besprachen währenddessen noch kurz die Sitzordnung für den Abend. Cora war früher als erwartet aus Italien zurückgekehrt. Sie hatte sich telefonisch gemeldet, wahrscheinlich unmittelbar nach ihrer Landung auf dem ›Heathrow Airport‹. Im Rahmen dieses Gesprächs hatte Violett sie zum Essen eingeladen und im Anschluss Willow gefragt, ob diese ebenfalls Lust und Zeit hätte zu kommen.

      Tamora war schon ganz aufgeregt. Es war das erste Mal, dass die beiden sie in ihrem Hausmädchenkostüm sehen würden, aber das war für sie momentan nebensächlich. Ihr war die weitere Gestaltung des Abends augenblicklich wichtiger. Sie freute sich darauf ihrer Königin eine Überraschung zu machen. Ach, ich bin ja so gespannt, wie Vio reagieren wird, wenn sie die Box findet. Aber sie kam nicht weiter dazu, darüber nachzudenken.

      Sie traf ihre Vorbereitungen für die Tischdekoration und für das Eindecken des großen Esstischs. Während die Soße vor sich hinköchelt, dachte sie bei sich, werde ich ausreichend Zeit haben alles elegant zu gestalten. Bereits am Vortag hatte sie ein edles Blumengesteck gekauft – nicht wissend, dass sie es heute als Blickfang nutzen würde. Eigentlich sollte es den Wohnzimmertisch zieren – Violett mochte es frische Blumen um sich zu haben. Optisch passte es sogar außergewöhnlich gut zu dem traditionell indischen Gericht, welches sie für heute geplant hatte: ›Chicken Tikka Masala‹. Bevor ich mit dem Kochen anfange, sollte ich mich im Bad schon zurechtmachen. Ich werde später mit Sicherheit keine Zeit mehr haben mich noch umzuziehen und gar zu duschen. Außerdem will ich die Schachtel für Vio noch platzieren … Ich bin ja so gespannt! Mit diesen Gedanken schlich sie sich leise ins Ankleidezimmer, nahm ihr Kostüm und eine Box, die sie in der Schublade mit ihren Nylons verborgen hatte und verschwand über den Umweg von Schlaf- und Wohnzimmer in Richtung Bad.

      *

      Violett saß im Büro und telefonierte mit Sarah. Sie unterhielt sich mit ihr über Geschäftliches. »Ja, wir sollten dieses Jahr unbedingt noch ein paar Anschaffungen tätigen. Das ergibt Steuervorteile, vor allem für den Bereich der Filmproduktion«, kam sie mit ihr überein. Ich bin schon gespannt, wie Tammy sich geben wird, wenn Cora und Willow sie in ihrem süßen Outfit als Hausmädchen sehen. Sie wird bestimmt schon vorher aufgedreht und wuschig sein. Ach, meine Süße … Der Gedanke daran brachte sie zum Lächeln. Weiter kam sie nicht, denn Sarah holte sie mit einer Frage aus ihrer abschweifenden Vorstellung zurück.

      *

      Im Vorbeiflug zum Bad hinterließ Tamora auf dem Tisch im Wohnzimmer ihr Geschenk. Sie versuchte so unauffällig wie möglich sich im Flur an der offenen Tür des Büros in Richtung des Bades zu schleichen. Sie wollte ihre Verlobte nicht stören. Ihr Ziel war es, alles vorzubereiten und selbst fertig zu sein, bis Cora und Willow kamen, ohne von ihrer Königin beobachtet zu werden. Sie wollte ein kleines Kunstwerk schaffen, was alle erfreuen würde. »Dann mal unter die Dusche, alles nachrasieren, das hübsche Kostüm anlegen, meinen Strumpfgürtel dazu und die schönen Nylons nicht vergessen … dann habe ich hier alles?«, brachte sie sich halblaut in Erinnerung.

      *

      Tamora hatte sich alle erforderlichen Zutaten auf der großen Arbeitsfläche der Küche zusammengestellt. Zunächst zog sie sich Latexhandschuhe über, damit ihre Finger später nicht nach Knoblauch rochen, spülte frischen Ingwer ab und schälte einige Zehen, die sie für die Marinade brauchte. Für den Ingwer benutzte sie eine Küchenreibe und für den Knoblauch eine Presse. Auf diese Weise bekam sie eine feine Masse.

      Während sie sich voller Hingabe der Zubereitung widmete, wippten ihre Füße fröhlich im Takt zur Radiomusik. Als der Londoner Lokalsender ›Virgin‹ einen Song von James Brown spielte, begann sie lauthals mitzusingen: »I feel good …« Dabei schoben sich ihre Füße funkymäßig über den Fliesenboden. Ihre Arme warf sie schwungvoll in die Höhe und ließ ihr Becken kreisen. »… like sugar and spice …«

      »So, jetzt aber Chilis …«, rief sie sich zur Ordnung, »schön fein schneiden und von diesen widerlichen fiesen Kernen befreien.« Nachdem sie diesen Arbeitsschritt unter weiteren Tanzbewegungen hinter sich gebracht hatte, lachte sie und redete den Zutaten gut zu: »Und nun macht euch mal miteinander bekannt.« Sie führte das Schneidebrett über die Schüssel und schob die klein geschnittenen Chilis mit dem Messer vom Brett, worauf sie alles miteinander vermengte.

      Dann röstete sie Senfkörner in einer Pfanne mit heißem Olivenöl an und wartete andächtig darauf, dass diese wie Maiskörner aufploppten, um sie mit Kreuzkümmel, Paprikapulver, gemahlenem Koriander und zwei Esslöffeln ›Garan Masala‹ in der Schüssel zu vermengen. Als nächstes teilte sie die Masse in zwei gleiche Teile auf und gab die eine Hälfte in eine Schale. »Na, dann badet ihr mal schön«, schmunzelte Tamora an die Putenstücke gerichtet, während sie diese und Joghurt in die erste Schüssel dazugab, »und ich decke derweil den Tisch ein.«

      Sie wandte sich dem Wohnzimmer zu und tänzelte leichtfüßig zur Musik hinüber zum Tisch – nicht ohne weiterhin mitzusingen. Als Tischläufer hatte sie ein breiteres, dunkelrotes Tuch mit goldenen Mustern ausgewählt. Hinzu kamen schwarze Platzdeckchen, auf die sie goldene Unterteller stellte, die von einem schlichtweißem Dinnerteller gekrönt wurden. Die Gläser für Wasser und Wein stellte sie akkurat an ihre Plätze, legte das Besteck ausgerichtet hinzu und drapierte abschließend die Servietten. Als Letztes verteilte sie kleine Teelichthalter auf dem Läufer. Der Eyecatcher war das Dahlien- und Gerbera-Gesteck.

      Kontrollierend begutachtete sie ihr Werk. Wow, das wird richtig romantisch, ging es ihr durch den Kopf. Sie war zufrieden mit dem Resultat. Beschwingt trat sie einige Schritte vom Tisch zurück, dabei schwang sie ihre Hüften als würde sie über einen Catwalk laufen. Augenblicklich dachte sie an ihre Königin. Wie sie das nur immer so elegant hinbekommt … Sie seufzte. Aber meine Schamlippen … diese verdammte Spange … Boah, Vio, wenn du wüsstest, was das laufend mit mir macht … Sie musste schmunzeln. Ach, natürlich weiß sie das! Jetzt muss ich mich aber noch einmal aufs Kochen konzentrieren, ermahnte sie sich und huschte in die Küche zurück.

      *

      Violett legte den Hörer auf und atmete einmal kräftig durch, um ihre Gedanken vom Geschäftlichen zu lösen. Jetzt aber Schluss mit Arbeit, dachte sie und lächelte in sich hinein, als sie an den bevorstehenden Abend dachte. Sie schob ihren Stuhl zurück, stand auf und wandte sich zur Tür. »Na, bin mal gespannt, was meine Prinzessin so treibt«, murmelte sie vor sich hin, während sie in den Flur trat und aufs Wohnzimmer zuging.

      Kaum hatte sie den Salon betreten fiel ihr rechter Hand der eingedeckte Esszimmertisch auf. »Wow, da hat sich meine Süße aber selbst übertroffen.« Sie wollte sich schon ab- und der Küche zuwenden, aus der sie Klappern vernahm, als ihr Blick auf die Geschenkbox fiel, die auf dem unteren Drittel der Tischplatte stand. Jetzt sag' bloß nicht, dass das ein Bienchen auf der Schleife ist?, ging


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