Sinja und die Zaubergeige. Andreas Milanowski

Sinja und die Zaubergeige - Andreas Milanowski


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beim letzten Mal durchs Schlüsselloch geguckt und alles gesehen!“

      Das war Sinja so peinlich gewesen, dass sie von diesem Tag an nicht mehr mit anderen über den Weihnachtsmann sprach.

      Offiziell war der erledigt.

      Schließlich wollte sie nicht für albern oder kindisch gehalten werden.

      Aber in ihrer Seele sah es ganz anders aus.

      Wenn sie nur genau in sich hinein hörte, war da eine leise Stimme, die wünschte, es gäbe ihn doch.

      Ähnlich war es ihr mit den magischen Wesen aus den Büchern gegangen.

      Sie hatte diese Bücher verschlungen, seitdem sie die ersten Sätze lesen konnte.

      Ihr Verstand hielt all diese Zauberer und Einhörner, diese Trolle und Zwerge, Feen, Elfen und Gnome und was sich sonst noch alles auf und zwischen den Seiten ihrer Bücher tummelte, für Erfindungen der Bücherschreiber.

      Aber die Geschichten hatten sie dennoch immer fasziniert und wenn sie mit offenen Sinnen durch den Wald lief, bei einem der vielen Sonntagsspaziergänge mit ihren Eltern zum Beispiel oder während einer Wanderung mit der Schulklasse, dann konnte sie die Wesen ganz deutlich sehen und hören.

      Sie schwirrten und flatterten überall durch die Luft. Sie hingen in den Ästen der Bäume und auf Blättern. Sie versteckten sich hinter Felsen und Rinde und im Farnkraut und neckten und erschreckten gelegentlich alle, auch und vor allem gerade die, die nicht an sie glaubten und sie daher nicht sehen konnten.

      Sinja redete nicht mehr mit anderen Menschen darüber, weder mit ihren Eltern noch mit ihren Freundinnen und schon gar nicht mit ihrer Schwester.

      Sie wollte nie wieder wegen solcher Dinge ausgelacht oder verspottet werden oder in peinliche Situationen kommen.

      Und jetzt schwirrten diese Wesen vor ihrer Nase herum, angeblich, weil sie von ihr gerufen worden waren und erzählten absurdes Zeug und stritten miteinander und nervten ganz furchtbar.

      „Ich habe niemanden gerufen und ich höre auch niemandem zu und überhaupt könnt ihr eure Geschichten erzählen, wem ihr wollt“, sagte sie trotzig.

      „Ich weiß nicht, ob ich das hören will! Nein, ich bin sogar sicher, dass ich es nicht hören will!“

      In ihr kämpfte die Vorsicht mit der Neugier.

      Einerseits wollte sie schon wissen, was das Ganze zu bedeuten hatte, das ihr da gerade wiederfuhr, andererseits fürchtete sie sich vor den ungewöhnlichen Erscheinungen.

      Lesen war das eine, aber diese seltsamen Wesen dann im eigenen Wohnzimmer zu haben, das war etwas ganz Anderes.

      Außerdem wusste sie nicht, was die Elfen mit ihr vorhatten.

      „Also noch mal: ich habe euch nicht gerufen. Verschwindet jetzt und lasst mich in Ruhe weiterüben!“

      „Meine Liebe!“, kiekste Emelda, halb sauer, halb belustigt, „da muß ich aber mal kräftig lachen - hahaha!

      Wenn ich mich recht erinnere, hast du vorhin ein ziemliches Theater veranstaltet, um nicht üben zu müssen.

      Das kommt übrigens, wenn ich mir diese Bemerkung mal erlauben darf, in letzter Zeit ziemlich häufig vor...."

      "Verdammt, woher weiß die das?", fragte sich Sinja.

      ".....und jetzt hast du plötzlich nichts Wichtigeres vor, als Geige zu üben, nur um uns drei schnellstmöglich wieder loszuwerden und deine Ruhe zu haben?

      Vergiss es!

      Ich will dir mal was sagen:

      Du hast die Hosen voll? Okay! Völlig normal! Geschenkt!

      Deine Angst ist berechtigt und du wirst bald erfahren, warum.

      Es steht dir einiges bevor! Du wirst uns nämlich begleiten.

      Wir brauchen dich! Es ist dringend! Es geht um Leben und Tod!“

      „Ich muss was....? Wie?... Wofür...? Wohin? Was erzählst du da? Ihr platzt hier einfach rein und….was habt ihr vor? Wollt ihr mich entführen? Das ist ja wohl die Höhe! Ich will gar nicht, dass mir irgendwas bevorsteht!“, rief Sinja, „und ich will auch nirgendwo hin. Was ist denn das für ein wirrer Beitrag?“

      Doch Emelda fuhr ungerührt fort:

      „Ich hatte dich für etwas mutiger gehalten…. und etwas neugieriger auch, aber egal. Im Moment zählt Folgendes: du hast die drei Noten E – G – A gespielt und du hast sie so gespielt, wie sie die Berufenen spielen, sauber, klar und rein und deswegen sind wir gekommen. Punkt!

      E wie Emelda. G wie Gamanziel und A wie Amandra!

      Du hast die Schwingungen gesehen?

      Die Lichtbänder und Glitzerfäden, an denen wir hängen?

      Du hast sie erzeugt mit deiner Geige. Wir werden von den Fäden in die Menschenwelt gezogen und wir irren uns nicht. Wir können uns gar nicht irren. Das steht nicht in unserer Macht. Du spielst, wir kommen. So funktioniert das, ob uns das gefällt oder nicht.

      Lass´ die zwei das ruhig noch eine Weile diskutieren."

      Sie deutete mit dem Kopf auf Amandra und Gamanziel, die immer noch heftig stritten.

      "Wenn jemand so spielt wie du, dann erscheinen wir. Das läuft von ganz alleine ab, ohne unser Zutun.“

      Emeldas Schilderung war so eindringlich, dass Sinja zuhören musste, obwohl sich ein Teil ihrer Seele immer noch dagegen wehrte.

      Sie legte ihre Stirn in Falten.

      „Hmmm, was würde eigentlich passieren, wenn ich ein C spiele?“ fragte Sinja.

      „Aha, sie wird neugierig“, dachte Emelda erfreut und sagte: „Dann erscheint Cichianon, das C, der Grund und den willst du sehen, glaub´ mir!“

      Die Elfe lächelte verschmitzt.

      „Und D?“

      „Doriando, das D, der Ton des Sieges. Unser bester Kämpfer. Muskeln wo du hinguckst. Ein Bild von einem Kerl.“

      “Und F?”

      “Ferendiano, das F, der Ton der Heiterkeit. Das sind unsere Jungs.“

      „Seid ihr alle Paare?“

      „Nein“, antwortete Emelda, „wo denkst du hin? Wir Elfen paaren uns erst sehr spät im Leben. Die ersten zwei- dreihundert Jahre, wie ihr Menschen das nennt, haben wir viel zuviel zu tun und sind auch viel zu unruhig um uns um feste Beziehungen zu kümmern.

      Das heißt natürlich nicht, dass wir Mädels nicht nach den Jungs gucken und umgekehrt, aber sie sind eher unsere Brüder als unsere Geliebten.

      Und: jeder von uns hat natürlich seinen eigenen Ton für den er verantwortlich ist und auf den er oder sie achten muß.“

      Plötzlich schlug Emelda aufgeregt mit den Flügeln und kam schnell näher.

      Sie winkte Sinja mit dem Zeigefinger zu sich heran.

      „Hast du schon einmal die sechste Symphonie von Ludwig van Beethoven gehört?“, flüsterte sie verschwörerisch.

      “Nein? Das solltest du unbedingt! Das `Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande´?

      Nein? Oder…. `Das lustige Zusammensein der Landleute´.

      Das ist F...., die Freude...., die Heiterkeit.

      Hör´s dir mal an, wunderbare Musik - aber wenn du dann unseren Ferendiano dazu siehst, dann glaubst du nicht, dass er das F ist und.....ach, egal, er ist einfach manchmal ein bisschen daneben.....aber das wirst du noch….mein Gott, wir werden jetzt hier nicht die ganze Tonleiter durchgehen, oder?", wurde sie wieder laut.

      "Du wirst sie schon noch alle


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