Sinja und die Zaubergeige. Andreas Milanowski
aber riskiert nicht sinnlos euer Leben im Kampf gegen diese Übermacht.
Gehorcht und es wird euch nichts geschehen. Eure `Seriosa´, Beraterin der Königin Myriana
`S´
„Ich kann das nicht glauben. Amandra, schau dir das mal an.“
Emelda gab Amandra den Brief.
„Oh Nein! Das darf nicht wahr sein. Dann ist alles vorbei.
Sinja gefangen, Gamanziel tot? Oh nein!“
Amandra begann zu schluchzen.
„Das kann natürlich sein“, überlegte Emelda, "wenn der `Unerhörte´ noch einen dritten Nauron losgeschickt hat. Der könnte Sinja und Gamanziel angegriffen haben. Das ist möglich und es wäre eine Katastrophe. Andererseits - überleg doch mal: Königin Myriana hat ein Leben lang gegen das dunkle Schweigen gekämpft und jetzt, wo der entscheidende Kampf bevorsteht, ausgerechnet jetzt sollen wir den Kristall einfach diesen verlausten Typen aushändigen. Ich glaube das nicht. Da ist was oberfaul!“
„Hmmmm, da könntest du natürlich recht haben.“
Amandra beruhigte sich wieder.
„Irgendwas stinkt an der Sache, aber was? Das Papier mit der Krone ist es nicht. Das ist eindeutig aus dem Palast und duftet nach Rosenwasser. Das kann niemand so perfekt nachmachen.“
„Königin Myriana hat uns immer mit Namen angesprochen, schon als wir noch zusammen in der Prim waren.“
„Aber das Schreiben ist nicht von der Königin, sondern von `Seriosa´ unterzeichnet.“
„Glaubst du, dass `Seriosa´ so eine wichtige Sache wie die Auslieferung des Kristalls auf eigene Faust entscheidet, ohne dies mit der Königin abzustimmen? Ich nicht.“
„Und wenn, dann wäre sie wahrscheinlich nicht mehr lange Beraterin der Königin. Also was läuft da schief? Wer versucht, uns aufs Kreuz zu legen?
Und im Übrigen, die fünf Typen, die da auf uns zugesprintet kommen, sehen nicht aus, als hätten sie eine Friedensfahne dabei.“
„Stimmt! Das sind keine Friedensengel. Das sind ganz normale, stinkende Moroks, so wie sie es schon immer waren.“
„Und die sehen auch nicht aus, als wollten sie nur einen Kristall abholen. Die
wollen uns massakrieren!“
„Hmmmm, sag mal Emelda, hast du einen Brief von `Seriosa´ gelesen?“ fragte Amandra mit gespielter Nachdenklichkeit.
„Ich fürchte, der arme kleine Glissando ist abgestürzt!“
„Neiiiin, das ist ja entseeeeetzlich!“, schauspielerten sie weiter, "vielleicht wurde er auch von den bösen, bösen Moroks abgeschossen!"
„Also, jetzt mal im Ernst, Mandy“, sagte Emelda daraufhin, „von dem, was in dem Brief steht, glaube ich kein Wort und solange wir nicht wissen, was da in Fasolânda gespielt wird, schlage ich vor, alles beim Alten zu lassen. Wir kämpfen gegen die Moroks und verteidigen den Kristall, so wie wir es vorhatten und sollten wir das ganze überleben, dann können wir uns Gedanken darüber machen, wie wir herauskriegen, wer in Fasolânda gerade Dinge tut, die er besser nicht tun sollte.“
„Ich stimme dir vollkommen zu Emelda. Wir sollten nur in der Zeit, bis die Moroks hier aufschlagen die Anwesenheit unseres `Glissando´ nutzen, um den anderen eine Botschaft zukommen zu lassen. Ich denke wir sollten den Vogel mit einer Warnung zu `Jambus´ schicken. Wenn sie sich irgendwo treffen, dann dort. Dort soll der Rat stattfinden, dorthin werden Banglim und Bengali kommen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Wir sollten unsere Freunde dort warnen und ihnen mitteilen, was wir wissen und wie die Lage bei uns ist, damit sie informiert sind, falls wir es nicht schaffen sollten, in die `Fermata´ zu gelangen.“
Emelda nickte zustimmend und so machte sich Amandra sofort daran, eine Botschaft an `Jambus´ zu verfassen. Die Nachricht wurde um das rechte Beinchen des `Glissando´ gewickelt und der Vogel damit auf die Reise geschickt. Mittlerweile war schon einige Zeit ins Land gegangen und der Sonnentanz soweit fortgeschritten, dass die Dämmerung bevorstand.
Es würde nicht mehr lange hell sein. Darauf hatten die Elfen gehofft.
Die Moroks auf ihren Gifhars waren nicht ganz so schnell vorangekommen, wie sie sich das erhofft hatten, aber immerhin schon so nah, dass Amandra und Emelda einzelne Figuren unterscheiden konnten. Die Staubwolke, die sie hinter sich herzogen, kam immer näher und wurde immer größer.
Das Gruselige an Angriffen der Morendianer war die absolute Stille, in der sie stattfanden. Egal, ob die Naurons mit ihren dunklen Reitern, die Gifhars oder die Moroks angriffen, alles fand immer ohne einen Ton oder ein Geräusch statt, solange sie in Reichweite des `Unerhörten´ waren und unter seiner telemagischen Kontrolle standen. Erst, wenn sie sich aus dem unmittelbaren Machtbereich ihres Herrschers entfernten, waren Geräusche überhaupt möglich. Bis dahin gab es weder Schreie noch Hufgetrappel, kein Surren von Pfeilen, kein Wiehern oder Schnauben, nichts, was man hätte hören können, allenfalls ein `tschak´, wenn ein Pfeil irgendwo einschlug oder stecken blieb. Alles ansonsten Hörbare wurde durch die Telemagie des `Unerhörten´ aufgesogen, wie von einem Schleier bedeckt und damit unhörbar gemacht. Das gab den Attacken etwas Gespenstisches. Weil man es nicht hören konnte, wollte man nicht glauben, dass etwas kam, solange bis es da war. Dann war es zu spät.
Amandra und Emelda hatten allerdings schon so oft gegen Trupps der Moroks kämpfen müssen, dass sie sehr genau wussten, was kommen würde und sie bereiteten sich darauf vor. Bald würde der Sturm über sie hereinbrechen.
15 Ranguun - Spione in der Dunkelheit
Bis obenhin bepackt und mit schweren Schritten machten sich die drei auf den Weg. So, wie der Baum sie willkommen geheißen hatte, indem er Sinja und Cichianon Stufen bereitete, so verabschiedete er die drei Wanderer jetzt. Sie wurden mit ihrem Gepäck am Stamm hinunter geleitet und sicher am Boden abgesetzt.
"Wow!", entfuhr es Sinja, "das ist mal ein Service!"
"Ooooouuuuuuuf Wüüüüderrrrsööööööhäääään!", brummte der Baum.
Sinja fühlte den Klang seiner tiefen Stimme als leises Zittern in ihrem ganzen Körper. Kaum, dass dies geschehen war, schloss sich die Eingangspforte und der Baum sah aus, wie ein ganz normaler Baum, der hier schon immer gestanden hatte. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass er bis eben noch bewohnt war von Lebewesen, die erheblich größer waren, als Vögel. Auf diese Weise lebten die Elfen und Pflanzen des Waldes seit den alten Zeiten zusammen, zu gegenseitigem Nutzen. Die Elfen hatten Schutz und eine Bleibe und die Pflanzen, vor allem die Bäume wussten, dass sie gut behandelt würden. Niemals hätte ein Elf grundlos einen Baum verletzt und selbst wenn es notwendig war, eine Botschaft oder Nachricht in seine Rinde zu ritzen, fragten die Elfen vorher um Erlaubnis. Das war für die Bäume keine große Sache. Sie waren von den Menschen viel Schlimmeres gewohnt.
Es war eine Frage des Respekts, den die Elfen den anderen Waldbewohnern entgegenbrachten.
"Auf Wiedesehen", sagten auch Ferendiano und Gamanziel.
Nach dem Abschied kämpften sich die drei den Abhang hinauf, schauten sich noch einmal um, sagten auch dem See leise und wehmütig `Auf Wiedersehen´ und begaben sich auf die nächste Etappe der Reise.
Der Weg auf dieser Seite des Waldes war bei weitem nicht so komfortabel wie einige Zeit vorher bei der Anreise. Der Pfad war enger und dichter bewachsen und Sinja, die auf Allegros Dienste verzichten musste und außerdem das Marschieren mit Gepäck nicht gewöhnt war, musste immer wieder aufpassen, dass sie nicht in einem Gestrüpp hängen blieb und stürzte. Einmal hingefallen, wäre das Aufstehen mit ihrer Last ohne Hilfe nicht mehr möglich gewesen.
„Warum ist dieser Weg so komplett anders als auf der anderen Seite des Sees“, wunderte sich Sinja.
„Wir