Schanghai und zurück. Paul Baldauf
Der Mann war nie ganz zu fassen
Es war ihm Weimar als Kaff wohl zu öd
Da schien ROM ihm mehr angemessen
Klang sicher wie Wohllaut ihm: ‘Signor Goeth‘
Wenn er beim Italiener gegessen
In Rom schrieb er manch losen Reim
Und schickte sie dreist per Postille
Die Frauenzimmer gingen ihm auf den Leim
Der alten teutonischen Grille
Ihm half es, dass er Italienisch verstand
Er sprach es, akzentreich und fließend
Er war da schon immer äußerst gewandt
Ich fand das Ganze verdrießend
Als dann er schließlich zurückgekehrt,
Empfing ihn höfische Kühle
Die von Stein’sche hat ihm den Einlass verwehrt
Im Adel verletzt der Gefühle
Als ich dann so verfrüht verschied
Hat Goethe schwer gelitten
Ich sehe ihn noch, wie er zur Totengruft zieht
Er kam mit schweren Schritten
Er sah meinen Schädel voll Rührung an
Schrieb Verse, die unübertroffen
Nur lesen solltet Ihr’s dann und wann
Ich kann da nur weiter hoffen
Rat an einen jungen Dichter in der Krise
Dir fehlt der Schwung zum Dichten
Ihn mache dir zunichten
− Rein durch die Athmosphäre‘
Die Reimern schädlich wäre −
Der Genius des Ortes
In dem du wohnst, seit einem Jahr
Er sei nicht förderlich dem ‘Kult des Wortes‘
So wie die Stadt, die früher dein Zuhause war?
Der Ort, er sei ‘für Maler‘ schicklich
Jedoch für Dichter unerquicklich
Für Steinbehauer sei er prächtig
Poeten hemm’ er schwer und mächtig
Du bangst, so schließt du, ‘um dein Schaffen‘
Dein Wohnort scheint dich hinzuraffen
Getrost, mein Freund! Nur unverzagt!
Du hast den rechten Mann gefragt
Ich habe noch dieselbe Nacht
Lang darüber nachgedacht
Bis ich für dich die Lösung fand,
Die zweifellos ich klar erkannt:
Willst du als Dichter was vollbringen
Dann pack dein Zeug und zieh nach BINGEN
George ist die Stadt bekommen
So wird sie dir auch sicher frommen
Wandle ruhig auf seinen Spuren
Durch die weiten Weinbergs-Fluren
Doch vergiß dabei mitnichten
Ab und an auch was zu dichten
Wird dir Bingen nicht zur Labung:
Liegt woanders die Begabung?
Rainer Maria Rilke berichtigt sich
Ich trieb mich gern in Schlössern rum
Und schrieb, dass Armut glänze
Ein Arbeitsloser nahm‘s mir krumm
Weshalb ich hier ergänze:
Die Armut ist ein großer Glanz
Solang man nicht betroffen
Zum Ökonomen reicht’s nicht ganz
Der Vers jedoch lässt hoffen
Hesses Hermann
Als ich noch ein Knabe war
Fuhr die Tante mir durchs Haar:
‘Bub, was wirst du? Bücher-Binder!?‘
– Dabei war ich schon: Wahl-Inder! –
Ich dacht': Dich bring ich auf den Trichter!
Und sprach: ‘Nichts werde ich - als Dichter!
Damit du's gleich als Erste weißt‘
– Sie ging mir oft noch auf den Geist –
Dann in Maulbronn: Die Jugendnöte:
Selbst mit Fieber las ich Goethe
Und wie die Bienen aus den Waben
Sog ich aus den Dichter-Schwaben
Die Nahrung mir, nach der ich lechzte
Bis ich vor Migräne ächzte:
Von Mörike war ich entzückt
Von Lenau weltschmerzlich beglückt
Den Uhland fand ich herrlich bieder
Am Hauff genas ich immer wieder
Durch Schiller wurd‘ ich idealisch
Durch Hölderlin leicht genialisch
Wem auch ich viel zu danken hab:
Dem sagenhaften Gustav Schwab
Ich las auch nächtlich Philosophen
Von Hegel täglich zwanzig Strophen
Nach dem Essen, mit etwas Wasser,
Im Leben war ich selten blasser
Was für ein Geist! Wie unergründlich!
An einem Satz verdaut man stündlich
Im Turnen war ich mehr 'ne Null
Doch keiner las wie ich Catull
Und plagte mich Gelenke-Schmerz
So schrieb ich Verse, nach Properz
Die Bürgerwelt verstörte mich
Die Muse - sie erhörte mich
Und was ich einst zur Tante sprach
Erfüllte sich, so nach und nach
Zwar machte ich auch eine Lehre
Doch Arbeitswelt? Habe die Ehre!
Nein, mein Weg stand für mich fest:
Arbeit ist gut! – solang man sie lässt
Doch Scherz beiseite: Ich wollte dichten
Nur dichtend Werk um Werk verrichten
Die Bahn nach der I c h angetreten
– Es brachte überdies Moneten –
Dichter in der Krise
Der