Sinja und die Zaubergeige. Andreas Milanowski

Sinja und die Zaubergeige - Andreas Milanowski


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sich schnell an das Flussufer zurückziehen konnten, wenn es zum Kampf kam. Die Moroks haben normalerweise im Wald gegen uns Elfen keine Chance, aber wenn sie Deckung haben oder ganz schnell ans Ufer flüchten können, dann sind sie schon mal mutig. Wir haben also diesen Teil des Waldes, sagen wir mal.... ein wenig begrünt und hatten schon viel Freude, wenn sich ein Spähtrupp beim Anschleichen im dichten Unterholz oder in unseren hübschen Schlingpflanzen hier verheddert hat. Es sieht sehr lustig aus, wenn vier wütende Moroks versuchen, sich aus dem Gestrüpp zu befreien. Das sieht dann aus, als würden sie tanzen wie Rumpelstilzchen ums Feuer. Wir waren dann manchmal vor lauter Lachen nicht mehr imstande, sie ordentlich zu verprügeln, aber ich glaube, dass wir sie ausgelacht haben, hat sie mehr geschmerzt, als wenn wir sie erschlagen hätten.“

      „Aha!“, sagte Sinja, „dann ist das sozusagen eine Schutzmaßnahme. Verstehe! Aber warum müssen wir dann jetzt auch da durch. Wenn ich das richtig gesehen habe, könnt ihr doch eigentlich ganz gut mit dem Wald. Wäre es dann nicht möglich, den Weg für uns ein kleines bisschen freier zu machen?“

      Sinja hatte zu dieser Frage ihr charmantestes Lächeln aufgesetzt, zu dem sie in diesem Moment in der Lage war. Sie klimperte noch ein wenig mit den Augen dazu und hoffte, dass Ferendiano es trotz der Dunkelheit noch sehen würde. Er hatte es gesehen, musste auch ein wenig schmunzeln, aber es half nichts.

      „Das fände ich auch wunderbar, Sinja, es würde vieles vereinfachen.

      Wir wissen aber nicht, wer uns folgt“, erklärte er, „auch wenn das jetzt etwas lästig und anstrengend ist, ist es für uns sicherer, das Gestrüpp um uns herum zu haben. Du wirst dich allmählich daran gewöhnen, glaube mir.“

      „Wenn du es sagst“, antwortete Sinja und rollte genervt die Augen. „Ich habe mich ja auch daran gewöhnt, die Berufene zu sein. Wie du siehst, bin ich äußerst anpassungsfähig.“

      Sinja lächelte zu diesem Satz etwas gequält und jetzt musste sogar Gamanziel lachen. Insgeheim bewunderte sie Sinja, die vor einiger Zeit noch nicht das Geringste von der Existenz Dorémisiens geahnt hatte. Jetzt war sie, unter höchster Gefahr, Teil einer Unternehmung, von der sie eigentlich fast nichts wusste. Sie glaubte einfach nur, dass es richtig sei und folgte ihrem Herzen.

      „Ja, das bist du, Sinja Wagemut – und noch viel mehr. Ich hoffe, du weißt mittlerweile, dass wir deinen Einsatz für unsere Sache sehr schätzen.“

      „Wenn ich nur endlich wüsste, wofür ihr ausgerechnet mich braucht, aber mittlerweile glaube ich, dass es seine Richtigkeit hat, dass ich hier bin.“

      Von diesem Moment an gingen sie schweigend weiter. Sie hatten Sinja in die Mitte genommen und liefen so hintereinander her. Hier und da knackte ein Ast oder raschelten ein paar Blätter. Ab und zu streifte ein leichter, kühler Wind durch die Büsche und Bäume. Gelegentlich fiel etwas Kleines, Leichtes vom Baum, vielleicht eine Eichel oder Buchenecker oder eine andere Frucht oder etwas ganz Anderes?

      Wenn man nachts im Wald unterwegs war und nichts oder wenig sehen konnte, war alles, was man hörte mindestens doppelt so laut wie am Tag. Das wusste Sinja von einer Nachtwanderung, die sie einmal mit ihren Klassenkameradinnen unternommen hatte und trotzdem schreckte sie bei jedem Geräusch zusammen. Sie sah Gesichter wo Äste und Baumstämme waren, hörte Stimmen, wo nur der Wind durch die Blätter strich, sah Augen im Dunklen, aber da war nichts – oder doch? Einmal meinte sie, deutlich eine Figur, den Umriss eines Körpers erkannt zu haben. Da aber die beiden anderen nicht reagierten, lief sie einfach weiter und versuchte, sich selbst zu beruhigen.

      „Da wird schon nichts sein, Sinja. Wenn da etwas wäre, hätten Gamanziel und Ferendiano das sicher auch gesehen und Alarm geschlagen...“

      Von den Schönheiten des Waldes, die sie anfangs so bewundert hatte, war nichts geblieben als schwarze Schatten und Furcht. Sinja hoffte, dass dieser Alptraum möglichst bald ein Ende haben möge. Den beiden Elfen schien die Situation überhaupt nichts auszumachen.

      Die marschierten ungerührt und ohne einen Laut immer weiter geradeaus, Ferendiano vorne, Gamanziel hinten, bis sie an eine kleine Lichtung kamen.

      „Hier können wir einen Moment ausruhen“, sagte Ferendiano „und uns ein wenig erholen.“

      Mit diesen Worten warf er seinen Rucksack im hohen Bogen ins Gras und machte es sich bequem. Gamanziel tat es ihm gleich und auch Sinja war froh, das schwere Gepäck endlich einmal ablegen zu dürfen, auch wenn es nur für kurze Zeit sein sollte.

      „Habt ihr sie auch gesehen?“, fragte Ferendiano, nachdem sie eine Weile verschnauft und ihre Vorräte ausgepackt hatten.

      „Wen soll ich gesehen haben?“, fragte Sinja aufgeregt.

      „Na, das, was uns die ganze Zeit gefolgt ist.“

      „Also hab´ ich doch nicht rumgesponnen. Ich dachte schon, ich sehe Gespenster.“

      „Ja, sowas Ähnliches sind sie auch“, sagte Gamanziel

      „Das sind, Ranguun, Schattenwesen, die für den `Unerhörten´ im Wald herumgeistern, im wahrsten Sinne des Wortes", erklärte Ferendiano.

      "Sie sind wie der Nebel. Sie existieren dort, wo es dunkel, kühl und feucht ist."

      "Was für nette Gesellen. Und was tun diese putzigen Kerlchen hier im Wald?", fragte Sinja.

      "Sie spionieren."

      "Und das lasst ihr euch einfach so gefallen?"

      "Was sollen wir dagegen tun? Mit Licht und Wärme könnten wir sie vertreiben oder mit Musik. Wir können aber nicht mit Fackeln oder einer Blaskapelle durch den Wald rennen. Dann hätten wir die Moroks auf dem Hals. Da sind uns die Ranguun noch lieber. Denen können wir zwar nichts tun, weil sie keinen richtigen Körper haben, aber sie tun uns auch nichts. Es ist noch nie jemand von ihnen angegriffen worden.“

      „Deswegen wart ihr so cool. Ich hab´ mir vor Angst fast in die Hose gemacht. Hab‘ gedacht, ich sehe Dinge, die es gar nicht gibt.“

      „Wenn du Angst haben musst, werden wir dir das sagen – versprochen“, sagte Ferendiano und lachte dabei.

      „Das ist beruhigend“, versuchte sich Sinja in Galgenhumor, „ich verlasse mich drauf.“

      Dann aßen sie ihr mitgebrachtes Brot und tranken etwas Wasser. Seitdem sie mit Ferendiano unterwegs waren, war alles ein wenig heiterer. Er war halt das `F´.

      „Das Problem bei der Geschichte ist, dass der `Unerhörte´ bald weiß, dass wir nur noch zu dritt unterwegs sind. Dann wird er eins und eins und eins zusammenzählen und kann sich ausrechnen, was die anderen vier tun, wenn es denn hoffentlich noch vier sind“, stellte Gamanziel fest.

      "Dein Optimismus ist wirklich ansteckend, Gamanziel", lästerte Ferendiano.

      „Ja, du kannst einem richtig Mut machen", stimmte Sinja zu, "wir können zurzeit doch gar nicht wissen, was anderswo passiert, also konzentrieren wir uns jetzt erst einmal darauf, dass wir zur `Fermata´ gelangen. Ich wette, so etwas Ähnliches wollte gerade einer von euch sagen, stimmt’s?“

      Ferendiano fühlte sich angesprochen.

      „Ja, da hast du recht. Wir werden unsere Energie nicht verschwenden, um uns über Dinge Gedanken zu machen, die wir von hier aus nicht beeinflussen können. Das können wir zuhause oder in der Schule in Philosophie machen, aber hier müssen wir handeln, manchmal sehr schnell, das hast du ja schon mitgekriegt und dazu brauchen wir all unsere Kraft.

      So, das war das `Wort zum Sonntag´ oder wie das bei euch in der Menschenwelt heißt“, sagte Ferendiano und lachte wieder.

      „Ist es okay, wenn wir gleich weitergehen oder braucht ihr noch ein wenig Zeit?“

      „Nein, ich will hier nicht bleiben. Lass uns so schnell wie möglich weitergehen“, sagte Sinja.

      Da auch Gamanziel nichts dagegen hatte, wurde die kurze Rast beendet, die Rucksäcke wieder geschultert und


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