Schanghai und zurück. Paul Baldauf
als Zentrum mächtig
Die Oberlippe scheint da schmächtig
Dazu der Blick: Dies Fokussieren...
Das Ganze wirkt fast wie gemeißelt:
Der Dichterfürst in steifem Rock,
Darin verstaut halb die Krawatte
Als griff verbal er gleich zum Stock,
Als würd’ das Vaterland gegeißelt:
So steht der Binger auf der Matte
Der große Brecht
Der große Brecht, er hieß Berthold
Bis er dem kleinen h gegrollt
Blieb Bertold – doch, ich weiß nicht recht... −
Auch dies gefiel dem – wem nun? – schlecht:
Das old war ihm zutiefst zuwider
Blieb endlich Bert: Schlicht, kurz und bieder
Johann Wolfgang von Goethe und sein treuer Sekretär Eckermann
Denk ich zurück, mein lieber Eckermann,
Wie ich in Weimar ungestüm begann...
Als Autor zwar berühmt und viel gelobt
Doch noch in keinem Amt so recht erprobt
Muss ich mich wundern und von Herzen schmunzeln
Ich seh’ noch Frau von Stein die Stirne runzeln...
Eckermann:
Verzeiht, Geheimer Rat, wenn ich bemerke
Sie gingen ganz gewiss gleich gut zu Werke
Und wenn mich mein bescheidener Sinn nicht trügt
So haben Sie sich rasch in alles eingefügt!
Goethe:
Mein lieber Eckermann, dem sei wie’s wolle
Bedenk er wohl: Ich kam von Frankfurts Scholle...
Und hab das reinste Hessisch nur gebabbelt
Bei Hofe selbst, hab ich’s gebrabbelt
Wie’s mir nur so von Mund zu Herzen floss
Bis es die Frau von Stein zutiefst verdross
Eckermann:
Seht es mir nach, wenn ich hier unterbreche:
Zwar scheint der Dialekt oft eine Schwäche
Doch bin ganz sicher ich: Aus I h r e m Mund
Tat sich selbst HESSISCHES als Wohllaut kund!
Goethe:
Mein teurer Eckermann, die Frau von Stein
Schien davon nicht ganz überzeugt zu sein:
‘Vergess er nicht: Er ist allhier bei Hofe!
So wie er spricht, verscheucht er jede Zofe
Bemüh er sich, die sch’s zu unterdrücken!
Man tuschelt schon und nicht nur hinterm Rücken‘
Goethe schüttelt den Kopf und schreitet sinnierend durch den Raum,
bis er sich entschlossen Eckermann zuwendet:
Wer will nur darben, wie Asketen leben?
Lasst nun auf Weimar, Eckermann, uns einen heben!
Und nicht zu knapp auch auf die Frau von Stein
Bring er Bordeaux, sei er so gut, bring er uns Wein!
Nachtgedanken von Friedrich von Schiller (1759–1805)
Auch ich ein Sohn aus Schwabenland
Dies machte mir zu schaffen
Bis nach und nach ich Mittel fand
Die Mundart mir zu straffen
Denn wenn ich schrieb, so hörte man nichts,
Keine schwäbisch-verschrobenen Laute
Die Feder nur kratzte, bei talg-trübem Licht
Indes ich fünf Akte erbaute
Mein Atem nur ging und ich überließ
Den Gestalten des Stückes zu sprechen
Bis tief in der Nacht ich die Kerze ausblies
Um vorm Schlaf noch ’nen Becher zu zechen
Das Schwaben- ist fürwahr ein Land
Der Denker, der Tüftler und Dichter
Auch ich kam dem großen Immanuel Kant
Nach einem Jahrzehnt auf den Trichter
Zehn Jahre das Hirn zermürbt mir mit Kant
Dies konnte von Goethe nie fassen
Es brachte der Kant mich fast um Verstand
Doch konnte von ihm ich nicht lassen
War’s Schicksal, das mich nach Weimar geführt?
Ich sehe Ihn heut noch erscheinen
Den Genius habe sofort ich gespürt
Doch zugleich und nicht minder den meinen
Wie habe ich Goethe zu Anfang gehasst
Sein olympisch einnehmendes Wesen…
Ich hätt’ ihn als Herzog aus Weimar geschasst
Und hab doch so gern ihn gelesen
Es lag darin ein tiefer Sinn
Ich kam, um Ihn zu begleiten
Doch dass Ich als Dramatiker besser bin
Wird niemand wohl ernsthaft bestreiten
Sein Opus FAUST, die Elegie
Die im Bad von Marien ihm entflossen
Es hilft alles nichts, dies erreichte ich nie
Ich habe trotzdem sie genossen
So nach und nach verstand ich ihn tief
Bis ich Goethe den Goethe erklärte
So dass er mich öfter zu sich berief
Da ich mich als Dolmetsch‘ bewährte
Nur eines ging mir gegen den Strich
Seine elenden Weibergeschichten!
Da war er wirklich ein Liederlich
Doch half es ihm scheinbar beim Dichten
Ich sehe ihn noch: Wie er, die Arme verschränkt
Gehalten hinter dem Rücken,
Im Parke wandelnd, die Metamorphose bedenkt
Sein Schluss konnte mich nicht entzücken
Sein Denken glich platonischem Schauen
Da fehlte die kantische Strenge!
Er schien meinen Einwand leicht zu verdauen
Und schlug öfter noch über die Stränge
Doch einmal hat er kalt mich erwischt:
Als Weimar er bei