Sky-Navy 10 - Feind ohne Gesicht. Michael Schenk

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Kadaver werden im Hangar ihres Beibootes gesammelt. Das macht es leicht, sie nach dem Start im Weltraum zu entsorgen.“

      „Gut. Erfülle hier den Willen unserer Primär-Kommandantin. Ich werde jetzt das Schiff inspizieren.“

      „Deinem Wunsch entsprechend.“ Die Oberfrau stampfte zustimmend mit dem linken Fuß auf und wandte sich wieder ihren Arbeitern und Technikern zu.

      Hena-Gedar passierte eine kleine Notschleuse in dem kurzen Korridor, der zu den zentralen Liftschächten führte, die, vom Pol der unteren Waffenkuppel durch die Decks hinauf, bis in den Pol der oberen Waffenkuppel verliefen. Der Liftschacht war im unteren Bereich durch die zerstörte Kabine blockiert. Auch hier war man dabei, einen Ersatz zu bauen und benutzte derzeit die im Schacht vorhandenen Notleitern.

      Während die Kommandantin in den Hauptrumpf hinauf stieg, dachte sie für einen Moment mit Stolz an den Plan der Primär-Kommandantin, der nun Wirklichkeit geworden war. Es hatte vor über einem Jahr mit der Aufbringung eines zivilen Menschenschiffes begonnen, von dem man einiges über die Konstruktionen des Direktorats erfuhr. Dieses Schiff hier war jedoch kein interstellares Transportschiff, sondern einer der kampfstärksten Kreuzer des Feindes. Zum ersten Mal war die verborgene Welt in der Lage, die Waffen dieses neuen Gegners zu studieren. Doch es ging nicht nur um das Erforschen der fremden Technik. Dieses Schiff sollte in den Diensten der verborgenen Welt kämpfen und zu seiner furchtbarsten Waffe werden.

      Sie verließ den Schacht im unteren der fünf Hauptdecks. Die prinzipielle Konstruktion des Kreuzers war aus den einst erbeuteten Datenbänken bekannt und es fiel keinem der Negaruyen schwer, sich im Schiff zu orientieren. Die Geheimnisse lagen vielmehr in seiner Technik und Bedienung, und trotz des Wissens, welches sich die Geschulten inzwischen angeeignet hatten, würde es nicht leicht werden, es ohne fatalen Fehler zu nutzen.

      Hena-Gedar ging langsam durch den Hauptkorridor des Decks, sprach immer wieder mit Oberfrauen und Untermännern, welche die Gruppen der Dienenden führten. Die Kampfspuren und Schäden im Inneren des Kreuzers waren gering. Es hatte nur wenige bewaffnete Menschen gegeben, die hier noch hatten Widerstand leisten können. Die meisten ihrer Kämpfer waren unten, in der unteren Kuppel und Frachtschleuse umgekommen.

      Sie betrat den Hauptmaschinenraum, der das gesamte hintere Drittel der Decks Eins bis Drei einnahm. Hena-Gedar winkte eine Oberfrau zu sich, die an der Uniform das Abzeichen einer leitenden Tech-Ingenieurin trug. „Berichte. Wie kommt ihr mit der Bedienung der Technik voran?“

      Die Frau salutierte. „Wir kennen einen Teil der Funktionen bereits von dem zivilen Menschenschiff, welches vor einem Jahr im Raum aufgebracht wurde. Daher wissen wir, dass die Menschen bei der Technik und der Konstruktion ihrer Schiffe durchaus ähnlichen Prinzipien folgen. In einigen Bereichen scheinen sie uns voraus zu sein, in anderen erscheinen mir ihre Lösungen eher… unpraktisch.“

      Persönliche Ansichten interessierten Hena-Gedar im Augenblick recht wenig. „Datenverarbeitung, Antriebe, Waffen und Lebenserhaltung… Berichte.“

      „Verzeiht, Herrin, ich schweifte ab.“ Die Ingenieurin deutete eine demütige Verbeugung an. „Die Datenspeicher des Schiffsarchivs wurden von seiner Besatzung gelöscht oder sogar zerstört. Allerdings konnten wir die aus ihrem Beiboot retten und verfügen damit über die aktuellsten Sternenkarten der Menschen. Die Datenspeicher zu den Schiffsfunktionen blieben unberührt, allerdings gibt es noch Probleme, ihre Maschinensprache zu entschlüsseln. Die Menschen verwenden sogenannte tetronische Verbindungen und künstliche tetronische Intelligenz für ihre Steuerungsfunktionen. Wir können die Kernfunktionen aktivieren und rudimentäre Programme aktivieren, allerdings sind wir noch nicht in der Lage, eigene Programme in die Schiffsysteme zu übertragen. Diese Tetroniken sind übrigens erstaunlich. Sie sind deutlich schneller, als unsere eigenen eTronischen Systeme.“ Die Oberfrau bemerkte die Ungeduld ihres Gegenübers. „Ich bin mir sicher, dass wir das Schiff werden fliegen können, ehrenwerte Herrin. Die Steuerung ihres Hiromata, so nennen die Menschen ihren Schwingungsantrieb, beherrschen wir in seinen Grundfunktionen. Wir können ihn aktivieren und ziemlich genau steuern. Allerdings werden wir bei den ersten Flügen durch die Nullzeit-Schwingung mit kleinen Abweichungen rechnen müssen, bis wir alle Steuervorgänge vollendet beherrschen. Das Problem besteht nicht darin, den Schwingungsantrieb der Menschenwesen zu benutzen, sondern ihn mit den Navigationsdaten zu synchronisieren, so dass man an einem vorausberechneten Punkt aus der Schwingung kommt.“

      „Sind diese tetronischen Systeme denn wirklich so kompliziert?“

      „Wir müssen ihre Codierungen entschlüsseln und verstehen, Herrin, und in der Kürze der verfügbaren Zeit...“ Die Ingenieurin zögerte kurz. „Ich schlage vor, möglichst viele Funktionen dieses Schiffes durch unsere eigenen Steuerungseinheiten regeln zu lassen. Wir können die tetronischen Elemente abklemmen oder umgehen und unsere tragbaren eTroniken anschließen.“

      „Ich verstehe. Doch werden ihre Systeme mit unseren Steuerungseinheiten funktionieren?“

      „Ich bin mir sicher, dass sie, wenigstens in ihren Grundfunktionen, kompatibel sind.“

      „Gut. Tauscht die tetronischen Steuerungseinheiten aus oder umgeht sie, sofern wir dafür ausreichend eigene Steuerungseinheiten verfügbar haben.“

      „Es wird deinem Wunsch entsprechend geschehen, Herrin. Die Lebenserhaltungssysteme des Schiffes funktionieren einwandfrei. Ich sprach vorhin übrigens mit einem unserer Lebensbewahrer. Er teilte mir mit, wir könnten auf die Vorräte hier an Bord zurückgreifen, da unser Metabolismus weitgehend dem der Menschen entspricht.“ Die Frau zögerte erneut. „Ich wage dennoch keine Prognose bezüglich des Geschmacks und der Verdaulichkeit.“

      Hena-Gedar wippte nachdenklich auf den Fersen. „Die Primär-Kommandantin würde es mir nicht danken, wenn unsere Besatzung wegen Magenkrämpfen ausfällt. Wir werden besser unsere eigenen Vorräte von der Solaan herüber bringen lassen.“

      Die Kommandantin verließ den Maschinenraum mit seinen geschäftigen Technikern und beschloss, sich nun direkt auf die Brücke zu begeben. Im Hauptkorridor des Oberdecks, der nach vorne zur Offiziersmesse, den Offiziersquartieren, der Brücke und dem Bugbereich führte, gab es ebenfalls kaum Kampfspuren. Ein paar Blutlachen wurden entfernt, Einschüsse von Impulspistolen dahingehend überprüft, ob sie Schäden an Kabeln oder Versorgungsleitungen in Decken oder Wänden hervorgerufen hatten.

      Inzwischen befanden sich fast dreihundert Negaruyen an Bord, davon eine volle Sturmabteilung der Kampftruppe, die das Schiff schützte. Die Mehrheit stellte jedoch die Besatzung des Menschenschiffes. Hena-Gedar gehörte als Kommandantin zu dieser neuen Besatzung und so stolz sie auch auf diese Aufgabe war, so litt sie zugleich auch unter ihr, denn sie gehörte nunmehr zu den Geschulten und Veränderten.

      Welche äußere Veränderung dies vor allem betraf, wurde Hena-Gedar wieder einmal bewusst, als sie die Brücke des Kreuzers betrat und hier Primär-Kommandantin Desara-dal-Kellon vorfand.

      Die Oberbefehlshaberin der Flotte der verborgenen Welt trug die schlichte hellblaue Borduniform. An der linken Brustseite war das Wappen der verborgenen Welt zu sehen. Zwei Hände, die sich sehnsüchtig einem Stern entgegen streckten. Am Kragen schimmerten die drei Sterne, die den hohen Rang auswiesen. Desara war ohne Zweifel eine begehrenswerte Frau, mit einem ebenmäßigen Gesicht, in dem die hellblauen Augen mit ihren silbernen Pupillen dominierten. Das blonde Haar trug sie kurz, so dass es wie eine Kappe eng am Kopf anlag.

      Sie saß im Sessel des Captains, flankiert von ihren vier persönlichen Leibgardisten, welche Kampfanzüge trugen. Die Männer führten Impulslaser und Raketengewehr sowie eine kleine Neuro-Peitsche. Ein breiter hellroter Streifen führte von der rechten Schulter zur linken Hüfte und zeigte, dass sie das Recht besaßen, uneingeschränkte tödliche Gewalt auszuüben, ohne hierüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Dies galt auch für Gewalt gegenüber Frauen, was außergewöhnlich war. In der Hierarchie der verborgenen Welt, in der die Frauen das Sagen hatten, war es nicht selten, dass ein sehr fähiger Dienender den Rang eines Untermannes erreichte. Diese Vier hingegen waren sogar in den eines Obermannes aufgestiegen. Ihre Gesichter wirkten ausdruckslos, doch die Bewegung ihrer Augen verriet stete Wachsamkeit, selbst hier, wo Desara von Negaruyen umgeben war, die sie durchweg


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